Hallo Deepsoul,
bin gerade erst hier auf dieses Forum gestoßen. Ich finde es wirklich toll, daß du dich auf diesem sehr schwierigen Pfad bewegen möchtest. Ich weiss, wie gut es Patienten im Krankenhaus tut, wenn nicht so seelenlos mit ihnen umgegangen wird. I
ch hatte damals mit 14 Jahren in meinem Krankenhauspraktikum ein einschneidendes Erlebnis mit einer älteren Patientin. Die dort tätigen Schwestern spulten nur ihr Programm runter: Wecken, Temperatur messen, waschen, Essen hinknallen und gut war's. Gespräche, oder auf den MENSCHEN EINGEHEN? Fehlanzeige. Kälter gings kaum. Es wurde mir sogar fast verboten, mich zu dieser Patientin zu setzen und mir ihre seelischen Probleme erzählen zu lassen. Es tat ihr doch gut. Warum wollte man es mir verbieten? Ich habe damals gesagt, ich sei ein freier Mensch und ihr (der Schwester) nicht unterstellt. Ich würde nur ein einwöchiges Praktikum machen und stehe nicht auf der Lohnliste des KKH.
Damals habe ich mir geschworen, ich würde meine Eltern niemals so allein lassen. Leider hat der Krebs mir meine Mutter genommen, als ich gerade 20 war und meinen Vater habe 15 Jahre später verloren. Aber ich habe mir aucb nichts vorzuwerfen gehabt. War ich doch, solange sie lebten, viel mit Ihnen zusammen. Nur leider haben die Krankheiten sie im Krankenhaus selbst innerhalb weniger Tage dahingerafft.
Es war jedesmal zu plötzlich, obwohl ich es bei beiden schon 36-24 Stunden vorher, bereits über räumliche Distanzen von der Wohnung bis ins Krankenhaus, gespürt habe. Wirklich wahr, aber sehr sensitive Menschen spüren den kommenden Tod. Genau wie der Sterbende selbst auch. Meine Mutter hatte die gleichen Gefühle gut 3 Tage vorher. Das wußte ich aber nicht. Sie gab damals meinem Vater noch ihren Ehering für mich mit. Der sollte nicht im Grab landen. Hat er mir aber damals nicht gleich so erzählt, sonst hätte ich sicher vor dem Bett gesessen und hätte meinen Platz nicht verlassen, bis sie gestorben ist. Aber das Gefühl, für beide bis zum Schluss dagewesen zu sein, geholfen zu haben, wenn sie Hilfe brauchten, wie auch Eltern es ihren Kindern zukommen lassen, war im Nachhinein dennoch für mich auch wichtig. Ich konnte sie dann doch "gehen lassen". Klar habe ich getrauert, geweint, war verzweifelt und haderte mit dem Schicksal. Dennoch war ich auch froh, daß sie beide die Chance hatten, ohne große Schmerzen und Qualen ein schnelles Ende zu finden. Insofern haben wir noch alles versucht zu tun, um ihr Leben zu verlängern, es sollte aber nicht sein. Ihre Zeit war gekommen. Obwohl meine Mutter mit 57 definitiv zu jung war.Vater ist ja immerhin 83 geworden.
Es vergeht kein Tag an dem ich nicht an sie denke und ich habe auch mehrere wunderbare Träume von und mit meinen Eltern gehabt. Es war jedesmal, als hätten wir noch einmal ein paar Stunden zusammen verbringen dürfen. Wenn man es heute so aus der Distanz sieht, ich bin jetzt 55 Jahre alt, habe ich mir nichts vorzuwerfen, irgendwas für meine Eltern nicht getan zu haben, sie nicht geliebt zu haben - ganz im Gegenteil. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, ich habe nichts versäumt, war eine gute Tochter und ich bin sicher, auch wenn ich nicht wirklich gläubig bin, wir werden uns wiedersehen, wenn ich einmal abtrete. Da bin ich mir sicher. Manchmal spüre ich die Anwesenheit von Mutter und Vater. Manchmal rieche ich sogar den Zigarettenrauch, obwohl hier sonst niemand raucht. Ich selbst auch nicht. Dann weiß ich sofort, meine Mutter ist zugegen. Halt mich für verrückt, aber ich weiss, sie passen auch auf mich und meine Tochter und Enkelin auf.
Wichtig ist, daß man als Mensch in der Lage ist, für andere da zu sein, wenn sie Hilfe brauchen, man sich für seine Mitmenschen interessiert und ihnen zuhört. Höre zu, was Sterbende dir noch mitteilen können. Alles ist wichtig. Gebe den Angehörigen Trost und teile deine Gespräche mit dem Sterbenden mit ihnen. Jedes Wort, jeder Satz kann auch ihnen helfen. Pass also einfach nur gut auf, nicht oberflächlich damit umzugehen. Viele wehren sich leider dagegen zu glauben, daß mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Ich glaube daran, daß es eine geistige Welt ohne Körperlichkeit gibt. Wenn wir dort bleiben dürfen, dann haben wir alles gelernt und brauchen nicht mehr hierhin zurück in das Fegefeuer, wie die Bibel es ausdrückt
Das Fegefeuer ist hier auf Erden, hier müssen wir lernen, werden geprüft, getestet, hier müssen wir uns beweisen und bewähren. Das Klassenziel ist es wohl, anderen zu helfen, offen zu sein für ihre Bedürfnisse und ihnen stets zu zeigen, wie wertvoll sie als Individuum sind. Was könnte es sonst sein, was wir hier machen? Geld regiert die Welt, Liebe den Himmel. Wenn Reichtum vorhanden ist, sollte man auch davon abgeben. Es gibt immer Jemanden, dem man mit Geld oder irgendwas anderem behilflich sein kann.
Bleib wie du bist, verliere deine Mitmenschlichkeit nie aus den Augen und sei zufrieden, wenn jemand mit deiner Hilfe gut hinübergegangen ist. Trauere ihnen nicht zu sehr nach, es ist nicht alles zu Ende, du hast seelisch ihre "Hand auf dem Weg gehalten" und ihnen hinübergeholfen. Allein durch deine Kraft und Liebe zu den Menschen.
In diesem Sinne meine Liebe, alles Gute für Dich - ich bin sicher, du wirst es schaffen und vielen Sterbenden, wie auch den trauernden Angehörigen, helfen können.
Beate