Ich habe viele Angebote bezüglich Hilfe. Diese sind auch sicher wirklich ernst gemeint und manchmal nehme ich diese auch gerne an. Was mir im Moment aber schwer fällt ist, dass es im Kontakt/im Gespräch auch mit sehr lieben Menschen immer irgendwann in die normalen Dinge des Alltags abschweift. Da bin ich im Moment noch gar nicht für bereit. Es scheint mir heute vieles so unwichtig, worüber ich mich vor wenigen Wochen noch gerne unterhalten hätte. Überhaupt strengt mich das Zuhören oder Reden sehr an. Ich kann nicht mal ertragen, wenn der Fernseher an ist. Surfen ist o.k., also lesen und sonst Ruhe um mich. Und ich schreibe mir ständig Gedanken auf, die mit meinem Liebsten zusammenhängen: Wenn ich gerade an etwas denke, was uns gemeinsam viel Freude gemacht hat oder Situationen, die er besonders geliebt hat. Manchmal sind es ganz viele kleine Dinge, die ich da während eines Tages notiere. Einfach in einer Excel-Tabelle untereinander, immer mit Datum und Uhrzeit. Ich meine, dass mir das sehr gut tut. Dahinter steht vielleicht auch die Angst, diese wunderschönen Kleinigkeiten und Erinnerungen womöglich zu vergessen oder zumindest nicht mehr so "original" in Erinnerung zu haben.
Mit lieben Grüßen, sotraurig2018
Das ist gut. Und ich glaube, man sollte diese Angebote auch annehmen, sobald man dazu bereit ist. Meine Schwägerin hat mir zum Beispiel angeboten, mir irgendwann beim Ausräumen zu helfen. Momentan bin ich noch nicht dazu bereit, seine Sachen wegzugeben, oder gar zu entsorgen, aber irgendwann werde ich mich dieser Aufgabe stellen müssen und werde sie auch bitten, herzukommen. Eventuell findet sie dann ja auch noch das ein oder andere Erinnerungsstück an ihren Bruder, das ansonsten in der Tonne oder bei einer Sammlung gelandet wäre.
Ich weiß, was du meinst. Ich bin normalerweise auch ein Mensch, der sich für viele Dinge interessiert, aber gerade in größerer Runde merke ich nach einer Weile oft, dass ich schon länger nicht mehr weiß, worum sich die Unterhaltung überhaupt dreht. Mich regt momentan auch nix so richtig auf, wenn mir irgendwas runterfällt (Gelegenheiten, bei denen ich mich normalerweise über mich selbst ärgere), dann sammel ich halt einfach die Scherben auf und ansonsten ist es mir egal.
Die Ruhe kann ich zum Beispiel dagegen ganz schlecht ertragen. Wenn mein Mann zuhause war, hat sich immer was gerührt. Der Fernseher ist gelaufen, er hat am PC gezockt, es war Musik an, oder ansonsten irgendein Lärmpegel. Er mochte es nicht leise, den Fernseher hat er oft nur angemacht, damit die Stille weggeht. Und mir geht's momentan auch so, dass ich die Stille in der Wohnung fast ohrenbetäubend finde, und immer irgendwas dudeln lasse, weil ich ansonsten noch trauriger bin. Ich habe schon große Angst vor dem Frühling. In der kalten Jahreszeit waren wir ziemliche Stubenhocker, aber sobald es wieder wärmer wurde, waren wir bei jeder Gelegenheit unterwegs, haben Ausflüge unternommen. Was ich alleine sicher nicht tun werde, weil ich auch gar keine Lust dazu habe, ohne ihn. Ich denke, spätestens ab April wird sein Verlust noch stärker schmerzen, weil wir nicht zusammen im Auto sitzen, auf dem Weg irgendwohin, und die ganze Zeit miteinander rumplappern.
Das mit der Liste ist eine schöne Idee. Ich habe auch große Angst vor dem Vergessen. Dass sein Gesicht irgendwann vor meinem inneren Auge verschwimmt, zum Beispiel. Ich kann mich im Moment nicht mehr an seine Stimme erinnern, was ich völlig verrückt finde, und was mich ab und an auch panisch werden lässt. Mit niemandem habe ich in den letzten beiden Jahrzehnten annähernd so oft gesprochen wie mit ihm, und jetzt ist der Klang seiner Stimme wie aus meinem Kopf gelöscht. Zum letzten Mal habe ich sie ein paar Tage nach seinem Tod im Traum gehört - und seitdem: weg. Mir haben schon Leute gesagt, das käme irgendwann zurück und ich hoffe es so sehr. Eigentlich habe ich mich zuallererst in seine (Telefon-)Stimme verliebt.
Ich möchte allen, die hier schreiben, dass sie einen so schlimmen Verlust erlebt haben, mein aufrichtiges Mitgefühl bekunden.
Ich möchte euch aber auch schreiben, es wird besser, auch wenn ihr es heute noch nicht glauben könnt.
Mein Mann ist vor fast 15 Jahren verstorben. Er war alles für mich, Ehemann, Freund, Liebhaber, Berater und noch mehr. Mittags war er noch gesund und fit, hat mit mir einen Kaffee getrunken und als ich ein paar Stunden später nach Hause kam, lag er auf dem Boden, war bereits im Koma. Wenige Stunden später ist er verstorben. Da blieb keine Zeit, sich darauf einzustellen. Er war einfach weg, von jetzt auf gleich.
Anfangs war ich noch wie betäubt, was mir geholfen hat, alle notwendigen Dinge zu erledigen. Auch hatte ich zwei Menschen an meiner Seite, die mich total unterstützt haben, die für mich da waren.
Wochenlang dachte ich immer, mein Mann müsse gleich nach Hause kommen, gleich ruft er an. Nachts bin ich aufgewacht, weil ich ihn hörte, er sich neben mir im Bett umgedreht hat. Doch da war nichts, war Leere. Und Schmerz, Schmerz, der richtig körperlich zu spüren war.
Irgendwann wurde mir deutlich klar, ich muss meinen Mann gehen lassen, los lassen, sonst wird der Schmerz nie weniger werden. Auch der Weg dahin dauerte seine Zeit, aber es kamen die Momente, in denen ich mit einem Lächeln an den ein oder anderen gemeinsamen Ausflug denken konnte, auch die Bilder anschauen konnte.
Und ich wusste, auch wenn er nicht mehr neben mir die Wege geht, er geht sie mit mir in meinem Herzen. Er ist bei mir, immer.
Ich schicke euch ganz viel Kraft und Mut, die Zukunft anzugehen.
Liebe Momo,
doch, ich denke schon, dass es irgendwann "besser", im Sinne von "es tut nicht mehr ganz so weh", wird. Aber ich denke halt auch, dass es nie wieder gut werden kann für mich. Denn dafür war er ein zu wichtiger Teil meines Lebens, eine Konstante, auf die ich mich immer verlassen habe - dass er immer da ist. Das mag ein naiver Gedanke gewesen sein, aber es ist für mich immer noch unvorstellbar, dass ich nun schon beinahe zwei Monate ohne ihn bin. Ich denke oft, es wäre besser gewesen, wenn es mich erwischt hätte, denn er war der Typ Mensch, der immer nach vorne schaut und nie zurück. Ich dagegen lebe momentan ausschließlich in der Vergangenheit.
Es hat mich sehr berührt, wie du das Verhältnis zu deinem verstorbenen Mann geschildert hat, und die erste Zeit nach seinem Tod. Da finde ich wirklich viele Parallelen zu meinen derzeitigen Gefühlen - dieses Warten, auf einen Anruf, auf sein Nachhause-Kommen kenne ich nur zu gut. Einmal am Tag lese ich in unseren Whatsapp-Nachrichten, wenigstens habe ich die noch, und sie erinnern mich an glückliche, gemeinsame, unbeschwerte Tage.
Keine Ahnung, ob ich je bereit sein werde, loszulassen. Einerseits hoffe ich es, weil er es bestimmt so gewollt hätte, andererseits glaube ich nicht, dass ich je die Kraft dazu haben werde.
Stille Grüße,
smp