Hi Ninja,
ich habe mein FSJ in einer Pflegeeinrichtung gemacht. Die Einrichtung hab mich mir selber ausgesucht und mich auch direkt dort beworben, anstatt über den Träger des FSJ.
Das Vorstellungsgespräch lief ganz normal ("Warum haben Sie sich für ein FSJ entschieden?" blabla) und ich hatte die Möglichkeit, mir direkt im Anschluss die Einrichtung anzusehen, habe dan auch ein, zwei Tage hospitiert.
Der Vertrag sah eine 40 Stunden-Woche vor, bei einem Ausgleich von ca. 400 Euro. Normalerweise sind FSJler Zusatzkräfte, die die Festangestellten unterstützen sollen, allerdings wurde ich schon nach sehr kurzer Zeit als normale Kraft in den Dienstplan integriert, ich hatte die gleiche Arbeit, wie ein Festangestellter, 40 Stunden Schicht, Frühschicht ab 7, Spät bis 21 Uhr, Wochenende und Feiertag, Überstunden.
Die Arbeit war körperlich sehr hart, in einer Schicht hatten wir die Aufgabe zu zweit 10 pflegebedürftige und schwertmehrfachbehinderte Menschen zu versorgen, das bedeutet, waschen, duschen, umziehen, windeln, Essen geben und Essen zubereiten in einem sehr straffen Zeitplan. Die meisten Menschen mussten mehrfach gehoben werden, vom Bett in den Rollstuhl, von da auf die Toilette, wieder zurück oder in die Wanne. Anfangs hatte ich ziemliche Rückenschmerzen, hab mich dann dran gewöhnt und später kamen die richtigen Schmerzen.
Meine Hochachtung vor allen Pflegekräften, ich hab nur mal ein paar Monate reingeschnuppert, aber die machen das ihr Leben lang, meist unter sehr schlechten finanziellen und zeitlichen Bedingungen, das ist unheimlich harte körperliche Arbeit, die zum großen Teil immer noch nur von Frauen erledigt wird.
Die Arbeit selber hat mir trotz der Anstrengungen unheimlich viel Spaß gemacht, auch wenn ich morgens um 5 keinerlei Motivation hatte, mich aus dem Bett zu quälen, wurde ich während der Arbeit 100fach für meine Anstrengungen entlohnt, einzig und allein durch den Spaß und die Freude im Umgang mit diesen Menschen.
Meine Arbeitskraft wurde ganz objektiv dort ausgenutzt, aber das störte mich nicht, ich hab die Arbeit gerne und mit viel Motivation gemacht. Voraussetzung hierfür ist Akzeptanz, Empathie und das Bedurfnis helfen zu wollen, das Bedürfnis die Menschen, egal wie sie sind, zu lieben und zu verstehen und ihren Wünschen und Bedürfnissen gerecht zu werden und ihr Leben mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln menschenwürdig und angenehm zu gestalten.
Es gibt Mitarbeiter in dem Bereich, die ihre Arbeit mechanisch erledigen, das merken die Kollegen und es fällt auf die Bewohner zurück. Ich kann einen erwachsenen Behinderten nicht in einen Michy Maus Pullover stopfen, nur weil ich der Meinung bin, es sei egal und er kann sich ja nicht wehren und ich auch sonst keine Lust habe, drüber nachzudenken. Das sind Kleinigkeiten, die permanente Reflektion und Einfühlungsvermögen voraussetzen.
Die Seminare waren sehr jugendlich gestaltet, zweimal eine Woche mit anderen FSJlern in einer Jugendherberge, Kennenlernrunde, Mediation, gruppendynamische Spiele, Projekte und Unterrichtsstunden, die gruppenweise nach Einsatzgebiet organisiert wurden. So kann man z.B. endlich was über Autismus lernen, nachdem man monatelang von einem Autisten geärgert wurde 😉.
Zudem gab es eine Woche mit Gruppenaktivitäten, wandern oder was weiß ich, da hab ich mich krank schreiben lassen.
Mein Berufswunsch wurde entscheident beeinflusst, ich arbeite nur darauf hin, unter besseren Bedingungen arbeiten zu können, in der Pflege werde ich es nicht mein Leben lang aushalten können. Die Erfahrung war für mein persönliches Leben unabdingbar, ganz viele FSJler und Zivis bleiben in dem Bereich.
Und denk dran, du bist eine billige Arbeitskraft, nimm das mit, was du brauchst, aber sei ruhig mal zimperlich bei den Überstunden, als FSJler kann man sich das erlauben, die wollen immerhin was von dir.
Von daher wünsche ich dir, dass du trotz anfänglicher Skepsis Freude und Spaß an deiner Arbeit haben wirst, dass wie bei mir aus einem "naja, gut, was soll ich sonst machen?" ein nachhaltiger positiver Eindruck entsteht.
Gruß Eska