Hallo Coca_cola!
"Anmachsprüche" sind in jeder Situation gegenüber jedem Individuum, sei es Mann, oder Frau, verletzend und herabwürdigend, wenn dieses Individuum kein Mensch ist, der gerne Aufmerksamkeit erhält.
Ich selber bin so ein Mensch, kann aber meine Erlebnisse solcher Belästigung an einer Hand abzählen, weil ich nunmal ein Mann bin und diese plumpe Anmache so wesentlich seltener ertragen muss. Nichtsdestoweniger sind solche Erlebnisse sehr unangenehm.
"Anmachsprüche" sind imho deshalb so verletzend, weil sie uns auf unsere Sexualität reduzieren und uns objektifizieren. Dabei muss man allerdings verstehen, dass das erste, was ein Mensch von dir sieht, nicht etwa deine guten Manieren sind, sondern dein sicherlich ansprechendes Äußeres und zugleich deine vermutlich eher unsichere Ausstrahlung.
Zu deinem Äußeren hast du ja schon geschrieben, dass du nichts besonders auffälliges trägst und dir nicht speziell Mühe gibst, sexuell attraktiv zu erscheinen. Vielleicht gibt es an dir (was ich ohne Bild nur vermuten kann) aber Attribute, die dich sehr attraktiv machen. Das können große Brüste ebenso sein, wie eine schlanke, sportliche Statur, oder einfach gute Proportionen.
Das alles ist aber völlig irrelevant, denn dein Äußeres kannst du nur bedingt verändern. Und wenn du nicht gerade negative Aufmerksamkeit mit dem Überstreifen einer Kittelschürze erregen, sondern dich lieber weiter normal kleiden willst, kann ich dich in dieser Entscheidung nur bestärken.
Denn was dich eigentlich gegen solche Angriffe wappnen kann, ist lediglich deine Ausstrahlung und dein eigenes Gefühl der Sicherheit.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass du in dieser Hinsicht große Hemmungen hast. Du klingst wie jemand, der andere Menschen ungerne beleidigt oder verletzt. Das macht dich im Umgang mit einem Großteil der Menschheit zu einem sehr verträglichen Menschen und ist eine Eigenschaft, die du auf keinen Fall verlieren solltest.
Nichtsdestweniger benachteiligt dich das im Umgang mit Aggressionen. Ich vermute, dass du ein Mensch bist, der Konflikten eher aus dem Weg geht, oder sie zumindest nur ungerne bestreitet.
Aber genau darum handelt es sich bei einer Belästigung, wie dieser: um einen Akt der Aggression, einen Angriff, auf den eine Konfrontation folgen könnte.
Bei dieser anstehenden Konfrontation wird gerne zur maßlosen Aggression geraten:
"Verpiss dich, du Wich*er!"
Oder zur entsprechenden Herabwürdigung des Gegenübers:
"Alter, echt jetz? Wachs erstmal noch n Stück und zieh bei Mutti aus, du pornosüchtiger Perverser!"
Beides ist einerseits völlig deplatziert und eskaliert den Konflikt eventuell auf eine Weise, die etwas noch viel schlimmeres nach sich zieht, als nur eine blöde Anmache. Außerdem machst du dich dabei genauso schuldig, wie dein Gegenüber, indem du ihm gleichsam sein Recht auf Respekt absprichst. Ein solches respektloses Zwiegespräch kann zu keiner vernünftigen Lösung führen und wird immer jemanden zurücklassen, der sich beleidigt und verletzt fühlt.
Vernunft ist aber das einzige, dass uns ein friedliches Miteinander garantiert und ist deswegen unser höchstes Gut, auch in einer so aufgeheizten Stimmung.
Zumal ich nicht glaube, dass dich die pure Aggression gegen deinen Angreifer wirklich zufrieden stimmen würde.
Stattdessen bedarf es einer vernünfitgen Alternative, mit der du gut leben kannst. Es bedarf einer Strategie, mit welcher du weiteren Aggressionen begegnen kannst.
Ich kann dir hierbei folgendes vorschlagen:
Schritt 1: Konsolidierung
Vergiss sämtliche Gedanken über die eventuellen Gründe dieser Aggressionen. Die Hintergründe dieser Belästigung (und die der belästigenden Person im Allgemeinen) wirst du nicht erfahren, es sei denn, du konfrontierst die Angreifer direkt.
Werde dir bewusst, was dich eigentlich genau daran stört, auf diese Art und Weise angesprochen zu werden. Fühlst du dich dabei macht- und hilflos? Hast du vielleicht negative Erfahrungen im Bezug auf deine Sexualität gemacht? Oder bist du im Allgemeinen einfach ein Mensch, dem solche Aufmerksamkeit schlicht unangenehm ist?
Auf Basis deiner Überlegungen kannst du dann eine Art "Schlachtplan" erstellen, indem du deine groben Ziele definierst, von denen zentralste sein sollte, dass du einerseits deine eigene Hemmschwelle gegenüber Konfrontationen im Allgemeinen reduzierst und andererseits lernst, Verletzungen besser zu verarbeiten.
Du solltest eventuell eine Fachkraft konsultieren (Psychologe, oder auch ein Coach, falls dir das angenehmer ist) und mit ihr noch einmal darüber sprechen. Für sexuelle Belästigung gibt es einige Anlaufstellen, um dir Hilfe zu suchen. Das hier habe ich zum Beispiel nach kurzer Recherche gefunden:
Frauen: thamar
Sie dir darüber im Klaren, dass die Angriffe auf dich keineswegs Einzelfälle sind und überdies auch strafrechtlich relevant. Sexuelle Belästigung an sich gibt es als Tatbestand nicht, jedoch fallen die meisten dieser Fälle in den Bereich der Beleidigung.
Dieser Tatbestand wird von vielen Leuten nicht ernst genommen, weil er weit häufiger vorkommt, als er zur Anzeige kommt, was aber auch daran liegt, dass die Hemmschwelle, eine Beleidigung zur Anzeige zu bringen, sehr hoch ist.
Außerdem trauen sich anscheinend die wenigsten, bei einer Beleidiung die Polizei zu rufen und den Tatverdächtigen derweilen festzuhalten.
Dennoch kommt es immer wieder zu Verurteilungen, wenn der beleidigende Angriff verfolgt wird:
http://www.kostenlose-urteile.de/OL...tellt-strafbare-Beleidigung-dar.news15244.htm
Urteil > 1 Ss 204/10 | OLG Oldenburg - OLG Oldenburg: Angebot "Geld für Sex" erfüllt den Straftatbestand der Beleidigung < kostenlose-urteile.de
Dies solltest du dir bewusst machen. Die Angriffe gegen dich sind Strataten und als solche solltest du sie auch sehen. Lass dich auf keinen Fall davon überzeugen, dass sowas ja "gar nicht so schlimm ist", oder du dich "nicht so haben solltest". Der Deutsche Rechtsstaat ist hier auf deiner Seite. Ein Rechtsstaat, dem Jahrhunderte der Rechtsgeschichte, -erfahrung und -verständnis zugrunde liegen, die sich nicht durch hastig gepolterte Stammtischweisheiten aufwiegen lassen.
Schritt 2: Übung
Wenn du ein klares Ziel vor Augen hast, wie du dem ganzen entgegen treten willst, musst du deine Handlugen einüben.
Sei dir bewusst, dass der richtige Umgang mit Menschen, deren Naturell dem deinem sehr unähnlich ist, sich wie ein Handwerk erlernen lässt und auch wie eines erlernt werden muss.
Du wirst niemals über Nacht "einfach so" mit diesen Angriffen fertig werden. So funktioniert das einfach nicht.
Suche dir eine (am besten männliche) Vertrauensperson, die möglichst noch über eine gewisse Schlagfertigkeit verfügt, die dir vielleicht fehlt und versuche, mit einigen Rollenspielen/Übungen deine fehlende Schlagfertigkeit mit Erfahrung auszugleichen.
Eine typische Übung könnte zum Beispiel so aussehen:
Dein Partner kommt ins Zimmer, in welchem du allein bist. Er stellt sich einen Timer von vielleicht 10 - 15 Sekunden, den er startet, bevor er ins Zimmer kommt.
Sobald er das Zimmer betritt, spricht er einen typischen Anmachspruch (den er sich vorher überlegen kann) aus:
"Hey Süße, toller Vorbau!" o.ä.
Du hast nur so lange Zeit, auf diese Provokation zu reagieren, bis der Timer abgelaufen ist.
Die Art und Weise deiner Reaktion kann dabei alles mögliche sein. Am ehesten würde ich dir dazu raten, direkt auf deinen Partner zuzugehen und ihn auf seinen Spruch anzusprechen:
"Was sollte das denn?" o.ä.
Ziel der Übung ist es, dir die Scham und die Hemmung zu nehmen und eine standardisierte Herangehendweise zu trainieren, mit der du dich am wohlsten fühlst.
Übungen wie diese kann man tausendfach variieren (dein Partner könnte zum Beispiel versuchen, sich etwas aggressiver zu benehmen, um dich etwas mehr aus deiner comfort zone zu locken).
Wichtig ist dabei, Situationen nicht ständig zu verändern, sondern einzelne Szenarien vielfach durchzuspielen, bis sich eine gewisse Selbstverständlichkeit und Routine einstellt. Danach kann die Übung verändert werden.
Zudem solltest du in jedem Fall versuchen, Ruhe zu bewahren und vernünftig zu argumentieren. Das vermindert Aggressionen im Gespräch und verhindert weitere Eskalationen. Trotzdem solltest du deine Meinung und deine weiteren Schritte klar darlegen:
"Ich werde jetzt die Polizei rufen."
"Bleiben Sie bitte hier!" (nach §127 StPO ist es jedermann erlaubt, einen Tatverdächtigen festzunehmen, siehe dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Festnahme#Jedermann-Festnahme
StPO - Einzelnorm)
Diese Übungen mögen auf den ersten Blick etwas lächerlich erscheinen, aber bedenke folgendes:
Ein Boxer, der am ersten Tag seinen ersten Kampf ausfechtet, wird vielleicht einige Glückstreffer landen, ist aber einem trainierten und erfahrenen Kämpfer immer unterlegen und wird in 99% aller Fälle verlieren. Dabei muss nicht die Veranlagug die beiden Kontrahenten unterscheiden, sondern schlicht die eingeübten Bewegungsmuster und die Erfahrung aus dem Sparring (Übungskampf).
Versuche, dir einen verlässlichen Sparringspartner zu suchen.
Schritt 3: Sich bewaffnen
Wie schon erwähnt, ist sexuelle Belästigung im Sinne der Beleidigung ein Strafbestand, den man verfolgen sollte. Juristische Verfahren können sehr teuer sein, weswegen eine Rechtsschutzversicherung sich eventuell für dich lohnt (zumal der Verlierer des Verfahrens oft die Verfahrenskosten stellen muss und dadurch für dich keine weiteren Kosten entstehen).
Hier kannst du dich dazu grundlegend informieren:
Rechtsschutzversicherung - Ratgeber und Vergleich der Anbieter - Finanztip
Es gibt außerdem mehrere Stellen, die dich in den verschiedenen Rechtslagen professionell beraten können.
Hier ein Beispiel für deinen konkreten Fall:
sexuelle Belästigung - Infos und Rechtsberatung
Wenn man die Kosten eines Verfahrens nicht mehr fürchten muss und über seine Situation gut Bescheid weiß, gehen die Handlungen, die man in Schritt 2 geübt hat (und weiter übt!
) eventuell viel leichter von der Hand.
Auch eine Durchwahl von guten Freunden auf die Schnellwahl zu legen (wenn du Hilfe brauchst und der entsprechende Freund gut erreichbar ist) kann imho in Einzelfällen sinnvoll sein.
Auf jeden Fall solltest du schnell die Polizei rufen können.
Meine Vorschläge sind kein Patentrezept und ich bin mir sicher, dass eine entsprechend ausgebildete Fachkraft (s. Links) dir mit seiner Erfahrung noch besser behilflich sein kann. Aber was ich mit meinen Ratschlägen vermitteln wollte, war vor allem eines:
Man kann den Umgang mit solchen Angriffen durch andere Personen erlernen, was aber langwierig und schwer durchzuhalten ist. Beißt man sich aber durch und gibt nicht einfach auf "weil es halt so ist und sich nie ändern wird" (was immer Quatsch ist), dann kann man sich besser fühlen und seinen Lebensweg weitergehen und solche Erlebnisse wesentlich besser verkraften.
Denn so ist es eben im Leben: Hindernisse gibt es immer, aber manch einer kommt eben so drüber, andere brauchen Übung, manche versuchen drumherum zu kommen und manche lassen sich entmutigen und bleiben einfach zurück, fühlen sich einsam und verlassen.
Dabei vergessen sie ganz, dass auch andere es geschafft haben und den Sprung eben nicht jeder aufs erste Mal packt.
Mit einem klaren Ziel und entsprechender Übung bin ich mir sicher, dass du das schaffst.
Viel Erfolg!