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Soziale Phobie, kein Anschluss

silberpfeil

Neues Mitglied
Hallo an alle,

Seit ein paar Tagen hat bei mir das so lang ersehnte Studium begonnen, an das ich so viel Hoffnung auf Erfüllung geknüpft habe. Während sich viele eher Sorgen um das Studium selbst machen, ist das bei mir seit der Kennenlernwoche komplett in den Hintergrund getreten. Dass ich aufgrund meiner Vorgeschichte und meines Alters zu den meisten Mitstudierenden nicht ganz passen werde und dass sich dort wahrscheinlich keine innigen Freundschaften bilden, war mir klar. Aber ich war von mir selbst so schockiert, als ich feststellen musste, wie unbeholfen ich trotz Therapie und vermeintlich überwundener Angstzustände noch immer bin.

Die Woche vor dem Start entwickelte sich zu meiner persönlichen Hölle. Obwohl sich die meisten nicht zu kennen schienen, bildeten sich sofort Gruppen, jeder fand einen Gesprächspartner, nur mir gelang das nicht und so zog es sich durch die gesamte Woche. Wenn ein anderer verirrter Student sich kurzzeitig zu mir setzte, fand der trotzdem ganz schnell Anschluss und ich war wieder alleine. Mir graut vor der ersten Vorlesung, weil mir klar geworden ist, dass ich noch lange nicht dagegen immun bin, ein Außenseiter zu sein.

Es ist schwer zu definieren, ob ich nun an einer Sozialphobie leide oder nicht. Im Gegensatz zu anderen Betroffenen treffen viele gemeinsame Faktoren nicht auf mich zu. Ich habe vielleicht nicht unendlich viele, aber genug Freunde, die mich als wertvollen Gesprächspartner achten, habe nie Probleme gehabt eine Beziehung zu finden und auf lange Zeit aufrecht erhalten zu können, mein Alltag funktioniert, ich habe keine Ängste das Haus zu verlassen oder meinen Verpflichtungen nachzukommen. Aber Situationen wie diese sind ein riesiges Problem und führen fast immer, sofern mir nicht vom Himmel ein Mensch gesandt wird, der von sich aus Kontakt sucht, dazu, dass ich irgendwann völlig eingeschüchtert für mich bin.

Kann man als Außenseiter überhaupt in einem Studium klarkommen? Ich bin ein Einzelgänger und arbeite auch am liebsten für mich alleine, privat bin ich gut versorgt. Aber sobald ich das uni Gelände nur betreten habe, habe ich einen Stein im Magen bekommen und befürchte, dass sich mein Status nicht mehr ändern wird.

Lieber Gruß
Silberpfeil
 
Hallo Silberpfeil,

das kenne ich ein ganzes Stück weit von mir selbst!
So, wie du schreibst, scheinst du ja wirklich kein Problem mit Menschen generell zu haben, sondern "nur" mit diesen Gruppenprozessen und der vermeintlichen Außenseiterrolle.
Mir ging das auch so, bis ich mich mal zum Start eines neuen Studiums dazu entschieden hatte, ganz bewusst NICHT an den Gruppenfindungsprozessen teilzunehmen und mich auf das zu konzentrieren, wozu ich da war: Lernen. Mir selbst den Druck zu nehmen, dazugehören zu müssen, tat sehr gut.
Am Anfang suchen alle in leichter Verzweiflung Kontakt und die Gruppen bilden sich, zerfallen wieder, bilden sich neu... Irgendwann werden dann auch die Stilleren entdeckt.
Die Sache ist nämlich, dass du nicht zum Außenseiter wirst, weil mit dir etwas nicht stimmt, sondern weil du eben nicht teilnimmst. Und das ist eine gute Sache, denn das heißt, du verlierst nichts UND du musst dich nicht zwingen, mitzumachen. Die passenden Menschen finden dich dann irgendwann, ist wirklich so.
Du wirst noch sooo viele Gelegenheiten haben mit anderen in Kontakt zu kommen. Nicht zu vermeidende Gruppenarbeiten etc. Da tut sich noch mal viel; vielleicht in einer Form, die dir viel besser liegt als das kollektive Pflichttrinken in der Kennenlernwoche.

Also kurz gesagt: Für mich habe ich festgestellt, dass mein Problem nicht die Außenseiterrolle selbst war. Im Gegenteil, ich konnte es sehr genießen, den ganzen "Zirkus" nicht mitzumachen und einfach abzuwarten, bis sich alle beruhigt haben. Für mich war die Bewertung das Problem. Ich dachte, etwas sei nicht in Ordnung mit mir, wenn ich zulasse, dass ich in die Außenseiterrolle rutsche. Und dass andere auch denken, ich sei komisch. Ich hatte Angst vor meiner eigenen Bewertung. Und der anderer. Ist aber alles nicht so. Den anderen ist es erst mal egal, was du machst. Die sind viel zu sehr damit beschäftigt, den Anschluss an die Gruppe nicht zu verlieren, die Rangordnung auszumache usw. 😉

Ich weiß, es ist nicht leicht, aber vielleicht hilft es dir ja, dir selbst diese Erlaubnis zu geben, dass du Außenseiter sein darfst. Es passiert wirklich nichts. Und du bist genauso wertvoll wie jeder andere. Das sagt nichts über dich aus, wenn diese Gruppendinge dir nicht liegen, außer, dass dir diese Gruppendinge nicht liegen.
Und nur weil die anderen dabei so happy wirken, heißt das auch nicht, dass es allen gut damit geht. Wer weiß, wieviele sich eigentlich gern auch entspannt zurücklehnen würden.
 
Danke Nat Tre für deine tollen Worte. Tatsächlich triffst du exakt auf den Punkt, worum es mir wirklich geht, nämlich gar nicht um das Dazugehören, sondern um die Angst von den anderen als der Außenseiter, das "Opfer" oder die "Schwache" wahrgenommen zu werden.

Am schlimmsten sind für mich diese Momente, in denen man auf das Getümmel zugeht, mir gelingt es nur schwer den Blick oben zu halten und wenn ich mir dann irgendwo in der Ecke ein Plätzchen zum stehen gesucht habe, weiß ich nichts mit meinen Händen anzufangen, egal wie ich stehe kommt mir meine Haltung schlecht vor und korrigiere sie immer wieder, was mich noch unsicherer werden lässt, es ist zum verzweifeln.

Dein Rat scheint mir wirklich sehr hilfreich zu sein und genau so will ich es auch halten. Bei Gruppenarbeiten graust es mir allerdings, wie ein hilfloses Kind verzweifelt im Raum zu stehen und einfach nicht den Mut zu finden, jemand anzusprechen, ob ich Teil seiner Gruppe werden kann oder, wenn ich es doch geschafft habe, nur mit Missmut angenommen zu werden.

Ich habe mich in deinen Schilderungen sehr wiedererkannt und kann aus deiner Erfahrung echten Mut schöpfen. Vielen Dank dafür!
 
Hey, es freut mich, wenn da schon was Hilfreiches dabei war 🙂

Vielleicht sollte ich noch dazu sagen, dass es mir auch nicht möglich ist, in solchen Situationen 100% entspannt zu sein. Aber ich konnte die Belastung zumindest so weit runterschrauben, dass es mich nicht mehr quält. Und ich vermute fast, der Rest kommt mit der Übung. Wenn man 20 Jahre geübt hat, sich in Gruppensituationen unwohl zu fühlen, dann braucht es wohl eine Weile, sich das wieder abzugewöhnen.
Aber allein die Erkenntnis gehabt zu haben, dass meine Bewertung der Situation (Ich bin komisch, die anderen finden mich komisch, ich wirke schwach, bin ein Opfer etc.) nicht der Realität entsprechen muss, tat sehr gut.

Und so ganz kronket: Wenn es um Gruppenarbeit geht, suche ich mir das Thema aus, was mich interessiert. Und die Erlaubnis, die Leute mit meiner Anwesenheit zu belästigen, gebe ich mir einfach, schließlich bin ich wie alle anderen auch da, um was zu lernen. Da müssen sie dann halt durch 🙂 Aber normalerweise fühlt sich da keiner gestört, vor allem, wenn du motiviert bist, mitzuarbeiten. Dieses ganze "die anderen wollen mich vielleicht nicht" ist zu einem großen Teil wirklich nur in unseren Köpfen, das lerne ich immer mehr. Und die wenigen, die dich oder mich wirklich nicht mögen, die dürfen das ja tun. Du und ich und jeder, wir haben trotzdem das Recht, respektvoll behandelt zu werden und dafür einzustehen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass der Großteil dich nicht mag, ist wirklich verschwindend gering. Mir hilft es, das auch mal andersrum zu betrachten: Wie viele Menschen kann ich von Herzen nicht ausstehen? Mir fällt im Moment kein einziger ein.
Und Situationen wie dieses Rumstehen und nicht wissen wohin mit den Händen... Oh ja... Deswegen haben so viele ihr Handy in der Hand 😀 Ich mach' das auch manchmal, wenn mir sonst gar nichts mehr einfällt. Andere Möglichkeiten: Dich um deine Bedürfnisse kümmern (Essen, Trinken, Klo), ausm Fenster gucken (mach ich viel, weil mich das Gewusel verrückt macht), noch mal Notizen durchgehen, guten Freunden, die Verständnis haben, einfach mal schreiben, wie unwohl du dich gerade fühlst... Hm. Ich glaube, was ich sagen will, vielleicht kannst du versuchen, diese Zeiten, in denen du rumstehst und nichts mit dir anzufangen weißt, wenigstens ein kleines bisschen für dich zu nutzen. Mir half das. In Kombination damit, nicht von mir zu erwarten, mich super wohl zu fühlen. Erwartung war, es etwas erträglicher zu machen. Das hat geholfen. Und immer schön bei sich selbst bleiben: Warum bin ich hier und was könnte mir gerade helfen, wie kann ich für mich sorgen? Das nimmt auch den Fokus von den anderen weg, denen wir so gern unterstellen, sie würden irgendwas über uns denken 🙂
 
nach meiner Erfahrung bilden sich durch die Seminare/Vorlesungen kaum bis keine Kontakte. Und "einfach so" schon gar nicht, da muss man aktiver werden. Ab und zu den neben Dir was fragen oder einen lustigen Kommentar setzen;
beim nächsten Mal sich wieder neben denjenigen setzen und grüßen, nach ein paar Wochen dann fragen, ob man in der Pause zusammen in die Mensa geht oder ähnliches.
Anders läuft es nicht. Nicht reingehen und so tun, als ob man die anderen das erste Mal sieht, sondern dazu setzen und "hallo" sagen. Dann: such´ Dir an der Uni Neigungsgruppen, Sport, Asta oder ähnliches, so, dass Du nicht auf den täglichen Betrieb angewiesen bist.
 

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