Bist Du Männlein oder Weiblein?
Ich sage jetzt einfach mal, mein armes Kleines und nehme dich in den Arm.
Du bist geschlagen mit den Reaktionen,denen so viele Kinder im Übergang zum Erwachsenwerden ausgesetzt sind.
Und mein armes KLeines sage ich deshalb, weil ich Deine Großmutter sein könnte, die heute viel viel klarer sieht und weiss, was für entsetzliche Fehler sie gemacht hat, als ihre beiden Töchter in Deinem Alter waren.
Ich könnte Dir stundenlang erzählen, was ich als Mutter alles falsch gemacht habe, weil ich mit der Pubertät meiner beiden einfach nicht zurecht kam. Und dabei hatte ich mir als Mutter fest vorgenommen, Du wirst Deine Kinder nur mit Liebe, Güte und Verständnis erziehen und nie vergessen, dass Du auch mal so jung warst.
Aber die besten Vorsätze helfen nicht, wenn sie einer so geballten Kraft an Pubertätsrück-sichtslosigkeit gegenüber stehen, wie mir das mit meinen ergangen ist. Ich stand immer nur fassungslos, vor soviel Egoismus, Gedanken-losigkeit und manchmal auch Gemeinheit.
Hätte ich damals gewusst, was ich heute über junge Menschen in Deinem Alter weiss, ich hätte ganz anders als Mutter reagiert und nicht so sehr versagt. Nun ist es zwischen Mädchen und Müttern ja erheblich schlimmer als zwischen Söhnen und Müttern, im umgekehrten Fall ergeht es den Vätern genauso.
Wenn Eltern nur begreifen würden, dass man nicht als perfekte Eltern geboren wird, sondern sich das Elternsein hart erarbeiten muss.
Es gibt so ein paar wirklich gravierende Dinge, die sich ganz einschneidend auf das Zusammenleben mit den Eltern in der Pubertät auswirken.
Eines davon, z. B. ist, das Ihr in diesem Alter Euch, Eurer Natur gehorchend, allmählich anfangt abzunabeln, der eine früher, der andere später. Und ihr verhaltet Euch dann, ähnlich wie Tiermütter ihren Jungen gegenüber. Der Instinkt der Tiermütter sagt ihnen, dass es Zeit wird die Jungen wegzubeissen, damit sie eine Chance haben in der Wildnis alleine zu überleben.
Bei uns Menschen ist es nicht viel anders, nur das hier die Eltern meist noch klammern und nicht einsehen wollen, dass jetzt die anstrengende Umwandlung in ihren Kindern passiert, wo Hormone, Gedanken, Einstellungen, das erste Erlebnis mit der sexuellen Umstellung des Körpers, begonnen hat. Und jetzt seid ihr es, die anfangen rigoros und rücksichtslos, die Eltern wegzubeissen.
Es ist inzwischen eine anerkannte Tatsache, das junge Menschen in Eurem Alter nicht mehr in der Lage sind normal sozial zu denken, oder ein soziales Verhalten an den Tag zu legen. Sie sind nun mal vollkommen damit beschäftigt, vom Kind zum Erwachsenen zu "mutieren", und da ist die Konzentration auf das eigene Ego so stark, dass kein Platz mehr ist für soziale Anwandlungen. Und das ist etwas, was ich damals, und ich glaube, die meisten Eltern nicht wissen. Sie empfinden nur das trotzige, unerzogene, aufmüpfige Verhalten ihrer Kinder, also das Weggebissenwerden. Und das kommt so plötzlich für Euch und uns, dass keiner damit umgehen kann. Und so fangen die gegeseitigen Verletzungen und Machtkämpfe an.
Dein Ritzen kann ohne weiteres diese Kämpfe ausdrücken, weil man in der Pubertät ja noch nicht mal imstande ist, sich selbst zu lieben, denn das, was sich da im Körper abspielt macht ja selber Angst. Also wird versucht, die Angst und Unsicherheit hinter besonders taffem und burschikosem Verhalten zu verstecken. Und genau das macht Euch dann für uns unwissende Erwachsene so unausstehlich, zum an die Wand klatschen. Ich kann mich erinnern, oft vor lauter Verzweiflung gegenüber Freundinnen, die auch mein Schicksal erlitten mit ihren pubertierenden Kindern, von meinen Weg-schmeiß- oder An-die-Wand-klatsch-Kindern gesprochen zu haben. Aber Euch gehts mit uns ja nicht anders.
Ihr behandelt uns nur noch als Rivalen, weil ihr unsere Angst und daraus resultierende Strenge auch nicht verstehen könnt. Und dieses ganze Dilemma fängt oft schon mit 12 Jahren an, und hört, mit etwas Glück, mit 17-20 Jahren auf.
Nur eines passiert hierbei nicht, weder auf Eurer, noch auf unserer Seite, dass wir aufhören, einander zu lieben.
Und so ist, durch die vielen Hins und Hers und Enttäuschungen und Verletzungen, die keiner wirklich will, - die aber von beiden Seiten mit Bravour getätigt werden, als Schutz vor dem Schmerz, denn dieses Verhalten tut ja beiden Seiten unheimlich weh -, alle Liebe hinter einer undurchdringlichen Mauer versteckt, die immer höher wird, je länger dieses Unverständnis von Seiten der Eltern bestehen bleibt.
Von Euch kann man kein Verständnis erwarten, ihr habt genug damit zu tun, Euch selber zu verstehen, aber wir Eltern sollten wirklich viel früher, eigentlich schon am Anfang all dieser unerfreulichen Geschehnisse, in eine Elternschule gehen und einen Elternpubertäts-begreifführerschein machen.
Ich habe mir auch schon den Kopf zerbrochen, wie man Eltern darauf aufmerksam machen könnte, rechtzeitig eine Beratung aufzusuchen. Beim zweiten Kind sollte man ja dann schon etwas abgeklärter und schlauer sein, weit gefehlt, beim Zweiten regen einen die gleichen Dinge an den Kindern genauso auf, wie beim ersten Mal. Und das ist das, was ich bis heute noch nicht kapiert habe, wieso wir aus unseren Fehlern nicht lernen.
Ich glaube es liegt daran, dass wir uns gar nicht bewusst sind Fehler zu machen. Es sagt uns ja keiner.
Es ist ein dauerndes reagieren auf die "Gemeinheiten" des anderen.
Tja, so sieht halt diese vermaledeite nicht KindnichtErwachsenenepoche für Euch und für uns Eltern aus.
Kein Wunder, dass der Kontakt zu den Großeltern in dieser Zeit oft stärker wird. Denn die haben das ganze Schlamassel ja schon hinter sich, haben viele, viele male zusehen können, aus der Ferne ist das leicht, welche Fehler die anderen machen. Und da meistens Enkel und Großeltern sich nicht täglich auf der Pelle hocken, ist das irgendwo noch ein kleiner Hort, an dem man sich ausruhen kann, und der vielleicht als Vermittlungsstätte dienen könnte.
Ich kann Dir leider keinen Rat geben, was Du ändern könntest, noch kann ich Deine Eltern aufklären, aber vielleicht habe ich Dir einen kleinen Wegweiser an die Hand gegeben, der Dir zeigt, dass keinen von Euch wirkliche Schuld trifft, sondern dass ihr euch selbst und auch gegeseitig lieben dürft, ohne Euch etwas zu vergeben oder den eigenen Stolz dabei anzu kra-tzen. Vielleicht hilft es Dir ja, Dich selber besser zu verstehen und Dich auch wieder mehr zu mögen, sodass Du Dich nicht durch Ritzen für etwas bestrafen musst, wofür Du überhaupt nichts kannst.
Vielleicht gibt es ja einen kleinen Trick:
Wenn es Dir gelingt, meine kleine Abhandlung auf Deinem PC in eine Datei zu kopieren und auszudrucken, und dann mal ganz unscheinbar da liegen zu lassen, wo es Deine Eltern zufällig, beim hinterherspionieren, finden müssen, vielleicht können Sie für sich dann auch etwas draus lernen, und sehen in Dir nicht nur den renitenten, widerborstigen, assozialen Pubertierenden. Es ist eine kleine Chance, vielleicht miteinander ins Gespräch zu kommen.
Wenn ich eben das Wort hinterherspionieren gebraucht habe, so deshalb, weil es kaum eine Mutter geben kann, die nicht versucht, etwas über ihr Kind herauszufinden, was ihr sein fremdes Verhalten erklären könnte.
Ich wünsche Dir von Herzen, dass Ihr diese Chance Euch gegenseitig gebt, dann kann es nämlich auch in diesem Alter eine schöne Jugend sein.
Ich habe es mit meinen Eltern, mehr mit Vater als mit Mutter, erleben dürfen, es war sogar ziemlich die schönste Zeit in meinem Leben, und ich bin mir bewusst, dass ich da zu den ausgesprochenen Glückskindern zu zählen war.
Ich umarme Dich noch einmal ganz herzlich und ziehe durch Liebe und Wärme die ganze Widerborstigkeit und Hilflosigkeit aus Dir heraus. Spürst Du es? Dann lass es mich wissen, ob sich in den nächsten Monaten, vielleicht irgendetwas positiv verändert in Deinem Leben.
Liebe Grüße von einem
ganzdollefestdaumendrückenden Luiserl.
ich wünsch es Dir, wünsch es Dir, wünsch es Dir, wün.................(unendlich)