Was heisst "verzeihen" ?

Was bedeutet eigentlich "verzeihen" für Euch ? Kann man jemandem etwas, was er getan hat, verzeihen und dennoch schmerzt einen weiterhin der Gedanke an das was er getan hat? Oder widerspricht sich das ? Dürfte einem der Gedanke daran dann nichts mehr ausmachen, wenn man wirklich verziehen hat ?
Bin gespannt auf Eure Meinungen,
LG Hope

ich glaube, so wie es meistens üblich ist, ist das "ich verzeihe dir" nur verbal gesprochen. vielleicht auch noch im verstand, dass man sich sagt, logisch gesehen müsste ich das vergeben oder man will vergeben. oder sehr oft auch einfach nur als leere floskel, wie man kindern sagt, gebt euch die hand und gut ist, ohne dass es im inneren wirklich vorbei ist.
aber vergebung, die man nicht auch so empfindet, ist keine. wenn man etwas vergibt, dann ist es vergeben, dh. es darf keinerlei auswirkungen mehr haben.
ich glaube daher, wenn man sagt man verzeiht, und zwar mit der absicht, dass man sich selbst mit dem verstand sagt, dass nichts mehr zwischen einem stehen und mit dem herzen, dass alles wieder gut werden soll, aber ohne dass der schmerz weg ist, dass man dies als verzeihen in guter absicht bezeichnen könnte. verziehen im bewusstsein also.
aber erst wenn es auch nicht mehr weh tut, wenn man auch emotional vergeben hat, dann hat man vollkommen vergeben.

Verzeihen ist nicht vergessen.

Verzeihen = ver - geben = an Gott weiter geben zur "Verwaltung" = für mich abgeben an Ihn
Doch die Folgen aus dem Geschehen haben sich oft als Narben eingebrannt und es gilt nun, sie so gut zu behandeln, dass sie nach einer Weile zwar vielleicht noch da sind (auch nicht immer; verzeihen kann durchaus auch vergessen heißen), aber nicht mehr so schmerzen

Hallo Hope14,

verzeihen ist ein Prozeß, der mit der Entscheidung anfängt zu verzeihen. Es kann länger dauern, dass es aufhört zu schmerzen.
Die Entscheidung zu verzeihen sollte aber dazu führen, dass man mit dem Menschen so umgeht, als wäre es nicht geschehen. (Damit will ich aber nicht sagen, dass es leicht wäre!).

Hallo Ihr alle,
vielen Dank erstmal für Eure Antworten. Das hat mir schonmal sehr weitergeholfen.

@ Tiwaz: Was wäre Deiner Meinung nach erforderlich, um auch emotional vergeben zu können ?

@ Moonlight: Habe ich Dich richtig verstanden, dass Du meinst, dass man wirklich verziehen erst hat, wenn es auch nicht mehr schmerzt ? Das Ende der Schmerzen wäre dann sozusagen das Ende des Prozesses ? Und was braucht es dazu, damit es nicht mehr schmerzt ?

LG Hope

Wenn man versucht, die Beweggründe des anderen, der einem "Schuld" angetan hat, zu verstehen, nachzuempfinden, die vielleicht gar nicht so schuldhaft waren aus der Sicht des anderen.
Sinn des Verzeihens ist doch letztlich, für sich eine wichtige Beziehung aufrecht zu erhalten trotz Narben.

Hope14 meinte:

@ Tiwaz: Was wäre Deiner Meinung nach erforderlich, um auch emotional vergeben zu können ?

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das ist pauschal schwer zu sagen. sowas hängt sehr davon ab was passiert ist und wer die betroffenen sind.
aber grundsätzlich würde ich sagen: zeit
schmerz vergeht mit der zeit. man sagt nicht umsonst: zeit heilt alle wunden. das stimmt wirklich. doch es sagt keiner, dass nicht narben zurück bleiben...
wichtig ist, dass man mit der sache abschließen will. man darf nicht im hass hängen bleiben. sonst frisst er sich immer tiefer ins herz und vergiftet dich. man darf hassen - für eine weile. das ist gut. denn man muss gefühle ausleben und darf sie nicht unterdrücken, sonst fressen sie sich ins herz und die psyche.
und wenn der schmerz vergeht, merkt man irgendwann, dass man vergeben hat oder bereit dazu ist, wenn man das will. dann, wenn die wunde verheilt ist...

verzeihen hat aber sicher auch etwas mit verstehen zu tun.
vielleicht kann man auch sagen, wenn man etwas verarbeitet hat, hat man emotional auch verziehen.
nicht zu verwechseln mit dem verzeihen mit dem verstand. ich glaube, man kann emotional über etwas hinweg sein und vergeben haben, ohne im bewusstsein soweit zu sein. zb: tut ein ereignis nicht mehr weh, man will die person aber trotzdem nie mehr wieder sehen, weil man weiß, wie sehr man verletzt wurde und man die narbe spürt die hinterlassen wurde, auch wenn die wunde nicht mehr schmerzt.
nun, alles in allem kein ganz so einfaches thema. ich könnt da sicher noch ein weilchen philosophieren 🙂

Hope14 meinte:

@ Moonlight: Habe ich Dich richtig verstanden, dass Du meinst, dass man wirklich verziehen erst hat, wenn es auch nicht mehr schmerzt ? Das Ende der Schmerzen wäre dann sozusagen das Ende des Prozesses ? Und was braucht es dazu, damit es nicht mehr schmerzt ?

LG Hope

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Irgendwie schon.
Das Problem ist, dass verzeihen die Sache nicht ungeschehen macht.
Wenn sie wieder hoch kommt, spürt man automatisch Schmerz.
Die Entscheidung zu vergeben kann aber dazu führen, dass man irgendwann davon frei wird.
Dazu kann man, wenn die Erinnerung hoch kommt, sich sagen, dass man genau das verziehen hat und es keine Rolle mehr spiel, da es Vergangenheit ist. So verhindert man, dass man sich reinsteigert und den Schmerz nicht mehr loslassen kann.
Vergebung ist m.E. sehr heilsam für den, der verzeihen kann.

Hallo Ihr Lieben,
vielen Dank Euch allen für Eure Antworten. Ich musste da jetzt erstmal bischen drüber grübeln...🙂.

@ Tiwaz: Ja, ich denke auch, Zeit ist ein wichtiger Faktor verbunden mit dem Willen, damit abzuschliessen und nach vorne zu schauen. Genau wie Du es ja geschrieben hast. Denn wenn man nicht abschliessen will in dem Sinne, dass man sich "zwingt" nicht immer wieder über die Sache zu grübeln, dann reisst man durch das Gegrübel die Wunden immer neu auf und der Schmerz kann nicht vergehen bzw. kann sich keine Narbe bilden.

Verstehen ist sicher auch sehr wichtig. Wenn man die Hintergründe des Handelns versteht kann das entweder dazu führen, dass man das Verhalten dann anders sieht und in Ordnung findet. Dann sollte das mit dem Verzeihen ja gar kein Problem sein. Oder man versteht das Verhalten des anderen in dem Sinne, dass man die Zusammenhänge versteht und nachvollziehen kann, was passiert ist, man es aber dennoch Scheisse findet. In dem Fall bringt einem das Verstehen der Hintergründe aber wenigstens, dass man nicht mehr über die Sache grübeln muss und die Wunde anfangen kann zu verheilen.

Was das Verzeihen bzw. nicht verzeihen mit dem Verstand angeht, hat das "Nicht Verzeihen" dann wohl hauptsächlich mit Selbstschutz zu tun. Es tut nicht mehr weh, ich möchte mit der Person dennoch nichts mehr zu tun haben, weil ich der Person nicht traue, dass sie mich nicht nochmal verletzt.

Aber Du hast Recht, da könnte man wohl noch ewig drüber philosophieren...🙂.

@ Moonlight: Das wäre schön, wenn die Entscheidung zu vergeben, irgendwann dazu führt, dass man keinen Schmerz mehr spürt. Egal wird es einem aber sicher nie werden. Vielleicht eher so, dass man dann, wenn die Sache wieder hochkommt, denkt: "Hm, also das war damals wirklich scheisse von ihm/ihr, aber es ist ok". Der Gedanke daran vermittelt einem dann vielleicht immer noch ein schlechtes Gefühl, aber es ist kein (stechender) Schmerz mehr. Man hat dann halt die Tatsache, dass etwas passiert ist, akzeptiert und es ist ok.
Dieser Gedankengang, den Du da beschrieben hast, kommt mir dazu sehr hilfreich vor. Vielen lieben Dank für diesen Tipp. Da kann ich viel mit anfangen.

Wünsch Euch noch einen schönen Tag,
LG Hope