Ja, Lena wird sich damit abfinden müssen, das auch Ihr Ur-ur-ur-ur Opa ein Affe war.
Zitat:
Darwins Evolutionslehre hat diese Tests seit der Veröffentlichung von "Origin of Species" 1859 in Tausenden Experimenten mit Bravour bestanden. Von allen biologischen Teildisziplinen hat die Evolutionsbiologie das umfangreichste mathematische Modellsystem erarbeitet, beispielsweise in der Phylogenetik, Populationsgenetik und der Spieltheorie. Dagegen sind etwa Molekularbiologie oder Genomik vergleichsweise theoriefrei und beschreibend. Natürlich sind längst nicht alle Details der evolutionären wie auch molekularbiologischen oder physiologischen Mechanismen verstanden, und täglich wird in den Laboratorien der Welt noch Neues gelernt, so auch in der Evolution.
Kirche brauchte Jahrhunderte für die Akzeptanz physikalischer Grundlagen
Aber Evolution ist in der Biologie ebenso selbstverständlich anerkannt, wie die Gravitation unter Physikern, ohne dass sie bis dato ins letzte Detail verstanden ist. Interessanterweise werden physikalische Gesetzmäßigkeiten, im Gegensatz zu biologischen, von der modernen Kirche nicht in Frage gestellt. Wenn ich Rechtgläubige richtig verstehe, hat Gott wohl ganz früh nach dem Urknall entschieden, dass es Konstanten im Universum gibt, wie die Geschwindigkeit des Lichts, woraus dann folgt, dass E = mc2. Aber auch für die Akzeptanz von physikalischen Grundgesetzen, die der Bewegung von Himmelskörpern zugrunde liegen, brauchte die Kirche Jahrhunderte trotz überwältigender Evidenz. Es dauerte 500 Jahre, bis sie anerkannte, dass die Erde um die Sonne kreist, und Galilei somit recht hatte.
Vergleichsweise kurz war dagegen der Zeitraum, bis die päpstliche Akademie 1996 die von Charles Darwin im Jahr 1859 veröffentlichten Theorien zur Evolution akzeptierte. So schrieb Papst Johannes Paul II. 1997 im "Quarterly Review of Biology" über die Ergebnisse der Beratungen seiner von ihm beauftragten Wissenschaftler, dass allein die Erschaffung der menschlichen Seele für Gott beansprucht wird, aber die Entstehung der Arten, einschließlich des Homo sapiens, durch darwinistische Mechanismen der Mutation und Selektion erklärlich ist.
Kein Wissenschaftler hat je ernsthaft versucht, den experimentellen Beleg über den Ursprung der Seele zu erbringen. Nach Papst Johannes Paul II. sind katholische Doktrin und Evolutionslehre somit kompatibel.
Die Kirche ist sich uneinig über die Evolution
Aber innerhalb der katholischen Kirche besteht Uneinigkeit über die Evolution. Im Juli 2005 veröffentlichte der Wiener Kardinal Schönborn in der "New York Times" einen Pro-ID-Kommentar zu "Finding design in nature" und tat die Gedanken von Johannes Paul II. als "vage und unwichtig" ab. Worauf der Chefastronom des Vatikans, der Jesuitenpriester George Coyne, im "The Tablet" antwortete und darauf hinwies, dass 2004 eine internationale theologische Kommission unter der Leitung des Kardinals Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., befand, dass kein Konflikt zwischen darwinistischen Erkenntnissen und den Lehren der Kirche bestünde.
Unter Wissenschaftlern findet jedoch ein anderer Diskurs statt. Es wird kein Gedanke daran verschwendet, ob an der ID-Idee etwas wissenschaftlich Wertvolles sein könnte. Diskutiert wird vielmehr darüber, welchen Einfluss die christlichen Fundamentalisten auf die öffentliche Meinung und somit auf die Politik haben könnten.
Bislang scheint es leider nicht zur Allgemeinbildung zu gehören, dass in der modernen Physik das deterministische, Newtonsche Weltbild von dem der Quantenphysik überholt ist, wo Zufall und statistische Wahrscheinlichkeiten eine überragende Rolle spielen. Der Zufall bestimmt zu einem gewissen Teil auch in der Evolution, welche Nachkommen überleben. Die Welt und ihre Organismen sind weder perfekt noch optimal, denn das Zusammenspiel von Selektion, aber eben auch von Zufällen der Milliarden Jahre währenden evolutionären Vergangenheit prägte das Leben von Anfang an.
Für IDler sind dies vielleicht beunruhigende Einsichten, aber zumindest für Biologen ist klar, dass Zufall nicht nur etwas Negatives, weil Unbestimmtes und damit Bedrohliches bedeutet, sondern auch etwas Kreatives und Positives. So wie sich die Welt durch Newton erklärt, und das Spaceshuttle auch allein mit Newtonschen Berechnungen fliegt, so scheint auch eine statistisch unveränderliche prädarwinistische Weltsicht auszureichen, um durchs tägliche Leben zu kommen. Aber erst die Quantenwelt seit Planck, Bohr und Pauli erklärt umfassender, wie ein Computer im Innersten funktioniert, so wie die Evolutionslehre von Darwin besser erklärt, wie Adaptationen und neue Arten entstehen, als die statische Sicht von Prädarwinisten wie Aristoteles oder Cuvier.
Es ist hochmütig, den Menschen als Krönung der Schöpfung zu sehen
Die Evolution auch unserer Spezies - es tut mir leid, sollte ich damit Gefühle verletzen - wurde in der Vergangenheit vom Zufall beeinflusst. Auch Homo sapiens ist nicht ex nihilo erstanden. Daher erscheint es mir hochmütig, den Menschen als Krönung der Schöpfung zu sehen. Schon vor etwa 360 Millionen Jahren im Devon, als unsere Fischvorfahren das Land besiedelten, setzte sich wohl eher zufällig die Linie durch, die fünf Finger hatte, obwohl im gleichen Zeitraum auch Fische existierten, die acht oder sogar noch mehr "Finger" besaßen. Da alle Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere von denselben frühen Fischsiedlern abstammen, haben alle diese Tiere fünf Finger.
Manchmal, wie bei Pferden, wird die Anzahl der Finger wieder reduziert - es läuft sich schneller und mit weniger Reibungsverlust auf einem Finger in der offenen Steppe als auf fünf Fingern im morastigen Wald, den ihre Pferdevorfahren bewohnten. Auch wenn schwimmende Olympioniken oder Konzertpianisten mit mehr Fingern "perfekter" sein könnten; der Zufall bestimmte fünf Finger und ist seit dem Devon in allen Landwirbeltieren im entwicklungsbiologischen Programm auf diese Maximalzahl festgelegt.
Unser Körper ist von sinnlosen Zeichen gezeichnet
Auch der Rest unseres Körpers ist gezeichnet von sinnlosen Zeichen der Geschichte, wie es der Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould einmal nannte. Unser Blinddarm ist ein unnötiges und funktionsloses Überbleibsel, der als größere Darmtasche in anderen Primaten einmal dazu diente schwer verdauliche Pflanzenbestandteile zu fermentieren. Er ist ein gefährliches Rudiment unsere Vorgeschichte und sicherlich kein intelligentes Designprodukt, denn wie viele Menschen starben schon an einer Blinddarmentzündung?
Der menschliche Fötus ist im Alter von fünf bis acht Monaten mit Lanugo, einer dünnen Schicht Haare, bedeckt, die beim Homo sapiens, im Gegensatz zum Beispiel von Schimpansen und Gorillas, wieder vor der Geburt verloren geht. Ein adaptiver Grund für ein wärmendes Fell wird sich bei angenehmen 37 Grad Celsius im Mutterleib nur schwer finden, aber die Erklärung aus der gemeinsamen Evolutionsgeschichte mit behaarten Primaten ist offensichtlich.
Und die Evolution bastelt - Kompromisse eingehend - mit dem schon vorhandenen Material, um sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen. Wir Zweibeiner sind von unserer vierbeinigen Primatenvergangenheit der letzten Millionen Jahre in vielerlei Hinsicht vorbestimmt. Unser Körpergewicht wird durch die Wirbelsäule besser von Gliedmaßen an Schulter- und Beckengürtel getragen als nur mittels Becken. Jeder, und nicht wenige schlagen sich mit Rückenleiden herum, wird bestätigen können, dass die Umgestaltung zum Aufrechtgeher nicht ohne Kompromisse und Imperfektionen zu bewerkstelligen war.
Das Bastlertum - und eben nicht Ingenieurwesen - der Evolution zeigt sich auch in unserem Erbgut, in dem sich zu einem nicht unerheblichen Teil Gene befinden, die schon in Bakterien vorhanden sind. Im menschlichen Genom finden sich auch die fast gleichen Netzwerke von Genen, die ein Facettenauge der Fliege bauen, nur bei uns starten sie die Entwicklung des Kameraauges. Im Experiment konnte so die Erbinformation vom Anfang der genetischen Kommandokette aus einer Maus auch bei Fliegen die Augenentwicklung starten. Diese funktionelle Äquivalenz von solchen homologen Fliegen- und Mäusegenen zeigt, wie konservativ die Evolution ist: Es wird eher mit dem vorhandenen genetischen und entwicklungsbiologischen Werkzeugkasten gebastelt, aus dem neue Formen entstehen, als völlig neue Gene entstehen zu lassen. Der französische Nobelpreisträger François Jacob nannte die Evolution deshalb einen Bastler.
Perfekte Organismen gibt es nicht
Ein kosmischer Ingenieur hätte wohl vermeintlich perfekte Organismen entworfen. Die gibt es aber nicht. Evolutionsbiologie kann problemlos erklären, warum 99,99 Prozent aller jemals bestehenden Arten wieder ausgestorben sind. Für Anhänger des ID-Gedankens ist es wohl schwieriger zu akzeptieren, dass ihr Designer nicht so perfekte Organismen entwirft und alle seine frühen Schöpfungen schon ausgestorben sind. Ein Schicksal, das übrigens allen Arten blüht. Ein Designer würde bei einem gegebenen evolutionären Problem bei jeder Generation oder jeder neuen Art von vorne anfangen. Er könnte seine Materialien und deren Form geschichtsfrei der optimalen Lösung anpassen.