Hallo,
du kannst eins machen, bitte sie, sich an eine Beratungsstelle für Frauen bzw. häusliche Gewalt zu wenden. Dort geht es nicht darum, dass sie diesen Mann möglichst sofort verlassen muss, sondern man wird mit ihr zusammen an der besten Lösung des Problems arbeiten.
Gehen ist eben nicht die einzige Möglichkeit.
Wenn sie auch das nicht will, davor Angst hat, dann kannst du Kontakt mit einer solchen Beratungsstelle aufnehmen und dir Tipps geben lassen, was in so einer Situation das Beste ist. Die Sache belastet ja nun auch dich und da ist es okay, sich Hilfe zu holen.
NACHTRAG:
auch wenn´s blöd klingt aber kann mir jemand plausibel erklären, warum sich eine Frau nicht von einem gewalttätigen Mann trennen "kann"?
Ich kapier das nicht, sorry.
Es gibt eine abhängige Form der Liebe, in der es nicht darum geht, einem Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und entsprechend zu gehen, wenn die Situation umschlägt und einer die Grenzen überschreitet. Viele Menschen verlieben sich mehr aus der tiefen Sehnsucht heraus, nicht allein sein zu wollen. Den Anderen dann aufgeben, bedeutet dann, sich seiner Angst stellen zu müssen und ein eigenverantwortliches Leben zu leben.
So eine Situation entwickelt sich auch nicht über Nacht sondern kommt schleichend. Diese Männer sind sehr charmant, liebenswert und man kann mit ihnen wunderbare Zeiten erleben. Sie umgarnen eine Frau, heben sie auf einen Sockel.
Wenn er dann zum ersten Mal ausrastet, neigt man dazu zu verzeihen. Einmal ist keinmal. Frauen sind dazu erzogen, ihre Familie zusammen zu halten, an der Beziehung zu arbeiten.
Zusätzlich untergraben solche Männer das Selbstbewusstsein der Frau. Es stimmt keinesfalls, dass solche Frauen schwach wären und das typische Opfer. Tatsächlich gibt es viele Frauen, die nicht in der Lage sind, aus einer solchen Situation rauszugehen, die irgendwann mal gesagt haben, dass sie niemals in so eine Lage kommen würden und beim ersten Schlag gehen würden. Das tun die Wenigsten.
Die Erniedrigung beginnt damit, dass der Mann zunächst völlig geknickt ist. Das wollte er ja gar nicht, das kommt nie wieder vor, er weiß auch nicht, was mit ihm los ist, das ist ihm noch nie passiert. Er beginnt damit, unterschwellig die Frau in die Verantwortung zu zwingen. Sie war es, die ihn gereizt hat. Sie hat den Fehler gemacht.
Die Frau beginnt also, an sich selbst zu arbeiten und die Verantwortung für sein Fehlverhalten zu übernehmen.
Was anfangs unterschwellig passierte, wird dann bald offen ausgesprochen. Er beschuldigt sie, sagt, er würde ja nur auf ihr Verhalten hin reagieren. Gleichzeitig fängt er an, sie zu demütigen, erniedrigt sie, indem er ihr vorhält, wie dumm sie sei und dass sie ohne ihn gar nichts wäre. Wenn man das lange genug und oft genug hört, beginnt sich das in einem zu manifestieren und man verliert jede Möglichkeit des eigenverantwortlichen Handelns.
Das ist der Punkt, an dem man im therpeutischen Gespräch ansetzt. Man erarbeitet mit der Frau, dass es sein Fehlverhalten ist und dass sie durchaus in der Lage ist, ein eigenständiges Leben zu führen. Aber das geht natürlich nicht über Nacht. Diese Gedanken haben sich ja auch nicht über Nacht entwickelt.
Weil die Frau in einer für sie hoffnungslosen Situation ist, kommt noch dazu, dass sie sein gewaltvolles Verhalten abspaltet und sozusagen die Persönlichkeit spaltet. Sie geht zu dem, was ihr der Mann antut auf Distanz. In den guten Zeiten kann sie völlig verdrängen, wie schrecklich seine Gewaltausbrüche sind.
Oft kommt auch eine starke Scham dazu. Da ist zum einen die Scham, weil die Frauen sich dafür verantwortlich fühlen, dass der Partner Gewalt ausübt. Sie denken, sie wären unfähig, eine gute Beziehung zu führen und geben sich die Schuld an den Umständen. Gerade darum halten sie so stark an der Beziehung fest. Würden sie gehen, wären sie die Schuldigen am Scheitern. So lange sie bleiben, gibt es die Möglichkeit, dass sie sich ändern und alles besser wird.
Letztendlich spielt auch die Liebe eine große Rolle. Es ist ja klar, dass ein schlagender Partner massive Probleme hat und wer würde einen Menschen, den man liebt, mit seinem Problem allein lassen? Was wäre das denn für eine Liebe? Gerade Frauen haben ein starkes Bedürfnis danach, anderen zu helfen, die Probleme haben. Somit sind die Weichen eigentlich in jeder Beziehung so gestellt, dass man leider ganz schnell in einer Abhängigkeit landet und sich nicht mehr frei dafür entscheiden kann, dass man sich besser in Sicherheit bringt. Relativ schnell kommt man an einen Punkt, an dem es einfach zu spät ist, den Partner zu verlassen. Gleichzeitig kann man aber auch nicht beim ersten Anzeichen einfach abhauen. Wer geht schon, wenn man ihm sagt, da liegt eine Borderline-Störung vor, das ist nicht therapierbar, lass den Menschen, den du innig liebst, im Stich und bring dich in Sicherheit?
Im Gegenteil, die meisten Frauen sind davon überzeugt, dass sie dem Partner helfen können und wenn es nicht klappt, kommt Scham auf, weil sie versagt haben. Das will man aber nicht zugeben, also kämpft man weiter. Auch wenn die Sache längst verloren ist.
Man darf auch nicht vergessen, dass diese Borderline-Typen in der Tat gefährlich sind. Sie haben ihre Aggression kaum im Griff. Niemand verlässt sie und wenn, dann glauben sie das Recht zu haben, diesen Menschen zu stalken, ihn zu bestrafen. Leider ist es noch immer nicht in den Köpfen vieler Polizisten angekommen, dass diese Männer wirklich gefährlich sind, sodass sie Frauen selten ernst nehmen, die um Hilfe bitten. Wenn deine Freundin sagt, es wird etwas passieren, wenn sie ihn verlässt, dann muss man das in der Tat ernst nehmen. Diese Männer verlieren jedes Maß. Auch wenn nicht jeder Fall mit einem Mord endet, das Potential dazu ist bei diesem Borderline-Typ da. Die Angst deiner Freundin ist absolut berechtigt.
Auch da muss eine Beratung ansetzen und der Frau dabei helfen, sich in Sicherheit zu bringen. Bei so einer Trennung würde ich grundsätzlich dazu raten, beim Wohnungsamt eine Auskunftssperre über die neue Adresse zu veranlassen. Glücklicherweise gibt es in diesem Fall keine Kinder, aber wenn, dann sollte man unbedingt begleitete Besuchstermine anstreben. Es ist zu hoffen, dass die Gerichte sich endlich mit diesem Borderline-Typ auseinandersetzt und sich darüber klar wird, dass diese Männer kreuzgefährlich sind und dass sie in ihrem Wahn das Leben der Frau zerstören wollen. Das dauert so lange an, bis sie ein neues Opfer gefunden haben, sprich eine neue Beziehung eingegangen sind.
Übrigens solltest du vorsichtig sein. Je mehr du dich in diese Beziehung einmischt, je mehr dich ihr Mann wahrnimmt, umso größer die Gefahr, dass sich sein blinder Hass dann auch auf dich richtet und du in die Schusslinie gerätst.
Wenn du deiner Freundin helfen willst, solltest du wie gesagt nach einer guten Beratungsstelle suchen und im Zweifelsfall selbst einmal mit den Sozialarbeiterinnen reden und dir Unterstützung in Form von Tipps holen.
Ansonsten ist es wichtig, dass du deine Freundin respektierst und ihr nicht auch noch das Gefühl gibst, sie sei nicht in der Lage, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Mach sie nicht klein. Sie ist kein hilfloses Opfer, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag. Was da mit ihr passiert, ist eine massive Gehirnwäsche. (In diesem Fall spricht man übrigens nicht vom Stockholm-Syndrom. Ich weiß gar nicht, wie man darauf kommt. Da ist die Situation eine andere.)
Deine Freundin hat ihre Gründe und auch wenn diese aus der Gewaltsituation erwachsen sind und kein "normaler" Mensch das nachvollziehen kann, in ihrem Leben machen diese Sinn. Das gilt es anzuerkennen. Man kann mit ihr darüber diskutieren und ihr helfen, eine gesündere Sicht der Dinge zu erreichen, aber man sollte ihre Entscheidungen nicht einfach übergehen und sie "zu ihrem Glück zwingen". Sie braucht keinen Arschtritt. Das ist ja auch nur wieder Gewalt. Sie braucht Unterstützung, damit sie lernt, dass sie allein ihr Leben bestimmt und dass sie nicht klein und dumm ist.
Das ist viel verlangt. Es ist schwer, einen Menschen in einer solchen Situation zu belassen und darauf zu warten, dass er endlich die richtige Entscheidung trifft und sich in Sicherheit bringt. Das weiß ich wohl.
Es gibt sehr gute Bücher, die erklären, wie Frauen in diese Situation kommen und warum sie ihre Entscheidungsfähigkeit verlieren. Diese können stark dabei helfen, dass Betroffene ihre Lage verstehen und die Kraft und den Mut finden, sich aus der Gewaltherrschaft zu lösen. Allerdings ist es natürlich immer so eine Sache. Wer einen gewalttätigen Mann Zuhause hat, kann keine Bücher mit diesem Thema herumliegen lassen und heimlich lesen ist so eine Sache.
Die Bücher von Marie-France Hirigoyen sind sehr gut.
http://www.amazon.de/Warum-tust-mir...492X/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1330844462&sr=8-3
Auch dies ist ein gutes Buch:
Wer einmal schlägt, wird's wieder tun. Gewalt und Co-Abhängigkeit in Beziehungen: Amazon.de: Sonja Szomoru: Bücher
Und dieses Buch kann ich noch empfehlen:
Du hast keine Macht über mich: Wie man sich vor häuslicher Gewalt schützen kann eBook: Katja Schneidt: Amazon.de: Kindle-Shop
Es gäbe noch viel zum Thema zu sagen, aber ich will dich auch nicht zuquasseln. Ich hoffe, dass du einen ersten Eindruck über die Situation deiner Freundin bekommen hast und sie nun besser verstehen kannst. Grundsätzlich kann man sagen, versuch erst gar nicht, das Ganze logisch zu verstehen. Ihre Gründe haben nichts mit Logik zu tun, sondern sie sind rein von Emotionen getragen. Angst spielt eine Rolle, Scham, Schuldgefühle, zerstörtes Selbstbewusstsein, Abhängigkeit. Das kann jeder Frau passieren. Ich habe schon oft gehört, dass Frauen bestürzt feststellten, dass sie früher selbst gesagt haben, man müsse beim ersten Schlag gehen und dass sie solche Frauen verachtet haben. Wenn man aber mal ganz ehrlich zu sich selbst ist, dann weiß man, dass man einen Partner nicht verlassen würde, sondern dass man genau wie alle anderen auch Entschuldigungen finden würde. Immerhin liebt man diesen Menschen und wenn dieser Mensch ein Problem hat, wenn er krank ist, dann hilft man doch und läuft nicht davon, oder?
Tuesday