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Ausbeutung oder normal?

Shalira

Neues Mitglied
Hallöchen!

Mir krampft sich schon seit längerem regelmäßig der Magen zusammen wenn ich daran denke bestimmte Tätigkeiten auf Arbeit machen zu müssen, weshalb ich mich an euch wende.
Ich bin studierte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin und arbeite in der Betreuung in einer Einrichtung für geistig beeinträchtigte Menschen. Dabei bin ich in einer Wohngruppe eingesetzt, die tatsächlich Unterstützung benötigen. In Form von Erinnerungen, Kontrollen, Organisationsarbeit, Begleitung - alles was zur Förderung und zur Ermöglichung eines, soweit wie möglich, selbstbestimmten Lebens eben dazugehört. Das ist ein unglaublich herausfordernder aber auch schöner Job.

Im Monat muss ich 1-2 Nachtbereitschaften im angrenzenden Wohnheim leisten. Die Klienten dort sind mittlerweile älter/alt und die Tätigkeiten sind vorwiegend pflegerischer Art bis hin zur Komplettübernahme von Tätigkeiten. (Grundpflege, Behandlungspflege). Dagegen streube ich mich schon sehr, weil ich mich nunmal als pädagogische Fachkraft und nicht als Pflegefach-, oder -hilfskraft sehe. Zumal ich meine Pflegeausbildung vor über 10 Jahren aufgrund von Rückenproblemen auf ärztlichen Rat hin abbrechen musste - ich war damals 20 Jahre. Nun gut, bislang ging das noch gut, weil die Kollegen, welche die Bewohner auch kennen, primär solche Tätigkeiten in die Hand genommen haben und ich assistierte. Ansonsten mache ich da nichts weiter, als Insulin spritzen. Dafür erhielt ich übrigens lediglich eine 2-stündige Anleitung durch eine Ärztin. Ich habe keinen Nachweis darüber erhalten. In einer Fortbildung fragte man mich ganz verwundert, ob ich denn einen Spritzenschein hätte. Ähm nein. Ist der dafür Notwendig? Ich stelle seit bereits einem Jahr die Medikamente der Bewohner im "vieraugen-Prinzip". Mein Arbeitgeber sagte zu mir, dass ich als angestellte Fachkraft berechtigt sei diese Aufgabe zu übernehmen und diese Tätigkeit wohl einfach dazu gehöre. Als ich ziemlich am Anfang meiner Tätigkeit gefragt habe, ob ich das tatsächlich DARF ohne entsprechende Schulung, wurde mir ein mehrseitiges Schriftstück über den Umgang mit Medikamenten ausgehändigt und mir wurde gesagt, wenn ich das lese, dann kann ich das machen. Die eigentliche Schulung findet erst nächsten Monat statt.

Wenn Kollegen im Wohnheim krank werden, kommt es schnell zum ohnehin vorhandenen Personalengpass (Arbeitgeber verneint Personalmangel, obwohl laufend Stellen ausgeschrieben werden). Dann werden wir in der Außenwohngruppe regelmäßig zum Aushelfen gerufen. Da wird auch nicht darauf geachtet, ob jemand Rücken, Herz oder sonstige Beschwerden hat, die bereits bekannt sind. Mich hat es bislang einmal getroffen. Ich war dann in der Wohngruppe alleine, ich kenne die Bewohner vorwiegend nur schlafend und auch die Abläufe der Dienste sind mir fremd. Begleitung zu Arztterminen mit Bewohnern zu denen ich nichts sagen kann, der abendliche "Pflegerundumschlag", der fix gehen musste. Nach 6 Stunden Dienst war ich einfach nur noch ein Wrack. Direkt im Anschluss folgte dann die Nachtbereitschaft. 10 Stunden, von denen ich lediglich 2,5 Stunden angerechnet bekomme. Auch das empfinde ich als Arbeiten für Nichts. Die Möglichkeit zum Schlafen besteht, aber meine Ohren sind natürlich wachsam wenn Nachts im Flur die Türen knallen und ich vorsichtshalber nachsehe, ob sich ein Bewohner in die Hose gemacht hat und Hilfe benötigt - es gibt schließlich keinen richtigen Nachtdienst - nur Bereitschaft vor Ort.

Es wurde eine mehrstündige Pflegeschulung zum rückenschonenden Arbeiten angeboten, bei der die Teilnahme freiwillig war. Ich hatte diese Einladung weder angenommen noch abgelehnt. An dem Tag saß ich vor Berichtskram, der ziemlich schnell fertiggestellt werden musste. Ich wurde dort wohl vermisst hieß es. Ich ließ meinen Chef sehr deutlich wissen, was ich davon halte und dass ich Pflege nicht leisten kann. Hätte ich die Schulung gemacht und hätte danach die Pflegetätigkeit abgelehnt, da bin ich mir zu 100% sicher, hätte man mir vorgeworfen, ich sei doch geschult worden.

Ich fühle mich regelrecht in eine Ecke gedrängt und gebe nach Außen eine eindeutige Stellungnahme dazu ab, um dem zu widerstehen. Innerlich bin ich gerade ganz klein und sehr (selbst)unsicher. Habe ich mit meiner Ansicht Recht? Gefährde ich mit meiner überaus trotzigen Art gerade meinen Arbeitsplatz? Will ich das alles einfach ZU genau nehmen?
Ich kenne andere Einrichtungen nicht, weiß nicht was "normal" ist. Mein Gefühl sagt mir eigentlich nichts Gutes. Aber kann ich darauf vertrauen? Bin ich doch gerade zu überemotional? An wen kann ich mich wenden? Die Mitarbeitervertretung? Nein...die möchte mehr dem Arbeitgeber gefallen, um den Kündigungsschutz zu behalten. Wer noch?

Ich bin befristet eingesetzt und möchte demnächst das Gespräch für eine Entfristung ersuchen. Aber zu der Bedingung, dass ich pädagogisch und nicht pflegerisch tätig bin. Kann ich das so bringen?

Ich leide an einer wiederkehrenden Depression, manchmal komme ich nach Hause und fange einfach an zu weinen, meine Muskeln verkrampfen sich, meine Haut brennt bis zur Bewegungslosigkeit. Nach Covid-19 bin ich ständig müde und unkonzentriert. Ich versuche meine Arbeitsfähigkeit momentan mit Rehasport zu erhalten. Ich bin im ständigen Wechsel zwischen "hier bleibe ich" und "jetzt gehe ich".... zwischen "ich bin genug" und "ich bin nicht genug".

Vielen lieben Dank an Alle, die bis hier hin gelesen haben.
Ich freue mich über jegliche Tips und Weiterleitungen oder eigene Erfahrungen.

Liebe Grüße
 
Mein Eindruck: Ausbeutung und übervorteilen.
Informier dich dringend zu der Nachtbereitschaft. Das EUArbR hat sehr klare Urteile zu "Bereitschaftsdiensten" gefällt. Diese "Nachtbereitschaft" ist scheinbar 100% Arbeitszeit und entsprechend voll zu entlohnen.
Ohne Zertifikat / Schulung von externen Trägern (Arzt / med. Einrichtung) würde ich jegliche medizinische Aufgabe verweigern. Passiert dir ein Fehler bist du juristisch haftbar und deine Personalführung windet sich aus der Verantwortung - ohne Zeugen und ohne schriftliche Anweisungen hast du dann eigenmächtig gehandelt.
 

Yvonne777

Neues Mitglied
Hallo Shalira,
ich war auch oft als Sozialarbeiterin tätig, habe das auch studiert (Pädagogik) und habe z.B. in Aufnahmelager gearbeitet. Uns war es streng verboten Medikamente zu geben, da wären wir für die Folgen verantwortlich gewesen. Mir sieht das sehr stark nach Ausbeutung aus. Ich bezweifle, dass das rechtens ist. 10 Stunden Bereitschaft und 2,5 bezahlt? Gehts noch? Das ist Arbeitszeit. Weiterhin geht es nicht, dass du Pflegeaufgaben übernimmst. Dafür bist du weder angestellt noch ausgebildet. Was ist wenn was passiert? Dann bist du am Ende noch schuld, quasi zum Dank. Mir scheint das so als wäre das Dummfang. Da werden MA als Sozialpädagogen eingestellt und klammheimlich werden dann Pflegeaufgaben aufs Auge gedrückt, wegen Fachkräftemangel. Und das Ganze noch befristet. Nicht umsonst suchen sie ständig nach MA.
 
V

von: Bodenschatz

Gast
Hallo Shalira,
ich fürchte, dass bei Dir zwischen "Bereitschaftsdienst" und "Bereitschaftszeit" unterschieden werden könnte.
Der Bereitschaftsdienst umfasst in diesem Fall Schlafen, bei dem man (auch) aufwachen kann; Bereitschaftszeit jedoch umfasst eine wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung. Dann steigt die Vergütung von 25% auf 50%.
Quelle:
 
G

Gelöscht 122424

Gast
Hallo Shalira, bitte unbedingt bei einem Arbeitsrechtler erkundigen, denn obwohl ich keine Ahnung habe, erscheint es mir so, als würdest du hier wirklich Sachen machen, die du nicht machen darfst! Nicht Mal Pflegehelfer dürfen Medikamente spritzen! Man braucht dafür eine Zusatzausbildung.
Steht Nachtdienst drin in deinem Arbeitsvertrag? Nachtdienst ohne Zuschläge habe ich noch nie gehört....
Warum willst du da unbedingt bleiben?
Du kannst doch mit deinem Rücken gar nicht Pflege machen. Warum machst du es dann? Leg ein ärztliches Attest vor. Bewirb dich woanders. Es sieht nicht so aus für mich, dass sie nach einem Gespräch dich aus der Pflege raus nehmen werden.
Wenn du Long COVID hast, darfst du dann überhaupt noch in einem so anstrengenden sozialen Beruf arbeiten?!
Sozialpädagoginnen können auch in der Verwaltung/ Büro arbeiten bei sozialen Einrichtungen. Ist vielleicht nicht so spannend, aber du musst ja auch an deine Gesundheit denken......
 
K

Kaahl

Gast
Ja, theoretisch hast du Recht. In der Realität sieht es anders aus. Ist leider so üblich. Und wenn du tatsächlich nur pädagogische Arbeit machen willst. Musst du ältere und eingeschränkte Menschen meiden. Da du immer da reinrutschst.
 

Shalira

Neues Mitglied
Hallo und dankeschön für Eure Antworten! :)

Bei den geleisteten Nächten handelt es sich laut Tarifvertrag um Bereitschaftsdienst, den mein Arbeitgeber außerhalb meiner Soll-Arbeitszeit anordnen kann. Im Tarifvertrag steht auch, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes (zusätzlich) zu 25% als Arbeitszeit gewertet wird. In meinem Fall werden mir also nur 2,5 Stunden zugestanden, obwohl ich mich 10 Stunden vor Ort befinde, auf dem Wohnbereich. Die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt zwar (ab wann beginnt diese? Beim Aufmerksam werden und aktiv horchen? Wenn ich aufstehe und nachsehe? Wenn ich mit einem Bewohner in eine Handlung komme?) Es gibt häufiger Nächte vom Freitag auf Samstag. Das Wochenende ist dann frei, aber der Samstag ist oft einfach nur ein Schlaftag. Also Privatleben hat sich dann dadurch gegessen. Nachtzuschlag und Zeitzuschlag ist vorhanden.
Wenn ich die Monatsstunden im Dienstplan selbst zusammenrechne, fehlen mir auch tatsächlich genau 10 Stunden. Meine anderen Kollegen nehmen das halt auch so als gegeben hin - es gab da wohl schon viele Diskussionen. Auch weil viele Kollegen sehr oft diese 16-Stunden-Dienste haben mit wenig Freizeitausgleich.
Ich habe schon ewig gegoogelt und war dann am Ende noch verwirrter. Auf der einen Seite ist ein TV doch ein sehr sicheres Ding und auf der Anderen Seite beschleicht mich das Gefühl, der TV wird von meinem Arbeitgeber anders ausgelegt.

Faktisch bin ich bei meinem Arbeitgeber als "Betreuung im Wohnen" angestellt. Viele Kollegen - gelernte Erzieher- sind dort schon seit Jahrzehnten und führen Pflegetätigkeiten aus. Das ist so Gang und Gäbe.

Ich hatte gestern ein Mitarbeitergespräch und wurde dort direkt gefragt, ob ich bereit wäre für z.b. einen Monat da in dem Wohnheim auszuhelfen. Ich hab das direkt verneint, weil ich weiß, dass ich da Pflegetätigkeiten nachgehen müsste - außerdem ist das Gebäude ne richtige Bruchbude. Mein Vertrag sieht aber vor, dass mein AG mich an alle Standorte schicken kann. Kann das als Arbeitsverweigerung gewertet werden?


Glaubt mir, ich habe schon sehr oft überlegt aus dem sozialen Bereich wieder auszusteigen. Aber jetzt hab ich 10.000€ Bafög zurückzuzahlen. Etwas Neues anzufangen würde wieder finanzielle Einbußen bedeuten. Meine Fähigkeiten liegen zwar auf dem Kreativen und Sozialen, allerdings macht es mich richtig fertig, dass ich für die Klienten/Bewohner nicht die Zeit aufbringen kann, die sie tatsächlich benötigen. Theorie und Praxis liegen leider sehr weit auseinander.
 

Knirsch

Sehr aktives Mitglied
Vor allem das mit dem Insulinspritzen würde mir große Sorgen bereiten. Sowas darf man nicht mit deiner Aubildung. Sollte je etwas passieren (und das muss nichts mit dir zu tun haben, es kann auch jemand in zeitlicher Nähe einfach zusammenklappen), dann bist du dran.
 

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