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Verlustangst

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Abendgedanken

Gast
Hallo,
in letzter Zeit habe ich große Angst, meinen Vater zu verlieren. Nicht wegen Corona, sondern weil mir einfach bewusst geworden ist, dass mein Vater alt ist.
Ich bin Anfang 30, mein Vater Ende 70 (meine Mum ist fast 20 Jahre jünger, Eltern leben seit langer Zeit getrennt).
So gesehen, war mein Vater immer schon älter als andere Väter z.B. von Freundinnen in meinem Alter. Aber dass er jetzt eben mittlerweile wirklich nicht nur im Verhältnis sondern tatsächlich alt ist, ist mir irgendwie erst seit Kurzem bewusst geworden. So komisch das klingt. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir z.B. Sorgen mache, wie viele gemeinsame Weihnachtsfeiern wir wohl noch haben werden. Oder manchmal, wenn er mich unangekündigt besuchen kommt und ich keine Zeit für ihn habe, weil ich z.B. noch was arbeiten muss, denke ich mir danach: jetzt war ich gestresst, weil er unangekündigt kommt. Aber irgendwann kommt er gar nicht mehr.
Hinzu kommt außerdem noch folgendes Problem: ich habe das Gefühl, meinen Vater oft schlecht zu behandeln. Wir sehen uns relativ häufig und telefonieren auch viel. Das ist mir wichtig und ihm sicher auch, zumal er sonst auch nicht mehr so viele soziale Kontakte hat.
Und oft rege ich mich eben auf, wenn er schon wieder etwas vergessen hat oder etwas zu langsam geht und meckere ihn dafür dann an (aus Reflex...danach bereue ich es oft). Manchmal ist es auch aus Sorge: "Mensch, Papa, du hast schon wieder nichts Warmes gegessen!". "Mensch Papa, wie sieht es denn hier aus? Da kann sich doch keiner wohlfühlen!". Aber das ist dann schon wieder gemeckert (oft lade ich ihn auch zum Essen ein oder er kocht für uns beide oder ich räume auch mal auf).
Ich habe dann oft ein schlechtes Gewissen weil ich denke, andere erwachsene Kinder führen sich nicht so auf.
Als Kind, als meine Oma in dem Alter war, hat man immer Rücksicht auf sie genommen. Meinem Vater verlange ich hingegen glaube ich manchmal zuviel ab: vielleicht ist es normal, in dem Alter häufiger mal was zu vergessen oder länger für etwas zu brauchen.
Ich weiß das alles, trotzdem verhalte ich mich immer wieder reflexartig so. Er sagt dann auch manchmal, ich sei sein emotionaler Boxsack, ich meckere nur,...
Habe das Gefühl, ihm keine Wertschätzung zu vermitteln und ihm nichts zurückzugeben (hat früher viel für mich gemacht).
Und ich habe eben zur Zeit oft Sorge, wie lange er noch da ist.
Vor drei Jahren war das noch nicht so. Eigentlich ist er auch sehr fit für sein Alter, gut, das ein oder andere Wehwechen, aber keine Krankheit oder ähnliches.
 

Hallo Abendgedanken,

schau mal hier: Verlustangst. Hier findest du vielleicht was du suchst.

Hallo,

es ist ganz normal, sich Gedanken zu machen, wenn Eltern oder andere nahe Angehörige älter werden. Leider kann man den natürlichen Lauf des Lebens nicht ändern. Man kann nur versuchen, seine eigene Einstellung zu ändern, indem man sich bemüht, freundlich und rücksichtsvoll zu sein und gemeinsame Momente bewusst zu erleben.

Im Alltagstrott ist man oft schnell gereizt, klar, hat man doch Stress, Sorgen, Erledigungen. Helfen kann es da wirklich, mit lieben Menschen bewusst freie Zeit zu verbringen - sei es ein Spaziergang, ein gemeinsames Mittagessen, ein Gesellschaftsspiel.

Gerade innerhalb der Familie meckert und motzt man schnell mal rum. Bis zu einem gewissen Grad halte ich das für nicht weiter problematisch. Wenn es dir bewusst geworden ist, öfters ungeduldig zu sein, dann kannst du dir ja vornehmen, daran zu arbeiten. Deshalb enorme Gewissensbisse zu verspüren ist aber nicht notwendig.
 
Ich finde es sehr schön, wie du dir Gedanken machst 🙂

Selber hänge ich auch sehr an meinen Eltern (habe sonst leider keine Familie mehr) und ich finde es immer unfassbar schade, wenn man seine Eltern nur alle Jubeljahre mal sieht. Für mich ist regelmäßiger Kontakt schon wichtig.

Leider ist - wie schon geschrieben oben - der Lauf des Lebens nicht aufzuhalten. Wir werden alle älter und ich denke dein Vater versteht dein Verhalten durchaus bzw. kann es nachvollziehen. Wir waren als kleine Kinder garantiert nicht einfacher 😉

Beschwert er sich denn manchmal? Sagt er etwas, wenn du etwas ungehaltener wirst?
Ich denke auch, das gehört ebenfalls dazu. Familie sieht man oft, hat viel "Konfliktpotential" und sie wissen ja eigentlich, dass wir es nicht böse meinen.
 
Ich denke du machst ein Drama um nichts:

Nur weil ein Mensch 70, sollte man ihn nicht das Gefühl geben, dass er in jeden Augenblick zur Staub zerfällt.

Und so wie du deinen Vater beschreibst, ist er noch ziemlich fit.
 
Ich denke du machst ein Drama um nichts:

Nur weil ein Mensch 70, sollte man ihn nicht das Gefühl geben, dass er in jeden Augenblick zur Staub zerfällt.

Und so wie du deinen Vater beschreibst, ist er noch ziemlich fit.

Huch, da hast du dich verlesen, er ist nicht 70, sondern Ende 70, geht also auf die 80 zu.
 
Werte dich doch nicht selbst ab, hat sich dein Vater bei dir beschwert das du ein undankbarer Sohn bist?
Und das du meckerst ist normal, das tut doch jeder mal.
Wenn du jemand liebst, heißt das nicht für den 24 Stunden zur Verfügung zu stehen,.
Den trägst du im Herzen, weiß das dein Vater:
Sprecht ihr über eure Gefühle, sagst du ihm was du für ihn empfindest?
Wusstest du das im Menschen eine doppelte Tendenz innewohnt: eine Tendenz zu Gemeinschaftsbildung, Verbundenheit, Miteinander sowie eine Tendenz zu Individualität, Selbstbekundung und schöpferischer Freiheit.
Unsere Sehnsucht nach Unverwechselbarkeit, unser Wunsch, sich als Individuum in der Welt zu zeigen, erfüllt sich in der Begegnung mit anderen.
Zur passenden Zeit und wenn der andre es braucht solltest du für ihn da sein.
Erst mit der Erfüllung dieses tiefsten Bedürfnisses wird der Mensch fähig, selbst zu lieben.
Aber wir können uns nur mit anderen verbinden und uns zeigen, wie wir wirklich sind, wenn wir Frieden mit uns geschlossen haben.
Auch unperfekt bist du ganz genau richtig, denn perfekt ist niemand.
 
Hallo

ich finde das schön und gut, dass Du Dir Gedanken machst. Das finde ich völlig normal, Dein Vater ist nicht mehr der Jüngste und es ist klar, dass er irgendwann nicht mehr da sein wird.

Neigst Du allgemein dazu, DIch schnell aufzuregen oder zu meckern oder nur bei Deinem Vater? Vielleicht hilft es Dir, wenn Du dir vornimmst, jedes Mal, wenn ihr Euch seht, ihm was nettes zu sagen oder zu tun. Ihm aufmerksam zuzuhören und geduldiger zu sein. Versetz dich mal für ein paar Minuten in ihn, in seine Lage, in sein Alter, versuche, die Welt mit seinen Augen zu sehen, immer mal wieder. Wie ginge es Dir dann, was würdest Du Dir dann wünschen?

Und dann sei liebevoller, tue es einfach, es nützt nichts, wenn Du Dir danach Vorwürfe machst, sei in dem Moment, wo er da ist, präsent und liebevoll, hör zu, nimm Anteil. Es ist nicht angenehm für einen älteren Menschen, wenn das eigene Kind einen vorwurfsvoll behandelt und sich benimmt, als wäre es der Vater und der Vater das Kind. Das passiert häufiger, ich weiß, ich mache diesen Fehler auch manchmal mit meiner Mutter, aber man sollte mindestens genauso oft, sanft und liebevoll kommunizieren. Häufige Anrufe nützen nichts, wenn die meiste Zeit davon Vorwürfe sind - wenn es denn so ist, das weißt nur Du.
 
Zuletzt bearbeitet:
Verlustängste wegen nahestehenden Menschen ist ein Gefühl, dass die meisten Menschen haben.
Aus der Philosophie der Antike habe ich mit dem Thema umzugehen gelernt. Vielleicht hilft dir das auch.
Dabei hat der Stoizismus gute Ansätze:

1. Denke an die Vergänglichkeit von allem.
Anaxagoras war nicht traurig, als sein Sohe gestorben ist. Als ma ihn fragte, warum er keine Trauer empfindet sagte er: "Ich wusste, dass ich einen Sterblichen gezeugt habe."

2. Vergesse die Lichtseiten des Lebens nicht.
Denke an die schönen Seiten des Lebens, die du mit deinem Vater erlebt hast.

3. Übe dich im Ertragen des Unvermeidlichen.
Dazu eine Geschichte aus dem Buddhismus: Kisagotami

KISAGOTAMI stammte aus einer armen Familie, aber der Sohn einer wohlhabenden Familie verliebte sich in sie und nahm sie zur Frau. Aufgrund ihrer Herkunft behandelten die Schwiegereltern sie unfreundlich, aber als sie einen Sohn gebar, respektierten sie ihre Schwiegertochter schließlich doch. Als das Kind so alt war, dass es laufen lernte, starb es, und Kisagomati wurde irre vor Trauer. Sie trug das tote Kind von Haus zu Haus und bettelte um Medizin, um es gesund zu machen, und alle schickten sie fort mit den Worten: „Das Kind ist tot. Hier kann keine Medizin mehr helfen.“ Schließlich riet ihr ein freundlicher Mann, den Buddha aufzusuchen. Der Buddha sagte: „Wenn du mir einen Senfsamen aus einem Haus bringst, in dem noch niemand gestorben ist, dann gebe ich dir eine Medizin, um dein Kind wieder zum Leben zu erwecken.“ Mit neuer Hoffnung machte sich Kisagotami auf den Weg, den Senfsamen zu besorgen, aber in jedem Haus erfuhr sie, dass hier jemand gestorben war. Also kehrte sie, ihr totes Kind noch immer in den Armen, zum Buddha zurück. „Bringst du mir einen Senfsamen?“, fragte er sie. „Ich dachte, der Tod widerfahre nur meinem kleinen Sohn, aber jetzt verstehe ich, dass er jedem Lebewesen widerfährt. Unbeständigkeit ist ein universelles Gesetz.“ Sie begrub ihr Kind im Wald und kehrte zum Buddha zurück, um die Ordination zu empfangen.
 
Es ist für jeden schwierig, wenn wir irgendwann akzeptieren müssen, dass die Eltern alt werden und abbauen, weil sie früher ja im besten Fall unser Fels in der Brandung waren, an den wir uns halten und orientieren konnten.

Normalerweise ist das ein natürlicher Prozess, weil man selber auch schon älter ist und mehr Lebenserfahrung hat. Du bist noch ziemlich jung und wünscht dir, dass dein Vater so bleibt, wie du ihn schon immer kennst.

Lass das Meckern und mach dir klar, dass ein Mensch mit Ende 70 halt nicht mehr so funktionieren kann, wie du das von deinem Vater erwartest.

Mit über 80 kommen dann immer mehr körperliche Gebrechen, eventuell Demenz dazu, damit musst du umgehen lernen. Beharre nicht auf deinem Bild von ihm, sondern akzeptiere ihn so wie er ist.

Sei froh, dass er jetzt noch so fit ist, aber bereite dich darauf vor, dass das nicht immer so bleiben wird. Er wird vergesslich, vielleicht kränklich, was auch immer. Wirf ihm das nicht vor, sondern unterstütz ihn dabei. Das ist halt so, wenn man alt wird.

Ja, er wird nicht ewig leben. Also nutz die Zeit, die euch bleibt, so gut wie möglich.
 

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