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Traumabewältigung ist leichter gesagt (bitte um Hilfe)

ragtime

Neues Mitglied
Hallo alle zusammen,

erstmal eine kurze Einführung zu meiner Person:
Ich bin Anfang 20 und Studentin, die mit einer offenen Studienarbeit kurz vorm Abschluss ist. Vor dem Trauma war ich sehr abenteuerlich, ehrgeizig und kontaktfreudig. Das änderte sich:
Vor wenigen Jahren hatte ich eine furchteinflößende Beziehung zu einem Mann, der mich mit Drohungen und Freiheitsentzug regelrecht kontrolliert hat. (Auf die körperliche Gewalt will ich nicht eingehen) Er setzte seinen Willen gekonnt mit Lügen und Ausnutzen von Unschuldigen durch. Mit anderen hat er ein gleiches Spiel gespielt. Es endete auch mit Weglaufen, Polizei und einer Menge weiterer Drohungen (Zitat"mein Leben zu zerstören, Freunde und Familie zu entreißen"). Mir blieb ein Trauma, panische Angstzustände, Verfolgungsanst, Untergewicht und aufhellende Medikamente.
Mit meinen neuen verständnisvollen Freund kam auch wieder der Mut zu leben und eine Trauma-Bewältigung anzustreben.

Leider ist das einfacher gesagt und es entstehen dadurch viele Probleme, die für mich nicht zu lösen sind:

Die Therapiegespräche lösen bei mir schlimme reale Albträume aus, die ich nicht vergessen kann und im Verlauf der nächsten Tagen so bedrohlich werden(Halluzinationen), dass ich manchmal zusammengekauert auf dem Boden heule bis mein Freund mich da rauszieht. Wie schaffe ich es diese Träume wieder zu vergessen und wieder zurück zur Realität zu kommen?

Ich bin permanent in einem nervösen Zustand und leide sehr unter meiner Angst. Das zeigt sich sehr, wenn ich mich an Armen und Beinen kratze. Leider bin ich auch nicht von Nägelkauen und Kopfautknibbeln verschont. Bei schlimmen Zuständen schreie ich und zerkratz mir sogar das Gesicht. Sich selbst ins Gesicht zu schlagen kommt auch manchmal vor. Das alles passiert eher automatisch oder als Reflex. Was habt ihr so für Tipps gegen alltägliche Zwänge?

Für jeden Rat bin ich sehr dankbar.

Lieben Gruß, ragtime girl
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

Therapiegespräche können sehr belastend sein, allerdings denke ich, dass bei
Dir die Belastung sehr (zu?) hoch ist. Spreche den/die Therapeuten/in darauf an.
Belommst Du keine Medikamente?

LG, Jan
 
Hallo ragtime!

Ich kenne das alles ziemlich gut. Ich selbst kämpfe auch gerade gegen meine Traumata an und ich weiß, wie hart und verletzend das sein kann, in Kombi mit den ganzen Ängsten, die das mit sich bringt. Ich weiß nicht, wie weit dir meine nächsten Zeilen helfen, aber ich versuche es einfach mal trotzdem 🙂.

Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass traumatische Erlebnisse Zeit brauchen, um verarbeitet zu werden. Gönn dir und deinem Körper auch mal eine Auszeit. Manchmal überfordert man sich mit zu viel Therapie, zu viel nachdenken etc. Auch wenn es sich makaber anhört, aber meine Therapeutin sagt, dass intensive Träume ein Zeichen dafür sind, dass dein Bewusstsein anfängt, zu arbeiten. Und das ist gut, auch wenn die Traumbilder grausam und schrecklich sind. Dein Bewusstsein hat ein Ventil entdeckt.

Medikamente können da aber helfen. Einfach, damit du etwas durchatmen kannst und von deinem Paniklevel runterkommst. Manchmal ist es effektiv, da man dann an gewisse Punkte herangehen kann, manchmal bremsen Medikamente aber die Therapie aus, weil zu wenig oder gar keine Gefühle da sind. Entscheide da einfach mal nach deinem Wohlbefinden und Bauchgefühl. Manchmal reicht da schon eine ganz geringe Dosis. Geh mal zu einem Psychiater und sprich über das, was deinen Alltag und dein Wohlbefinden zerstört.

Spielen sich deine traumatischen Erlebnisse und Erinnerungen auch auf körperlicher Ebene ab? Dann kann eine Körpertherapie helfen. Das kann man auch ergänzend zu einer Therapie machen. Und versuche, mehr Entspannung und Auszeiten in dein Leben zu bringen.

Mir hilft es sehr, mit Freunden darüber zu reden, was mir zu schaffen macht. Wenn ich Glück habe, werden manche schmerzhaften Gedanken auf einmal ganz klein, wenn meine Freunde ihre Meinung dazu abgeben oder es aus einer anderen Perspektive sehen. Oft fällt mir dann auf, wie sehr ich noch drinhänge und dass ich das ändern sollte. Und das ist so ein Knackpunkt: Man ist nicht selten einfach darin gefangen und kommt schwer raus. Das krallt sich dann an und in einem fest und man kommt nicht los. Wie ein gefährlicher Strudel. Die traurige Wahrheit aber ist: nur du kommst allein da raus. Deine Lieben können dich nur dabei unterstützen. Es war auch hier eine große Unterstützung für mich, mit anderen hier zu schreiben. Gerade, weil man anonym ist und einige hier bestimmte Gefühle und Schwierigkeiten kennen.

Ich hatte lange Zeit durchgehend furchtbare Albträume. Und auch heute noch lange Phasen, in denen ich Angst vorm schlafen habe. Es kann helfen, nach einem Albtraum einen "Cut" zu machen und erstmal was zu lesen oder sich abzulenken, um dann weiterzuschlafen. Und, ich habe hier den Tipp bekommen, sich immer wieder zu sagen, dass man in Sicherheit ist. Klein, aber wirkungsvoll 🙂. Manche meiner Traumbilder sind erst verschwunden oder haben sich gewandelt, wenn ich mich damit außeinandergesetzt habe. Traumbilder sind Ausdruck der Seele und des Unterbewusstseins. Das ist eine ganz eigene Sprache und die Möglichkeit für deine Psyche, auf sich aufmerksam zu machen oder etwas zu verarbeiten.

Ich schreibe - das hilft mir oft sehr, ein Ventil zu finden. Oder, ich zocke eine Runde, weil ich dann konzentriert sein muss. Treffen mit anderen gehen halt nicht immer, oder ich bin zu sehr in mir selbst vergraben. Im Jetzt zu leben ist nicht immer ganz leicht.


Zwänge. Tja ... ich vermute, das spielt sich bei mir auf anderen Ebenen ab, als bei dir. Aber, arbeite mal daran, den Zwang, also den Gedanken, das Gefühl oder Bedürfnis zur Seite zu schieben. Und dann nochmal und nochmal. Lenk dich ab. Ich weiß, das ist hammerhart und anfangs brutal schwer, weil der Kopf oft nicht will. Aber, es wird einfacher. Aus 10 Minuten werden irgendwann 20, dann 30 und irgendwann eine Stunde. Sag dir "Ich kann das morgen auch noch denken und fühlen oder machen.", das hat mir sehr geholfen. Einfach erstmal herauszögern, nicht direkt bekämpfen und unterdrücken. Verstehst du? Das muss jetzt nicht auf jeden zutreffen und ist kein Patentrezept, aber für mich war es eine Lösung (vorerst).

Liebe Grüße

Findefuchs
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

das sind wirklich super Tipps und ich bin auch erstmal beruhigt, dass es in dieser Welt Menschen gibt, die ähnliche Probleme haben. Bei meinen Mitmenschen gibt es leider keinen, der das genau nachvollziehen kann. Natürlich bekomme ich eine Menge Unterstützung, indem mich meine Familie oder Freunde ablenken; aber über dieses empfindliche Thema will keiner gerne reden. Da fühlt man sich wie ein Freak inmitten einer heilen Welt und fragt sich ständig, warum gerade ich mein Eigenleben nicht hin kriege. Es fällt mir deshalb schwer Ansprechpartner in meinem Freundeskreis zu finden, vor allem auch wegen meiner gestörrten Fähigkeit Menschen zu vertrauen. Ich rutsche immer mehr in die Isolation und das macht mich zunehmend nervös. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich wieder wohl in meiner Haut fühle.

Vielleicht hilft wirklich ein Medikament gegen meine Panikattacken. Ich nehme momentan nur etwas gegen meine Depressionen und wenn nötig Schlaftabletten. Bei schlimmen Fällen gehe ich ins Krankenhaus und bekomme Travor.
Habt ihr denn Erfahrung mit Mitteln/Medis gegen Nervosität?

Der "gefährliche Strudel" trifft es genau auf den Punkt. Man kommt unfreiwillig in diesen Wahn- einer Mischung aus Erinnerungsbilder und bedrohlichen Gefühlen, aus dem man so leicht nicht mehr rauskommt. Da ich aber schon ein bis zwei Jahre versucht habe es zu verdrängen und kläglich gescheitert bin, möchte ich diese Erlebnisse endlich verarbeiten. Nur, dass es so ausarten würde, hätte ich nicht gedacht. Gibt es denn überhaupt Erzählungen von erfolgreich verarbeiteten Traumas? Wenn ja, wie lange hat es gedauert? Ich träume von einer Zukunft, wo ich nicht mehr so viel Angst haben muss und nicht ständig daran denke.

Liebe Grüße, ragtime girl
 
Liebe ragtime,

ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen, aber viele Menschen spielen einem nur vor, als wäre ihr eigenes Leben "normaler", "einfacher" oder "richtiger", das ist so meine Erfahrung. Ich finde, auf dieser Welt ist sehr wenig heil.

Wie definierst du denn "Wohlfühlen in deiner Haut" genau? Was könnte dir dabei helfen? Was ist dir wichtig?

Gib dir Zeit, ragtime. Wenn die Psyche verletzt ist, muss sie verheilen und das passiert nicht sofort, sondern erst Schritt für Schritt. Gerade nach dem, was dir passiert ist. Du schreibst, dass du früher alles verdrängt hast. Da hat sich dann eine Menge angestaut und vielleicht vermehrt festgebissen. Dein Entschluss, deine Probleme anzupacken und zu bearbeiten ist sehr mutig, aber das musst du auch langsam angehen, mit Teilerfolgen. Trotzdem kann ich verstehen, dass man ungeduldig sein kann und schneller möchte, dass mehr Leidensdruck verschwindet und der Alltag einfacher wird - geht mir ganz genauso.

Ich glaube, es ist der beste Weg, wenn du mit deinem Therapeuten und einem Psychater sprichst, was du denn eventuell gegen deine Panik nehmen könntest. Menschen sind verschieden und jede Dosierung kann sich anders auswirken, bzw. ein Medikament, das bei einem gut anschlägt, kann bei jemand anderem schon wieder wenig bewirken oder eine schlechte Reaktion hervorrufen.

Ich kann dir nur davon erzählen, dass ich am Anfang einen riesen Leidensdruck mit meinen Ängsten hatte, die meine Traumata verursacht haben. Das war eine riesen Sache für mich und ist es oft noch heute. Dinge, die für andere ganz normal sind, waren mir nur schwer möglich. Heute ist es besser und ich weiß auch, wie ich die Bremse leichter ziehen kann. Sehr wichtig war für mich, mir einzugestehen, dass gewisse Dinge noch nicht funktionieren und ich einfach noch nicht in der Lage bin, gut damit umzugehen oder mich zu überwinden. Auch das muss man oft lernen, sich selbst und seine "Schwächen" zu akzeptieren und zu respektieren. Ich frage mich genauso wie du, ob man solche Erlebnisse irgendwann einmal ganz überwinden kann und keine Spuren mehr in einem zu finden sind. Ich bin mir nicht sicher, aber ich weiß auf jeden Fall, dass man die Sache und negativen Emotionen auf jeden Fall hinter sich lassen kann, egal ob nun Spuren für immer zurückbleiben werden oder nicht. Das ist ein wichtiger Unterschied für mich. Jeder wird damit wohl auch anders umgehen.

Es ist doch schon mal ein großer Schritt und eine ganz tolle Sache, dass dein Freund zu dir hält und dich liebt 🙂. Wenn es dich vielleicht entlastet, könntest du mal eine Gruppentherapie anstreben oder eine Selbsthilfegruppe. Das kann wirklich hilfreich und erleichternd sein. Vertrauen ist ja auch eine schwierige Sache und so ein neutraler Treffpunkt außerhalb deines Privatlebens könnte dich schon in deiner Verarbeitung unterstützen.


Liebe Grüße

Findefuchs
 

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