Schuldgefühle zu haben heißt ja, ein Versagen, ein „nicht genug sein“ zu empfinden. Zu glauben, dass es besser würde, würde man nur mehr machen, besser sein, sich mehr anstrengen. Gleichzeitig hat man den Eindruck, alle würden einem immerzu beobachten, beurteilen und für „ungenügend“ ansehen.
Wer viele Schuldgefühle hat, schämt sich oft für sich selbst, erlaubt sich kaum, zu entspannen. Jede Minute, die womöglich mit "eigennützigen" Gedanken gefüllt ist, trägt noch mehr zu den Schuldgefühlen bei.
Schuldgefühle entstehen oft schon in der Kindheit. Vielleicht war man nicht der ersehnte Junge oder das gewünschte Mädchen, vielleicht hatte man andere Interessen, als die Eltern es sich gewünscht hätten. Egal was es war – es hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass man sich als Außenseiter fühlte.
Die Empfindung „nicht zu passen“ wird von Kindern dann oft auf sich selbst projiziert, da sie noch nicht in der Lage sind zu sehen, dass nicht sie es sind die „falsch“ sind, sondern, dass es an der Situation und einem Unvermögen der Eltern liegt. Was hier keine Schuldzuweisung sein soll. Wie das Kind, tragen Eltern ebenfalls ihre Geschichte mit sich herum und waren/sind nicht in der Lage diese aufzuarbeiten und zu reflektieren.
Das führt zu sehr schmerzhaften Lebensläufen. Nach deiner Beschreibung habe ich den Eindruck, dass solch eine Erklärung für dich zutreffen könnte.
Eines deiner Probleme ist wahrscheinlich, dass du Schwierigkeiten hast deine Grenzen wahrzunehmen bzw zu verteidigen. Das führt dazu, dass auch andere deine Grenzen nicht sehen und damit auch nicht respektieren. Die gelernten Schuldgefühle begleiten dich in allen Beziehungen – zu eigenen Kindern, Partnern, Freunden, Kollegen, … Haustieren.
Das Scheitern ist vorprogrammiert – es allen recht zu machen – eine unmögliche Aufgabe, die wiederum neue Schuldgefühle hervorruft.
Man sollte meinen ein Teufelskreislauf. Es gibt aber eine sehr positive Nachricht für dich:
Schuldgefühle sind erlernt. Und was man erlernt hat kann man auch verlernen. Das ist nicht einfach und geht sicher nicht von heute auf morgen, aber es geht. Wahrscheinlich nur in Begleitung.
Eine spannende, anstrengende, manchmal schmerzhafte aber auch manchmal lustige und auf jeden Fall eine überaus lohnende Reise.
Den ersten Schritt hast du schon getan – du hast hier laut über dich nachgedacht. Dir weiter viel Erfolg!