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Erinnerungen

G

Gast4891

Gast
Ich war klein, und es ist weit weg. Aber es war nicht nur einmal. Wie hinter einem Nebelschleier ist die Erinnerung ganz undeutlich. Vielleicht war ich zwei oder drei oder vier. Älter nicht. Vielleicht war ich auch zunächst zwei und dann drei und dann vier – es war ja nicht nur einmal. Ich war das kleine süße Mädchen mit den Löckchen.
Ich hatte etwas gemacht, nicht aus bösem Willen. Vielleicht ohne darüber nachzudenken, vielleicht aus Neugierde oder Spieltrieb. Jedenfalls nicht aus bösem Willen und vor allem ohne die Konsequenzen zu ahnen. Ich weiß nicht, was ich gemacht hatte. Er rief mich zu sich, nein, er brüllte meinen Namen. Schon da wusste ich, was kommen würde und begann schon einmal zu weinen. Es half mir nicht. Vielleicht stachelte es ihn auch an.
Wenn ich nicht freiwillig kam, dann holte er mich. Meine Beine waren kurz, seine lang. Wie hätte ich fliehen, wo mich verstecken können? Er setzte sich, legte mich bäuchlings auf seine Knie, zog mir die Hose herunter. Alle standen um uns herum. Ob Mama protestierte oder nicht, ich erinnere mich nicht. Aber sie hätte es verhindern müssen. Er schlug zu mit der flachen Hand auf den nackten Po. Und er schlug kräftig, wieder und wieder. Wie in Raserei. Ich brüllte, denn es tat unerträglich weh. Ich erinnere mich nicht wirklich an den Schmerz, aber ich weiß, dass er unerträglich war. Mehr weiß ich nicht. Wie es dann weiterging, weiß ich nicht. Vielleicht musste ich dann in mein Zimmer, ich erinnere mich nicht.
Nur einmal weiß ich, da hatte meine Schwester etwas gemacht, und er dachte, ich sei es gewesen. Bevor ich mich rechtfertigen konnte, legte er mich schon übers Knie und versohlte mir den Hintern, aber kräftig! Hinterher sagte ich, es sei aber meine Schwester gewesen. Da nahm er mich tröstend in die Arme und sagte zu meiner Schwester: „Dann fühl du dich jetzt verprügelt.“ Aber davon hörte mein Po nicht auf wehzutun.
Manchmal, wenn er auf dem Sofa lag, machte er sich die Mühe nicht. Dann warf er, wenn ich etwas nicht weggeräumt hatte, mit dem Hausschuh. Er hatte Schuhgröße 43. Der Hausschuh war ein Pantoffel aus grauem Cordstoff. Die Sohle war Hartgummi, und er zielte nur grob. Aber ich glaube, wir haben ihn nie ins Gesicht bekommen.
Er strafte nicht nur mich, sondern auch meine Geschwister. Ich wusste nie, wann es mich traf oder sie. Ich konnte die Situationen nicht einschätzen und wusste nicht, wann ich etwas falsch machte, was Strafe verdiente. Das Gesetz kannte nur er. So traf es mich öfter mal. Irgendwann, da war ich schon 12 oder so, schwor ich mir: Wenn er mich noch einmal schlägt, haue ich ab. Aber er schlug mich nie wieder. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass er wahrscheinlich schon Jahre zuvor aufgehört hatte.

Ich habe Angst vor diesen Erinnerungen. Sie kommen langsam hoch. Ich weiß, ich werde eine Therapie brauchen, aber jetzt gerade geht es nicht, das hat mir sogar eine Psychologin bestätigt (auf die Gründe möchte ich nicht eingehen, könnten mich identifizieren ... Aber bitte glaubt es mir ...)
Ich frage mich, wie weit diese Erlebnisse dazu beigetragen können, dass ich bis heute von vielen als "komisch" angesehen werde. Ich bin jetzt über 30. Ich meine, irgendwann muss sowas doch mal überwunden sein? Aber manche sagen, die Ursachen liegen sehr früh.
 
G

Gast4891

Gast
Nachdem ich gestern abend alles heruntergeschrieben habe, soweit ich mich erinnere, möchte ich eigentlich jetzt noch ein paar Fragen stellen:

1. Wie schlimm empfindet Ihr das, was ich erlebt habe? Ich kann es selbst nicht einschätzen, aus meinem Gefühl heraus erscheint es mir normal. Es war ja irgendwie immer so.
2. Ich bin mir eigentlich sicher, dass ich Hilfe brauche. Ich weiß aber nicht so genau, was es für Möglichkeiten gibt und wie ich daran herankomme. Sicher irgendwie über den Arzt, aber ich traue mich derzeit noch nicht, meinem Arzt von diesen Dingen zu erzählen. Es würde mir helfen zu wissen, was ich in Anspruch nehmen könnte. Ich habe gelesen, dass Menschen mit Gewalterfahrung auch manchmal eine Kur verschrieben bekommen. Ich glaube, die würde mir gut tun. Aber ich weiß nicht, ob das für mich zutreffen könnte.
 

Guppy

Aktives Mitglied
Hallo Gast. Hast du nachgedacht mit deinen Geschwistern darüber zu sprechen?
Vielleicht könnt ihr euch gegenseitig beistehen und so euren Schmerz
aufarbeiten.

1. Wie schlimm empfindet Ihr das, was ich erlebt habe?
Schon schlimm, da du dich nicht wehren konntest und auch nicht die
Möglichkeit hattest zu fliehen. Als kleines Mädchen kannst du gar
nicht verstehen, was du da gemacht hast oder wofür die Schläge
überhaupt waren. Zudem kommt noch hinzu, dass die ganze Familie
dabei zugesehen hat und du dadurch noch mehr seinen Schläge
aufgenommen hast.

Wenn möglich, ist eine Therapie zu empfehlen.

L.G.
 
W

Windlicht

Gast
Nachdem ich gestern abend alles heruntergeschrieben habe, soweit ich mich erinnere, möchte ich eigentlich jetzt noch ein paar Fragen stellen:

1. Wie schlimm empfindet Ihr das, was ich erlebt habe? Ich kann es selbst nicht einschätzen, aus meinem Gefühl heraus erscheint es mir normal. Es war ja irgendwie immer so.
2. Ich bin mir eigentlich sicher, dass ich Hilfe brauche. Ich weiß aber nicht so genau, was es für Möglichkeiten gibt und wie ich daran herankomme. Sicher irgendwie über den Arzt, aber ich traue mich derzeit noch nicht, meinem Arzt von diesen Dingen zu erzählen. Es würde mir helfen zu wissen, was ich in Anspruch nehmen könnte. Ich habe gelesen, dass Menschen mit Gewalterfahrung auch manchmal eine Kur verschrieben bekommen. Ich glaube, die würde mir gut tun. Aber ich weiß nicht, ob das für mich zutreffen könnte.
Schlimm! Sehr schlimm! Und alles andere als normal. Wie mich solche "Vãter" ank.....n!
Sobald es dir möglich ist, nimm Hilfe in Anspruch.
 
G

Gast

Gast
Liebe TE, lange Zeit hindurch waren Schläge als Erziehungsmittel erlaubt. Generationen von Kindern wurden mit Kochlöffeln etc. regelmäßig abgestraft, Generationen von Menschen haben aufgrund dieser frühkindlichen Erfahrungen abgedrehte sexuelle Vorlieben entwickelt und ihre Kinder ebenfalls geschlagen.
Es ist schlimm, es ist glücklicherweise mittlerweile verboten. Dein Vater war/ist ein schlechter Vater.
Wie man damit umgeht? Das ist tatsächlich Typensache. Ich brauche den Ausgleich, um meine innere Ruhe wiederzufinden. Ich muss den Täter mit seinem Tun konfrontieren und ihm sagen, dass ich ihn verachte.
Aber jeder Mensch ist anders.
Eine Kur erscheint mir jedoch nicht als Mittel der Wahl.
Ich würde zuerst meine Geschwister befragen und wenn sich meine Erinnerungen bestätigen, meine Eltern fertigmachen.
Sie würden jeden Schlag bereuen.
Ich würde meinen Vater anzeigen, alleine schon, um ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen.
Ich würde Genugtuung wollen. Und brauchen.
 

Wesen4891

Mitglied
Hi, ich bin die Threaderstellerin. Hab mir jetzt doch einen Account angelegt, damit nicht jeder Beitrag einzeln freigeschaltet werden muss. Vielen Dank schon einmal für Eure Antworten.

Hallo Gast. Hast du nachgedacht mit deinen Geschwistern darüber zu sprechen?
Vielleicht könnt ihr euch gegenseitig beistehen und so euren Schmerz
aufarbeiten.
Ich habe mit meinem Bruder vor einiger Zeit darüber gesprochen, wie mein Vater seinen Hausschuh nach uns geworfen hat. Er konnte sich nicht erinnern, obwohl er einige Jahre älter ist als ich und obwohl es öfter vorkam. Mit meiner Schwester kann ich zurzeit nicht so über sowas reden.



GAST meinte:
Eine Kur erscheint mir jedoch nicht als Mittel der Wahl.

Naja, da fehlt zugegeben auch etwas der Zusammenhang. Seit Jahren geht es mir immer schlechter, mir fehlt die Kraft. Körperliche Ursachen wurden weitestgehend ausgeschlossen. Langsam fange ich auch an zu glauben, dass das Problem mehr in meinem Kopf ist. Ich kann manchmal kaum meine Arbeit schaffen, obwohl ich meinen Job liebe. Oft kann ich auch nicht schlafen, und ich werde bei jeder Kleinigkeit krank, weil mein Immunsystem aus unerklärlichen Gründen nicht richtig arbeitet. Urlaub hilft immer ein bisschen, aber nur für kurze Zeit. Nach ein paar Wochen ist alles immer wieder wie vorher. Ein Bekannter hat mir halt erzählt, dass es auch psychosomatische Kuren gibt, auch für junge Leute wie mich, und dass er meint, dass das helfen würde.
 
G

Gast

Gast
Eine Kur kann dich fitter machen, löst aber den Grundkonflikt nicht.
In dir wohnt ein kleines Mädchen, welches misshandelt wurde.
Dieses Mädchen braucht Trost. Und Gerechtigkeit.
Das ist mit einer Kur allein nicht zu schaffen.
Wissen deine Eltern, dass deine Erinnerung wieder da ist.
Sie werden natürlich alles leugnen oder bagatellisieren.
Rede mit deinen Geschwistern.
Lass deine Erinnerungen bestätigen, das gibt Sicherheit.
Schlagende Eltern geben gerne den Kindern die Schuld - sie hätten es sooo ungern getan, aber Erziehung muss halt sein!
Irgendwann solltest du deine Eltern mit der Wahrheit in deiner Seele konfrontieren.
 

Wesen4891

Mitglied
Das mit dem kleinen Mädchen in mir leuchtet mir ein. Nur wie ich dem Trost geben soll ... Ich bin irgendwie nicht in der Lage, die zwei Personen - die Erwachsene und das Mädchen - auseinanderzuhalten, sodass die interagieren könnten. Meine Güte, ich wünschte, es wäre schon soweit mit der Therapie ... In zwei Monaten kann ich vermutlich anfangen, mich darum zu kümmern. Bis dahin muss ich aushalten.
 

Wesen4891

Mitglied
Dumm, so dumm ... Jetzt habe ich mich gekümmert, war in der psychiatrischen Ambulanz und habe nach drei Gesprächen eine Diagnose bekommen und die Empfehlung für eine tiefenpsychologische Therapie bei einem Therapeuten, der sich auch mit Traumatherapie auskennt. Und nun komme ich wieder nicht weiter - ich habe die Nummer von der kassenärztlichen Vereinigung, aber ich sitze vor dem Telefon wie das Kaninchen vor der Schlange und traue mich nicht, dort anzurufen. Und die Vorstellung, hinterher eine Liste zu haben, die ich auch noch abtelefonieren soll, macht mich völlig fertig.

Außerdem steht demnächst vielleicht ein Umzug an, wenn ich bald hoffentlich Arbeit bekomme. Aber wohin und wann, das weiß ich nicht. Ich würde aber gern bald weitermachen, mich um mich kümmern, denn ich halte es einfach nicht mehr aus. Irgendwie fühle ich mich gerade so hilflos, weiß einfach nicht weiter ...
 
G

Gast

Gast
Was da wirklich war,, und was Phantasie, ist nicht immer leicht zu differenzieren.
Das Gehirn baut ständig Erinnerungen um, verknüpft altes mit neuerem, selbst was unreal ist, wird da oft mit eingebaut.
Was fürchtest du zu erfahren, das es jetzt nicht weitergeht?
Das alles noch viel Schlimmer war wie deine Erinnerung ?
Das es ganz anders war, wie du glaubst ?
Dein Bruder erinnerst sich nicht an deine Version!
Das Gedächtnis selektiert und verzerrt wichtige Ereignisse.
Forscher können gar falsche Erinnerungen erzeugen - etwa an Ballonfahrten, die nie stattgefunden haben.
Falsche Erinnerungen: Das Leben - eine einzige Erfindung - SPIEGEL ONLINE
 

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