Wow, dieser Thread ist schon 5 Jahre alt, aber könnte für mich kaum aktueller sein.
An die TE, ich hoffe und bete für dich, dass du es geschafft hast, dieser toxischen Familie zu entkommen und ein gutes Netzwerk an Unterstützern hast, die es aufrichtig gut mit dir meinen und mit denen du dein Leben nun befreit und friedlich leben kannst, so, wie es eigentlich sein sollte. Falls sie wieder Kontakt zu dir suchen, lass dich niemals dazu verführen, dorthin zurück zu gehen und Zugeständnisse zu machen. Mehr als ein Kaffeetrinken 1x im Jahr sollte nicht drin sein - und auch das nur, wenn deine Mutter und Bruder sich erstmal ernsthaft entschuldigen. Menschen ändern sich nicht so schnell, halte schön Abstand bis du wirklich überzeugt sein kannst, dass sich etwas geändert hat. Die Worte deiner Mutter, als du dich selbst schützen wolltest, das ist das brutalste, was eine Mutter ihrem Kind antun kann. Es zeigt, wie sehr sie sich auf dich gestützt hat in all den Jahren. Sie hat viel falsch gemacht, sicher nicht böswillig, denn meistens ist dieses Verhalten auch nur selbst erlernt. Aber das entschuldigt es nicht. Es ist trotzdem unreflektiert und absolut egozentrisch. Dein Bruder tut mir auch fast mehr leid, weil bei ihm durch die schlechte Erziehung viel kaputt gegangen ist. Er wird es sehr schwer haben, ich hoffe für dich, dass er einsieht, dass er sich ebenfalls aus dieser rebellischen Beziehung zu eurer Mutter lösen sollte.
Ich, 34, weiß aus eigener Erfahrung wie es ist, wenn man da nicht konsequent aussteigt. Mein Bruder ist 35/fast 36, und hat die Familie mittlerweile zutiefst gespalten. Er terrorisiert meine Mutter und mich seit der Pubertät, hat sein Abitur geschmissen, dann nach schulischer Ausbildung mit Fachabi, das ihm meine Mutter organisiert hat, FH-Studium abgebrochen, 20Tsd EUR Schulden angehäuft, das Geld dabei nur zum Fenster rausgeschmissen, Alkohol, Drogen, Diebstahl, zig Delikte, ewig bei Mutter gewohnt und sich geweigert, arbeiten zu gehen, wollte stattdessen immer "Spaß haben und sich mit 30 die Kugel geben" oder eigene Wohnung und von Hartz 4 leben. Seit knapp 3 Jahren macht er Therapie hopping, die jedes Mal an seinem Narzissmus scheitert, und sitzt auf der Straße, bis meine Mutter sich wieder um ihn kümmert. Meine Mutter hat mit ihrem Dogma, man müsse unbedingt studieren/Karriere machen, ihrer übertriebenen, mehr belehrenden als wahrnehmenden Fürsorge, immer neuen "Rettungsaktionen", fehlenden Regeln und Inkonsequenz, und Beschwichtigungen/Lügen ggü der restlichen Familie, leider das ganze befeuert und sein Verhalten mitgezüchtet. Mein Vater hat sich schon nach der Scheidung meiner Eltern (wir waren ca. 8/9 und 9/10) nicht allzu viel eingemischt, dann in seiner Pubertät bei den ersten großen Problemen genervt geäußert, in seinen 20ern dann zunehmend dicht gemacht und hält meinen Bruder für den reinsten Versager. Meine Mutter hat mich in all den Jahren mit Hilferufen, emotionaler Erpressung und Schmeichelei mit im Boot gehalten und stets gebeten, positiv auf meinen Bruder einzuwirken und den Vater um Hilfe zu bitten.
Für meine Probleme war selten Platz und selbst wenn, konnten die Eltern auch nicht so richtig drauf eingehen: So stehe ich nun mit 34 Jahren psychisch völlig fertig da, habe kein eigenes Leben auf die Reihe bekommen, keine eigene Zufriedenheit, Angst vor allem und jedem, vor allem vor meinem älteren Bruder. Innere Zerrissenheit bis ins Mark bei jeder Entscheidung - ständig denke ich für das Wohl der anderen mit, obwohl das gar nicht mein Job ist. Ständig habe ich Angst vor Zurückweisung und Ablehnung, und Schuldgefühle, wenn ich meine Bedürfnisse äußere. Ich mache mir selbst enormen Druck alles richtig machen zu müssen. Jahrelang habe ich mir das überforderte Heulen meiner Mutter angehört und fühle mich auch heute nur wirklich wertvoll und sinnvoll, wenn ich den Kummerkasten für andere Leute spiele und mich selbst zurücknehme. Innerlich bin ich zutiefst einsam, habe auch große Angst vor dem Alleinsein. Ich habe bisher keinen Mann lieben können, da ich in jedem nur den Retter suche, der sich endlich mal um mich kümmert und für mich da ist und mir hilft. Das kann natürlich kein Mann erfüllen. Eine Therapeutin hat mir eine abhängige Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Empfehlenswert ist außerdem das Buch "Übersehene Geschwister", dadurch ist mir vieles klar geworden.
Du wirst mit Sicherheit Narben aus dieser Zeit davon tragen, sei dir immer bewusst, dass du traumatisiert worden bist und es sehr wichtig ist, dass du in erster Linie an dich denkst, weil nur du dir selbst auch helfen kannst. Du hast in deiner Herkunftsfamilie nicht den gleichen Halt wie andere Menschen, daher bist du deiner Mutter oder deinem Bruder auch nichts schuldig - das müssen sie sich erstmal verdienen. Und deshalb musst du gut für dich selbst sorgen. Auch von meiner Seite nochmal herzlichen Glückwunsch, dass du dich getraut hast auszusteigen und dich nicht länger instrumentalisieren zu lassen. Ich wünsche dir alles Gute und Danke dir dafür, dass du deine Geschichte geteilt hast.