Hallo Gast,
ich kann dich sehr gut verstehen. Ich (49) hatte selbst auch einmal 15 Monate lang keinen Kontakt mehr zu meiner damals allerdings schon 85-jährigen Mutter und meiner Schwester. Meine Schwester (47) nimmt zwar keine Drogen, hat aber ihr Studium nie beendet, auch keine andere Ausbildung mehr gemacht, bis heute nie gearbeitet, sondern lebte einfach nur noch im Elternhaus mit unserer seit Jahrzehnten chronisch kranken, verwitweten Mutter zusammen und wurde von dieser finanziell unterhalten. Die Mutter war seit Jahrzehnten chronisch und schwer krank. Zwischen ihr und meiner Schwester gab es auch öfters lautstarke Auseinandersetzungen. Meine Mutter rief dann auch bei mir an und beschwerte sich über das tyrannische Verhalten meiner Schwester ihr gegenüber. Sie ärgerte sich außerdem schwarz darüber, dass meine Schwester keine Anstalten machte, eine Berufsausbildung oder Arbeit aufzunehmen. Dennoch hielt die Mutter immer, wenn es darauf ankam, in märtyrerhafter Manier doch zu ihr und verhielt sich mir gegenüber dann grundlos reserviert bis feindselig. Es war dann selbst mit Engelszungen nicht vernünftig mit ihr zu reden, letztlich waren dann beide völlig uneinsichtig.
Das Ganze eskalierte eines Tages, als meine Schwester, bei der ich schon vor Jahren laienhaft Symptome einer vermutlich gravierenden psychischen Erkrankung festgestellt habe (Wahnwahrnehmungen und -vorstellungen, Tatsachenverdrehungen, Lügen, die sie sich selbst zu glauben scheint, und Verleumdungen gegen andere), unserer Mutter beim Aufenthalt in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung der Wahrheit zuwider einredete, ich hätte sie gegen ihren Willen dauerhaft in dem Pflegeheim unterbringen wollen. Meine Mutter war zu der Zeit schon 85 Jahre alt, schwer krank, gebrechlich und zumindest leicht dement. Beide traten mir gegenüber in dieser Situation sehr feindselig auf (und das ohne jeden Grund, denn ich hatte mich bis dahin auch immer um meine Mutter gekümmert, soweit es meine Vollzeittätigkeit in einem akademischen Beruf erlaubte und obwohl ich immerhin eine Autostunde vom Heimatort entfernt wohne).
Von meiner Schwester habe ich nichts anderes erwartet, ich halte sie wie gesagt ohnehin für psychisch krank. Von meiner Mutter war ich aber zutiefst enttäuscht, denn sie hätte mich gut genug kennen müssen, um zu wissen, dass ich nie hinter ihrem Rücken agiert hätte, sehr an ihr hing und mir immer die größten Sorgen um sie und ihre Gesundheit gemacht habe, auf Kosten meines eigenen Lebensglücks. Ich habe diese Undankbarkeit und Feindseligkeit dann nicht mehr ausgehalten und den Kontakt abgebrochen. Allerdings habe ich meine Mutter ein halbes Jahr später noch zweimal besucht, während sie wieder einmal im Krankenhaus lag. Da sie aber nach wie vor unter der Fuchtel meiner Schwester stand, die Verwandte, aber auch andere Personen von ihr fern hielt, hatte eine weitere Kontaktaufnahme nach Beendigung ihres Krankenhausaufenthalts keinen Zweck. Ich hätte mich bei Besuchen zu Hause nur weiterhin von meiner Schwester drangsalieren lassen müssen und meine Mutter hätte es einfach geschehen lassen. Auf ein Weihnachtspäckchen und einen Blumenstrauß, den ich meiner Mutter zum Geburtstag schickte, wurde nicht mehr reagiert, auch zu meinem Geburtstag erhielt ich keine Glückwünsche.
15 Monate nach dem Kontaktabbruch bekam meine Mutter einen schweren Schlaganfall, von dem ich bezeichnenderweise durch den behandelnden Arzt, nicht durch meine Schwester, informiert wurde. Ich habe meine Mutter dann wieder regelmäßig im Krankenhaus bzw. im Pflegeheim besucht, wo sie vier Monate später starb. Bin auch froh, dass meine Mutter in dieser Phase noch mitbekommen hat, dass ich mich dann wieder um sie gekümmert habe, also gar keinen so schlechten Charakter haben kann, wie sie unter dem Einfluss meiner Schwester wohl gedacht hat.
Die ganze Phase des Kontaktabbruchs hat auch mich psychisch schwer belastet, nicht wegen meiner Schwester, sondern wegen meiner Mutter. Gerade mir war es immer wichtig, eine gute Tochter zu sein, und ich finde es bis heute ganz furchtbar, dass die Situation sich so entwickelt hat, dass ich damals einfach nicht mehr anders konnte, als mich zurückzuziehen. Ich sehe aber auch eine gehörige Portion Mitverantwortung bei meiner Mutter, denn es wäre ihre Aufgabe gewesen, solange sie noch rüstiger war, meiner Schwester Grenzen zu setzen oder sich Ärzten, Beratungsstellen, einem Anwalt, ggf. auch der Polizei anzuvertrauen. Das tat sie aber ums Verrecken nicht, sondern verdrängte lieber alles. Sie hat aus Hilflosigkeit ebenso agiert wie deine Eltern gegenüber deinem Bruder. Ich finde es mehr als unfair, dass die "pflegeleichten", "funktionierenden" Kinder dabei völlig übersehen werden und auf der Strecke bleiben.
Jetzt stecke ich in einer schlimmen Erbauseinandersetzung mit meiner Schwester, da wir laut notariellem Testament der Mutter Erbinnen zu gleichen Teilen sind. Meine Schwester bemüht sich auch 16 Monate nach dem Tod unserer Mutter nicht um Arbeit, lässt alles weiterlaufen wie bisher, lebt von dem Kontoguthaben meiner Mutter, das ich ihr vollständig überlassen habe. Ich habe sogar die Beerdigungskosten getragen, um das Kontoguthaben nicht anzutasten. Habe mich über ein halbes Jahr lang auch hälftig an allen Kosten für das Haus einschließlich der Verbrauchskosten beteiligt, obwohl meine Schwester mir eigentlich eine betragsmäßig höhere Nutzungsentschädigung zahlen müsste. Selber wohne ich in einer Mietwohnung und habe ja auch meine eigenen Lebenshaltungskosten zu tragen. Ich wollte aber meiner Schwester, gerade weil ich sie für psychisch krank halte, nicht gleich nach dem Tod der Mutter den Boden unter den Füßen wegziehen, sondern ihr etwas Zeit und eine faire Chance geben, ihr Leben ohne allzu großen finanziellen Druck neu zu sortieren.
Es nützte aber nichts und wurde mir vor allem auch nicht gedankt. Meine Schwester weigert sich, einem Verkauf des Hauses zuzustimmen. Sie weigert sich auch, Sozialhilfe oder Hartz IV zu beantragen, weil dann das Sozialamt ja auf eine Verwertung des Hauses drängen würde. Sie will dort wohnen bleiben und ich soll zeitlebens alles, auch ihren Lebensunterhalt, zahlen. Sie tut jetzt so, als ob sie -und nur sie- sich immer um die kranke Mutter und andere, früher im Haus lebenden kranken Angehörigen, gekümmert hätte und nur deshalb keinen Beruf hätte ergreifen und ausüben können. Ich hätte quasi auf ihre Kosten "Karriere" gemacht. Das soll ich nun quasi "abbüßen", indem ich lebenslang für alles aufkomme und mich dabei finanziell ruiniere.
Somit blieb mir nichts anderes übrig, als mir einen Anwalt zu nehmen und das Teilungsversteigerungsverfahren einzuleiten. Dabei wird das Haus dann (leider mit finanziellem Verlust) versteigert und der Erlös geteilt. Das Verfahren läuft sicher noch bis Sommer oder Herbst dieses Jahres. Meine Schwester macht nach wie vor Psychoterror - immer dann, wenn größere Zahlungen anstehen. Ich habe zurzeit auch keinen Kontakt mehr zu ihr, nur über meinen Anwalt. Ob es sich je ändern wird, weiß ich nicht (vielleicht, wenn es bei ihr zu einem Zusammenbruch kommt und sie dann endlich die psychiatrische Behandlung erhält, die sie meines Erachtens schon seit mindestens 12 Jahren braucht).
Was ich damit sagen will: Niemand versteht so gut wie ich, dass es manchmal einfach nicht anders geht, als einen unerträglich gewordenen Kontakt zu den engsten Familienangehörigen abzubrechen. Du bist auch nicht automatisch "schuld" an dem Kontaktabbruch, wenn deine Familienangehörigen derart uneinsichtig sind, dass sie dich quasi dazu getrieben haben, wenn du nicht selbst untergehen willst. Als junger Erwachsener trägst du auch eine Verantwortung für dein eigenes Leben und darfst dir nicht deine berufliche Zukunft und deinen Studienerfolg durch die Uneinsichtigkeit der engsten Angehörigen, auch nicht der Eltern, zerstören lassen. Suche dir im Zweifel "moralische" Unterstützung bei einer Familienberatungsstelle. Außerdem sind deine Eltern mit über 50 Jahren noch recht jung, auch wenn dir das als junger Mensch anders erscheinen mag.😉 So schnell werden sie schon nicht sterben, jedenfalls nicht nach der statistischen Wahrscheinlichkeit. Ich werde selbst bald 50 - mit Menschen in diesem Alter kann man durchaus Tacheles reden, viel eher als mit einer über 80-jährigen, schwerkranken und gebrechlichen Mutter.
Vielleicht besteht zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit, wieder aufeinander zuzugehen. Vielleicht kannst du deinen Eltern auch einen Brief schreiben, deine Beweggründe für den Kontaktabbruch darlegen und klarstellen, dass du dir dein Leben nicht durch ihre Uneinsichtigkeit ruinieren lassen darfst, aus deiner Sicht aber die Tür zu einer Versöhnung immer offen steht.