Liebe Nicky,
es ist doch ganz egal, was Du genau hast. Ich habe auch keine richtige Diagnose erhalten. Ich weiß nur, es ging mir sehr schlecht. Ich war schwach, voller Angst, habe mir immer zu viel aufgeladen, dachte ich sein unwichtig und ich hatte Panikattacken. Nach ca. 1 jahr ambulanter therapie ging es mir besser. Nach 2 Jahren noch besser. Und jetzt nach fast 4 Jahren geht es mir gut. Da ist mir die Diagnose ziemlich wurscht. Ich kann ja die Veränderung fühlen.
Psychische Prozesse brauchen Zeit und Raum.
Wenn ich es richtig verstehe, dann machst Du bei dem Psychologen Beratungsgespräche, aber keine richtige ambulante Therapie?
Ruf ihn bitte an und laß Dir einen neuen Termin geben. Wie gesagt, daß er sich nicht gemeldet hat, hat gar nichts mit Deinem Wert zu tun und ob er Dich wichtig nimmt. Du bist sicher nicht abgeschrieben. Ruf ihn an und laß Dich in Deiner aktuellen Not von ihm unterstützen und beraten. Auch zur Überbrückung bis zu einer richtigen Therapie oder einem Klinikaufenthalt.
Wenn es Dir so schlecht geht und Du Dich von allen so allein gelassen fühlst, dann ist eine ambulante Therapie oder Tagesklinik oder wie Du selbst vorschlägst ein Klinikaufenthalt sicher das Richtige. Du spürst das viel besser als irgendjemand sonst. Dein Mann kann nicht fühlen, was Du fühlst. Das kannst nur Du selbst.
Daß Du meinst, Du müßtest so viel arbeiten und dürftest nicht krank sein, ist Teil der Störung. Aber schau mal, wenn Du so weitermachst, wirst Du vielleicht irgendwann so krank werden, daß Du nie wieder arbeiten kannst. Und das ist ja weder finaziell noch als Lebensziel erstrebenswert, oder? Gerade zur Erhaltung Deiner Arbeitskraft ist es wichtig, daß Du jetzt etwas unternimmst. Und dazu gehört vielleicht eben auch eine längere Auszeit in der du mit der Unterstützung von Psycho-Profis wieder zu Kräften kommen darfst.
Bei einer ambulanten Therapie mußt Du übrigens nicht unbedingt krankgeschrieben sein. Manchmal ist es nötig, weil derjenige eben nicht arbeitsfähig ist. Aber es ist auch gut möglich, das neben der Arbeit zu machen. Es würde nur Sinn machen, sich dann etwas weniger Arbeit aufzuhalsen, damit genügend Freiraum für die psychischen Prozesse und die Heilung verbleibt.
Ich würde Dir vorschlagen, folgendermaßen vorzugehen:
- gleich heute schreibst Du dem Psychologen eine mail und bittest um einen neuen Termin. Oder Du rufst ihn an (bzw. morgen, falls er heute nachmittag keine Sprechzeit hat)
- als nächstes würde ich einen Besuch beim Hausarzt vorschlagen mit der Bitte, Dich gründlich zu untersuchen, um körperliche Ursachen für Deine Beschwerden auszuschließen
- gleichzeitig kannst Du ihn schon bitten, Dich bei der Suche nach einem guten ambulanten Therapeuten oder einem Klinikplatz zu unterstützen.
Wenn Du konkrete Suizidgedanken hast, dann zögere bitte nicht, sofort eine Kllinik aufzusuchen. Such Dir am Besten bereits alle Infos zusammen, wo Du im Notfall direkt hingehen kannst.
P.S. Ich habe gerade Deine anderen Beiträge gelesen und auch gesehen, daß Du große Angst hat, daß jemand von Deinen psychsichen Problemen erfährt. Ich bin auch in leitender Position. Ich bin immer offen damit umgegangen, daß ich in Therapie bin. Meine Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen haben doch sowieso gespürt, daß bei mir was nicht stimmt und es mir immer schlechter geht. Das kann man doch gar nicht verbergen. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit meiner Offenheit gemacht. Es wird anerkannt, daß ich für mich sorge und mir Hilfe hole. Das wird als souveräner Schritt akzeptiert und wertgeschätzt. Außerdem mußte ich dann die wenige Energie, die mir damals noch verblieb, nicht noch dafür verbrauchen, eine Fassade aufrechtzuerhalten. Ich brauchte meine Kraft vielmehr für den Heilungsprozeß.
Wenn insbesondere Dein Mann nicht bereit ist, Dich anzusehen und er lieber die Augen vor Deinem Leid verschließen möchte, wenn er sich hilflos fühlt und daher hofft, daß alles schon wieder gut ist, dann ist das sein Problem. Das sagt ganz viel über ihn und sein Unvermögen aus. Aber das sagt nichts über Dich und Deinen Wert und Dein Leid aus.
Du wirst zu Deinem Wohl auch entgegen den Wünschen Deines Mannes bzw. ohne seine Unterstützung für Dich handeln müssen.