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Komapatienten - schon verabschieden?

  • Starter*in Starter*in shakes
  • Datum Start Datum Start
S

shakes

Gast
Hallo. Bin schon jetzt ein paar Tage hier dabei, im Forum, und habe einen sog. "Sack voll Probleme", die ich alle nach und nach jetzt angehen muss / möchte.

Ich hab hier versucht, einen Thread zum Thema Koma zu finden, war aber nirgends das richtige dabei...darum eröffne ich hier einfach mal. Ich hab viele Fragen und würde gerne einige Erfahrungsberichte lesen usw.

Mein Vater liegt seit Juli 2003 im sogenannten Wachkoma.
Er war noch nicht alt, grade über 50, war sehr sehr sportlich, hat viel gearbeitet....eigentlich ein fitter Mensch. Hatte ab und zu ein paar Anzeichen von Burn Out gezeigt, wie wir (ich, meine Mutter und Schwester) uns nach und nach erinnern. Aber ansonsten war nix, er war gesund...

Er war Radfahren, wie so oft, mit Freunden. Er hätte sich als ältester der Gruppe auch nie die Blöße gegeben, zu schieben oder so. Aber an diesem Tag war es so, ihm wurde wohl schwindelig und er musst absteigen. Und ein Freund überredete ihn dann, ihn heim zu fahren. Dort kam zwei minuten nach ihm meine Mutter an, die sich wunderte, weil er ja sonst nie freiwillig früher vom Radfahren gekommen wäre...das war untypisch. Und als sie ihm dann ein Glas Wasser aus der Küche holte, und zurück ins Wohnzimmer kam, da lag er da....auf dem Boden. Herzstillstand...Und dann das übliche: Krankenwagen (der viel zu lange gebraucht hat), Reanimation, zwei mal...Heute sagt meine Mutter oft, sie hätte schon beim ersten mal stopp sagen sollen....Seitdem liegt mein Papa jedenfalls im Koma, zuerst eben Krankenhaus, dann Therapiezentrum in Burgau, und so, dann haben wir ihn eine Weile zu hause gepflegt, bis im Altersheim ein paar minuten von uns weg ein Zimmer frei wurde.

Das war für unsere Familie alles sehr aufwühlend und hat sehr viel kaputt gemacht. Die Tatsache, das ich eher nicht so das Papa-Kind war hilft mir jetzt schon irgendwie, meine Schwester leidet glaub ich noch mehr oder jedenfalls ganz anders als ich darunter.

Ich bin da auch gar nicht so emotional...ich kann irgendwie nicht. Das einzigste was mich fertig macht, ist, das ich das Gefühl habe, ich habe mit ihm noch eine Rechnung offen. Er hat mich nie als Erwachsene kennen gelernt, als das damals passiert ist hatte ich noch null Perspektiven, null Ahnung, was ich werden will, und so. Und in dieser Zeit, ohne ihn, da habe ich mich so sehr verändert, das hätte ich gerne gehabt, das er das sieht. Ich hätte mich gerne einmal mit ihm in Augenhöhe, wie zwei Erwachsene unterhalten.

Das konnte meine ältere Schwester schon noch tun. Die beiden hatten gerade in der letzten Zeit, bevor es passierte viel gemeinsam, zumal sie auch beide Juristen sind, und beide einfach sehr labil waren, und irgendwie Parallelen hatten, die mir fehlten.

Und ich hab da auch so gespaltene Gefühle...als Kind ist mein Papa zwar ab und zu raus, um Drachen fliegen zu lassen, oder wir sind gewandert usw, aber ich hab jetzt, in der Erinnerung immer den Eindruck, er war nur so ein Wochenend-Vater. Er kam Abends heim, hat nicht nur geschimpft, wirklich nicht, aber er wusste halt einfach nicht wirkliclh, wie es uns den Tag über ging, und es war ihm auch nicht so wichtig.

Ich hatte einfach viel zu wenig von ihm, und jetzt ist es zu spät....
Außerdem hab ich ihn auch oft gehasst. Er hat mir immer so mit der Hand auf den Kopf getätschelt, als wär ich ein Hund....das tat er bei meiner Schwester nie...Und ich denke jetzt: ich komm gut damit klar, das er mich vielleicht tatsächlich "weniger" geliebt hat, das ist kein Problem für mich. Aber irgendwie würde ich doch gerne noch diese Dinge mit ihm klären. Nur bekomm ich jetzt keine Antwort mehr.

Also, ich finde auch meine Mutter hat recht, sie sagt, er hätte das nie gewollt, so da zu liegen und langsam über Jahre vor sich hin zu sterben. Sie würde gerne eine Möglich keit finden um...ihr wisst schon...
Ich habe ihr schon gesagt, das es mir egal ist. Sie kann tun was sie will, es ist ihr Ehemann...ich hab ihn nicht so gut gekannt, als das ich sagen könnte, was er selbst wollen würde...Ich würde meiner Mutter nie einen Vorwurf machen, wenn sie sich für irgendetwas entscheidet...

Meine Schwester sieht das anders, aber ich trau mich nicht, sie zu fragen, ob sie denn noch Hoffnung hat??? Selbst wenn dieser Mann wieder aufwacht, dann wird er ein verkrümmter, behinderter Pflegefall bleiben...Also, worauf warten? Worauf hoffen?

Ich frage mich auch, ich hatte ja nun schon viele Jahre Zeit, mich damit ab zu finden, das ich meine Fragen an ihn nie mehr beantwortet kriege, also, muss ich akzeptieren, und fertig.

Aber wie ist das mit dem entgültigen Abschied?? Bin ich jetzt nur so emotionslos, weil ich schon damit durch bin, oder weil ich mich davor fürchte?? Und wie lange soll sich diese Situation noch hinziehen? Wie nimmt man Abschied, von einem, der einen quasi um einige wichtige Antworten gebracht hat? Dem man eigentlich sagen möchte: Du hast vieles falsch gemacht! Wie soll das gehen?

Wie ihr seht, ich schreibe wahrscheinlich sehr durcheinander. Eigentlich wollte ich das gar nicht, und jetzt ist es doch so ausführlich rausgesprudelt....

Vielleicht gibt es jemand in ner ähnlhchen Situation? Würde mich freuen, zu hören, wie andere damit umgehen...Danke.
 
Sag es ihm....setz dich zu ihm und sag ihm all das.
Nimm kein Blatt vor den Mund, sprich offen zu ihm.
Ich denke, das wird es dir ein bisschen leichter machen...

Alles Liebe dir...
Violet
 
Deine Antwort erschreckt mich .

Wenn er noch alles hört,was durchaus sein kann,dann hat er keine Chance sich zu rechtfertigen,zu antworten,sich eventuell zu entschuldigen.
Das ist doch grausam?😱


Lise

Und dir Threadstellerin kann ich nur raten deinem Vater keine Vorwürfe
zu machen,er hat es sich sein Ende nicht ausgesucht.



Hm..was hat er falsch gemacht?
Ich bin mir sicher das er dich auch geliebt hat,nur damals konntest du das noch nicht so empfinden?
Es kommt so oft vor das das eine Kind sich mehr geliebt fühlt als das andere,sehr oft.
Denkst du nicht er hätte sich auch gewünscht das er dich und deine Schwester aufwachsen sieht?

Was sagt deine Mutter dazu das du dich von ihm weniger geliebt fühlst?
Einen Vater der mit seinen Kindern Drachen steigen lässt...das wünschen sich so viele Kinder und es passiert nie..schätze dich glücklich,erinnere dich an die schönen Zeiten mit ihm,er schuldet dir nichts..sein Leben ist zuende.
Du bist wütend auf ihn das er dich im Stich lässt und du ihm nichts beweisen kannst,das darfst du sein,aber schulden tut er dir nichts...er kann nichts mehr geben,er hat noch nicht mal mehr die Wahl in Würde sterben zu dürfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann sag mal was sie ihm sagen soll.
Ihm Vorhaltungen machen und ihm das sagen was sie in ihrem Beitrag schreibt?
Ohne das er die geringste Chance hat sich rechtfertigen zu können?
WAS soll sie ihm sagen?



Lise
 
Dass sie traurig ist ? Verletzt ? Dass sie jetzt eine erwachsene Frau ist ? Ihm erzählen, WIE sie ist ? Wie er sie nie kennengelernt hat ? Dass sie das Gefühl hatte weniger von ihm geliebt zu sein ? Das sie gerne mehr Zeit mit ihm gehabt hätte, wie von Shakes erwähnt auf Augenhöhe ?

Wo war die Rede von Vorhaltungen ?
 
Dass sie traurig ist ? Verletzt ? Dass sie jetzt eine erwachsene Frau ist ? Ihm erzählen, WIE sie ist ? Wie er sie nie kennengelernt hat ? Dass sie das Gefühl hatte weniger von ihm geliebt zu sein ? Das sie gerne mehr Zeit mit ihm gehabt hätte, wie von Shakes erwähnt auf Augenhöhe ?

Wo war die Rede von Vorhaltungen ?

Traurig ok
Verletzt finde ich nicht gut.
Wie sie ist ,ja das ist schön🙂
kennengelernt..ja das sie darüber traurig ist das SIE SICH nicht besser
kennengelernt haben
Mehr Zeit..ja

Ja so könnte sie es sagen,mit ihm reden,aber das mit dem weniger geliebt würde ich nicht machen,er hat es vielleicht nicht so empfunden,ich kann es zwar nachvollziehen aber das ist hart für jemanden der sich nicht verteidigen kann.


Shake,es ist dein Vater,dessen Leben kapput ist.
Verzeih ihm.
Er hat alles verloren,für ihn gibts keine Chance mehr.
DU hingegen kannst ihn verzeihen und Frieden mit ihm schliessen,ohne Worte,vielleicht schreibst du ihm alles in einen Brief,er wirds nie lesen können aber es würde dich vielleicht erleichtern?
 
An alle hier:

Hey, das ist ja krass. Ich wollte hier sicher keine so heftige Diskussion starten....
Streitet euch bitte nicht um etwas, das euch grade nicht so betrifft....

Es tut gut über ALLE diese Beiträge und Meinungen nachzudenken....
Ich habe natürlich nicht vor, meinem Vater irgendwelche Schlimmen, verletzenden Sachen an den Kopf zu knallen, denn er ist doch so wehrlos....das weiß ich schon. Und vieles was ich empfinde ist wahrscheinlich nur subjektiv....

Ich finde es nur so extrem schade, weil ich glaube ich war halt immer so das "Sorgenkind" in der Familie, und ich kann den Gedanken nicht aushalten, das mein Vater stirbt, mit dem Bild von mir, das ich damals abgegeben hab.....Er war, (bzw. ist?) ein sehr kluger Mensch, und ich würde ihn gerne zu vielen Dingen auch mal um Rat fragen....:wein:

Mir ist grade wieder so eine, eine der aller wenigsten schönen Erinnerungen gekommen...wie ich mit ihm zusammen ein Referat für die Schule gemacht hab. Es war sein Lieblingsthema und er hat fast alles selber gemacht, und ich saß nur daneben. So fröhlich wie da hab ich ihn selten erlebt. Und das will ich auch nicht schlecht machen....

Aber all zu oft war er auch irgendwie nicht da...naja, schon da, aber eben nicht wirklich DA, ihr wisst schon.

Das ist wohl auch etwas das ich irgendwie aus dem Bauch heraus entscheiden muss...damit es mir besser geht, würde ich ihm schon gern einiges sagen....andererseits könnte ich es echt nicht ertragen, falls tatsächlich sein Gehirn noch irgendwas davon verarbeitet, und er sich keinen Milimeter rühren kann....

Man hat da ja immer so Horrorvisionen aus den entsprechenden Filmen, wo die Leute komplett gelähmt sind, und so gerne was sagen würden....

Aber ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich da jetzt schon durch muss...wer weiß wie lange er da noch so liegen muss...Ein Jahr? Fünf Jahre, Zehn? Das ist alles echt verwirrend...als ob ich nicht genug andere Probleme hätte...oder vielleicht hab ich die auch deswegen, wer kann das schon sagen...

Jedenfalls gaaaanz lieben Dank für eure Antworten, das hilft so sehr, zu sehen, das sich andere auch echt Gedanken mit einem machen. Ist ein bisschen so, als würde sich die Belastung besser verteilen....Dankeschön.
 
Ich finde es schön, dass dir noch eine gute Erinnerung eingefallen ist...
Und ich kann nachfühlen wie schmerzhaft es sein muss, trotz Differenzen, wenn man seinen einst agilen, fitten und geistig wendigen Vater so sieht...einerseits aus meiner Arbeit mit Komapatienten und Angehörigen, andrerseits weil ich Angst habe, selbst einmal in diese Situation zu kommen...
 
Dann sag mal was sie ihm sagen soll.
Ihm Vorhaltungen machen und ihm das sagen was sie in ihrem Beitrag schreibt?
Ohne das er die geringste Chance hat sich rechtfertigen zu können?
WAS soll sie ihm sagen?



Lise

Hallo,also einfach ihm nur sagen,wie leid es ihr tut,daß Sie keine Zeit mehr hatten,sich wichtiges zu sagen.Er liegt ja im Wachkoma,hört bestimmt alles.Aber bitte keine Vorwürfe.
Hinterher tut einem das bestimmt sehr leid.
Ihm erzählen,was man gerne noch mit ihm gemacht hätte,worauf man sich gefreut hätte mit ihm,mit der Familie.
Der Mann kann doch an seiner Situation nichts ändern,doch die Familie kann ihn begleiten.Und das ist wichtig!
 

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