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Wie oft kann man wieder aufstehen?

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Gelöscht 62512

Gast
Hallo zusammen,

ich bin schon länger hier angemeldet, habe es aber bisher nicht über mich bringen können, von meinem Problem zu erzählen. Mittlerweile ist der Leidensdruck aber hoch genug, um Scham und Scheu zu überwinden.

Ich bin mit einem alkoholkranken Vater aufgewachsen, der wenn er getrunken hatte sehr aggressiv war. Während meine Gleichaltrigen ihr Leben ausprobiert und sich gefunden haben, war ich eigentlich nur für meine Mutter da. Mein Vater hat, nachdem seine Firma pleite gegangen ist, nur noch in seinem Alkohol und Selbstmitleid gelebt und die ganze Schuld, den ganzen Hass für seine Situation auf meine Mutter übertragen. Jeden Tag gab es Anfeindungen gegen meine Mutter, Beleidigungen und Gewalt. Meine Mutter war damit verständlicherweise so überfordert, dass sie ihren ganzen Halt bei mir gesucht hat und ich hab alles versucht, ihr den zu geben.

Wir beide sind damals immer näher zusammengerückt und schließlich hat mein Vater gemerkt wo ihre größte Schwachstelle ist, und das war natürlich ich. Er hat dann über die Jahre immer mehr versucht, mich kaputt zu machen, mit vielen kleinen und großen Attacken, bis eigentlich nicht mehr sehr viel von mir übrig war als das Bewusstsein, für meine Mutter da sein zu müssen. Als ich 21 war, kam dann endlich die große Wende und Erleichterung als es meiner Mutter endlich gereicht hat (und dadurch dass ich neben Schule und Studium gearbeitet habe, es auch finanziell möglich war) und sie ihn gebeten hat auszuziehen. Geblieben sind mir nach der Zeit eine unheimliche innere Stärke, für die ich sehr dankbar bin, aber auch ein ziemlich krankhafter Ehrgeiz, Angst vor Kontrollverlust und große Probleme damit, Nähe zuzulassen. Dennoch konnte ich danach anfangen, ein einigermaßen glückliches Leben zu führen.

Kurz danach bin ich meine erste richtige Beziehung eingegangen, bin für ihn umgezogen und habe dann feststellen müssen, dass er ein massives Drogenproblem hatte (erst Hasch, dann Speed, zum Schluss Heroin. Ich habe die Beziehung mit ihm beendet, wir waren uns aber weiterhin gegenseitig sehr wichtig. Vor 2 Jahren ist er gestorben (goldener Schuss). Ich habe daran extrem geknabbert, es war sehr schlimm für mich ihn zu verlieren, ich hab es aber durchgeschafft und u.a. dank meiner Freunde bin ich eigentlich wieder recht glücklich geworden.

Ich konnte auch wieder eine neue Beziehung beginnen und war mit ihm das erste mal in meinem Leben so richtig vollständig glücklich. Meine Ängste haben nachgelassen, ich habe angefangen, wirklich zu vertrauen, er war der erste Mensch in meinem Leben, bei dem ich mich fallen lassen konnte. Der mich mal gestützt hat und nicht nur immer ich andere. Bei dem ich sein konnte, wie ich bin und das einfach gereicht hat. Wir haben uns verlobt und ich konnte mir eine Zukunft mit ihm vorstellen.

Vor 8 Wochen hatte er einen Autounfall und ist eine Woche später an den Verletzungen gestorben.

Seitdem bin ich so leer. Ich frage mich, warum? Warum ich, warum er? Lohnt es sich überhaupt noch, mich jetzt wieder hochzukämpfen, wieder irgendwie damit klarzukommen? Es kostet mich so viel Kraft und ich bin so müde… Ich schäme mich für diese Gedanken, dennoch sind sie da. Egal was in meinem Leben passiert ist, ich hatte immer die Gewissheit, dass ich alles überstehen kann. Dass es egal ist, wie oft man fällt, solange man wieder aufsteht. Diese Gewissheit ist jetzt weg. Ich hatte zum ersten mal im Leben einen Menschen, bei dem ich zur Ruhe kommen konnte und der ist jetzt plötzlich weg. Er fehlt mir so unendlich. Ich möchte wieder wissen, dass es sich zu kämpfen lohnt, dass das Leben schön sein kann und ich alles schaffen kann wenn ich es will. Ich bin 30 und es kann noch viel vor mir liegen. Aber es ist einfach nicht mehr da…
 
Hallo Marie_30,

mein aufrichtiges Mitleid zu deinem Verlust.

Du machst nun die verschiedenen Stationen einer Trauer durch.

Lasse dir Zeit zu trauern.


Diese Zeit ist im Moment wichtig und schärft deine Empfindungen.

Sie wird irgend wann beendet sein mit der Hoffnung auf einen Neuanfang.

Du wirst sehen.
Alles Gute
 
Seitdem bin ich so leer. .. Er fehlt mir so unendlich. Ich möchte wieder wissen, dass es sich zu kämpfen lohnt, dass das Leben schön sein kann und ich alles schaffen kann wenn ich es will.

Es tut mir leid für dich, liebe Marie .., und ich kann auch diese Leere verstehen, doch gleichzeitig möchte ich dir sagen, dass du nicht alles verloren hast, nicht den ganzen Menschen, denn das, was du von ihm bekommen hast, was er und die Beziehung mit ihm in dir gesäht und genährt hatte, ist ganz sicher in dir geblieben und kann weiter wachsen, wenn du es zulässt und dafür sorgst.

Und noch eine andere wichtige für dich Erfahrung kam durch diesen Verlust hinzu, glaub ich, wodurch vielleicht deine Lebenseinstellung etwas korrigieret wird und "realer" werden kann:

Du kannst sicherlich sehr viel davon schaffen, was du willst, aber nicht alles, denn immer spielt auf verschiedene Weise auch der Schicksal, das Unberechenbare, die übergeordnete Dynamik des Lebens dabei mit, sodass wir es nie ganz kotrollieren können. Und das sollen wir meiner Meinuung nach nicht, denn so würden wir aufhören zu lernen und uns weiter zu entwickeln.

Ich wünsche dir, dass in der Zeit deiner Trauer dir genügend Kraft und Hoffnung erhalten bleiben.
Liebe Grüsse,
Lenja
 
Ich danke euch beiden sehr für eure lieben Antworten.

Es verunsichert mich sehr, dass ich so ganz anders empfinde als damals nach dem Tod meines ersten Freundes. Natürlich waren die Umstände auch anders, wir waren nicht mehr zusammen, er war kein Teil meines Alltags mehr und letztendlich war der Tod -so schlimm es klingt- weniger überraschend als diesmal. Irgendwie hatte ich immer im Hinterkopf, dass etwas schlimmes bei ihm passieren kann, wie es nunmal leider bei diesem Lebenswandel der Fall ist.
Es kommen so viele Gedanken hoch, warum man in Situationen so gehandelt hat wie man gehandelt hat.

@Bürge
Ich würde dir und anderen so gerne glauben, dass es so ist. Dass die Zeit alle Wunden heilt wie man so schön sagt. Aber ich kann es einfach nicht sehen, und ich habe Angst davor, dass ein Teil in mir dabei kaputt gegangen ist und sich nicht mehr reparieren lassen könnte. Ich frage mich, wie ich diese Zuversicht finden kann.

@Lenja
Du hast sicher recht, dass das etwas ist was ich lernen muss. Ich bin ein eher kontrollierter Mensch aber natürlich gibt es Sachen im Leben, die sich nicht kontrollieren lassen. Es gab selbstverständlich auch schon viele Situationen in meinem Leben, die unvorhersehbar waren. Meine Reaktionen darauf waren es eher, die ich bisher kontrollieren konnte- es hat sich zumindest so angefühlt. Jetzt ist alles wie durcheinander gewirbelt.
Ich glaube daran, dass ein Teil von ihm in mir weiterlebt. Einfach deshalb, weil er große Spuren in mir hinterlassen und mich verändert hat. Und weil Menschen weiterleben, solange es jemanden gibt, der sie liebt. Nach der Beerdigung konnte ich das deutlich spüren und auch als ich seine Wohnung aufgelöst habe. Jetzt habe ich es irgendwie verloren. Ich hoffe, dass es wiederkommt...
 
Liebe Marie,

dass es Dir gegenwärtig richtig dreckig geht, ist in unter solchen Umständen normal und völlig natürlich.

Du hast sehr viel Pech gehabt. Das "Problem" am Leben ist, dass es kein Gedächtnis hat. So wie beim Roulette die Kugel 30mal hintereinander auf Rot fallen kann und nie auf Schwarz, weil sie kein Gedächtnis hat und nicht weiß, dass das extrem unwahrscheinlich ist, so ist das auch im Leben. Es ist einfach Zufall.

Das bedeutet aber auch, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass es so schlecht weitergeht.

Mir sind auch schon ganz viele doofe Sachen passiert, es gibt keinen Grund dafür, außer dass das eben Pech ist und ich möchte schreiben wie ich das sehe:
Meiner Ansicht nach gibt es keinen Sinn im Leben, keinen Gott, kein Schicksal, die Dinge passieren eben, niemand ist schuld (für vieles), niemand kann etwas dafür (für vieles). Das ist einerseits vielleicht ein bisschen ernüchternd, andererseits enthalten sie auch eine sehr positive Botschaft: es gibt kein höheres Wesen, das einem in die Suppe spuckt. Das bedeutet auch, dass man aus der Vergangenheit nicht auf die Zukunft schließen kann.

Nicht alles was schlecht startet, muss schlecht enden. Und auch wenn man zwischendurch wiederholt riesiges Pech hat, so war das eben sehr unwahrscheinlich und wahrscheinlich wirds aber nicht so bleiben. Und noch etwas: wenn man am Tiefpunkt ist, kanns nur bergauf gehen.

Alles Gute Dir.
 
Hallo Marie_30,

deine Zuversicht wird wieder kommen, ist die Zeit der Trauer vorbei.

Du wirst dich mit anderen Dingen geschäftigen, wirst neue Leute kennenlernen, dich für ein neues Hobby interessieren,
wenn die Schwere in dir nachlässt.

Vertraue auf dich und deinen Wunsch es so erleben zu wollen und es wird passieren., weil du damit alle Weg öffnest, die dir
im Moment verschlossen scheinen.

Glaube daran, glaube an dich und es geht in Erfüllung.

Eine Umarmung von mir.
 
Hallo ich hab gerade deine "Geschichte" gelesen und bin ganz gerührt.... Was für ein Schicksal. Ich würde dich am liebsten ganz fest drücken. Du bist so ein wunderbarer Mensch, du darfst nicht aufgeben. Ich denke an dich und bete für dich
 
Ich glaube daran, dass ein Teil von ihm in mir weiterlebt. Einfach deshalb, weil er große Spuren in mir hinterlassen und mich verändert hat. Und weil Menschen weiterleben, solange es jemanden gibt, der sie liebt. Nach der Beerdigung konnte ich das deutlich spüren und auch als ich seine Wohnung aufgelöst habe. Jetzt habe ich es irgendwie verloren. Ich hoffe, dass es wiederkommt...

So ähnlich habe ich es auch erlebt, liebe Marie, als mein Vater und dann meine beste Freundin plötzlich verstorben waren ..

Zuerst hatte ich ihre unsichtbare Nähe in meinem Alltag beinah körperlich gespürt, doch dann lies es nach, und mir war so, als ob statt dessen meine Seele ihnen nachfolgte und sie zurück holen oder bei ihnen bleiben wollte .. In dieser Zeit war ich nicht wirklich im Leben anwesend und irgendwie verwirrt ..

Ich glaube irgendwann, ganz von alleine kehrte meine Seele in meinen Körper und in mein Leben zurück .., aber verändert, weil beriechert um die verinnerlichte und mir bewusste Präsenz dieser beider Menschen in ihr und auch - um die ein Stück gewachsene, gereifte Akzeptanz der Vergänglichkeit.

Mir scheint, darum geht es in der Trauer und deshalb kann man der Trauer trauen und soll ihr Zeit lassen, denn sie will uns am Leben erhalten und glechzeitig dem Verlust eine bleibende Bedeutung geben ..

Ganz liebe, mitfühlende Grüsse an dich,
Lenja
 
Ich danke euch allen sehr für eure Nachrichten.

Ich fühle mich sehr allein nach seinem Tod, obwohl ich Menschen in meinem Leben habe, aber manchmal hab ich das Gefühl niemand kann mich wirklich verstehen. Deshalb tut es sehr gut, eure verschiedenen Beiträge zu lesen, letztendlich finden sich offenbar mehr Menschen in dieser Situation wieder als man so denkt.

@Gast Deine Theorie finde ich sehr interessant. Unterbewusst denke ich wirklich manchmal,wie kommt es dass mir mehr schlimme Dinge passieren als anderen. Dabei ist das ja idiotisch, es gibt viele Menschen die noch viel mehr und viel schlimmeres erleben. Und eigentlich bin ich auch überzeugt, dass sich Unglück nicht messen lässt. Ein objektiv gesehen leichterer Schicksalsschlag kann einen Menschen viel härter treffen, der einen weniger starken Background oder keine Menschen hat, denen er vertrauen kann. Und jeder hat in welcher Form auch immer sein Päckchen zu tragen.

@Grisou Es ist schlimm zu hören, was du durchmachst. Ich bewundere dich dafür, dass du deine Probleme mutig angehst und dir die Hilfe holst, die du brauchst. Leider neigen wir alle zu sehr dazu, unsere Schwächen nicht zeigen oder uns selbst eingestehen zu wollen. Dabei ist das echte Stärke. Ich bemühe mich, diesen Weg auch zu gehen. Ich habe eine Trauergruppe in meiner Stadt gefunden, die mich aufnehmen kann. Nächste Woche habe ich ein Vorgesprächmit dem Leiter, vielleicht hilft mir das ein bisschen weiter.
Ich wünsche mir auch, zur Ruhe kommen zu können. Das ist manchmal nicht so einfach. Ich habe meinen Job, in dem ich viel Verantwortung trage, und ich fühle die Verantwortung für meine Freunde und Familie, die mich als einen eher toughen Menschen kennen. Der bin ich momentan nicht und ich weiß, dass sie sich Sorgen machen. Ich würde ihnen so gerne sagen, das wird schon, aber ich kann das einfach momentan nicht.

Ich weiß, dass ich mir die Zeit zum Trauern nehmen muss, darin habt ihr mich mit euren Beiträgen bestärkt. Ich werde mich bemühen, dass umzusetzen, denn ich möchte mich selbst nicht kaputtmachen. Ich will wieder aufstehen können, sonst wären alle bisherigen Kämpfe in meinem Leben sinnlos gewesen.

Danke euch!
 

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