Ich bin mit 19 Mama geworden (vor 6 Monaten) und habe eine tolle Tochter. Dennoch fühle ich mich minderwertig. Ich war immer sehr gut in der Schule und die Lehrer meinten zu mir immer, dass aus mir mal was wird. Alle aus meinem Jahrgang studieren oder arbeiten, während ich mit meinem Baby zu Hause sitze. Der Vater kümmert sich nicht um die Kleine, er hat jetzt eine Freundin die ein duales Studium macht und einfach alles im Griff hat. Also viele Freundinnen, top gestylt usw. ich achte zwar auch auf mein Äußeres aber ein Topmodel bin ich nicht. Ich hatte keine tolle Kindheit. Meine Eltern haben mich vernachlässigt, sodass ich in Obhut genommen wurde. Kam dann von Wohngruppe zu Wohngruppe. Ich habe praktisch niemanden aus meiner Familie der für mich da ist. Die Kleine hat nur mich. Freunde habe ich keine mehr, als ich Mama wurde haben sie sich von mir abgewendet. Ich fühle mich total minderwertig und abgelehnt. Nicht hübsch genug, nicht intelligent genug usw. Als würde ich viel viel schlechter als andere sein. Ich beneide junge Menschen die eine normale Familie haben. Dass ich aus schlechtem Hause komme ist schlimm genug, aber dass ich jung Mutter bin wertet mich noch weiter ab. Generell war ich schon immer anders als andere und das bedeutet auch schlechter. Andere waren gut und normal und ich war komisch. Ich denke ich werde nie irgendwo dazugehören und bin einfach nicht so toll wie andere. Ich muss einfach so viel an mir ändern. Ich weiß nicht wie ich das alles schaffen soll.
Es scheint wie wenn dir dein Umfeld deine eigenen unverarbeiteten Probleme aus deiner Kindheit spiegeln... indem sie sich von dir abwenden, so wie sich deine Eltern von dir abgewendet haben. Wenn du damit deinen Frieden schließen kannst, dann kannst du vielleicht ein befreiteres Leben führen. Und gerade dein Kind ist eine unglaubliche Chance für dich, diesen Teufelskreis zu durchbrechen: Indem du lernst, für dein Kind da zu sein und es wahrzunehmen, es anzunehmen und zu lieben. Und die Liebe zu deinem Kind an die erste Stelle in deinem Leben stellst, noch vor die Frage was andere über dich denken oder was andere z.B. beruflich alles leisten.
Es spielt keine so große Rolle, ob du das Kind oder die Mutter bist. Das Gefühl, worum es geht, ist das selbe: Auf der einen Seite Liebe und wahrgenommen werden, auf der anderen Seite sich von der Mutter-Kind-Beziehung abzuwenden und seine Aufmerksamkeit und Sehnsucht auf andere Dinge zu richten. Im Moment hast du die Mutter-Rolle, aber du kannst in dieser Rolle die Liebe und Nähe mit deinem Kind leben, die dir selbst damals gefehlt hat. Und damit kannst du deinen Schmerz von damals in gewisser Weise "heilen". Indem du es selbst besser machst als deine Eltern. Drum gib nicht auf, auch wenn es manchmal hart wird und du dich an unschöne Zeiten und Gefühle erinnert fühlst.
Ein kleiner Rat noch zum Schluss: Versuche nicht, vor deinem Kind "stark" zu sein oder ihm etwas vorzuspielen. Sei authentisch vor ihm, ohne dich zu verstellen. Auch dann, wenn es dir schlecht geht oder du traurig bist. Natürlich ohne deinen seelischen Schmerz auf dein Kind abzuladen. Aber je mehr du dazu bereit bist, dich deinem eigenen Schicksal und deiner Vergangenheit zu stellen und sie zu überwinden, um so mehr emotionale Last nimmst du von den Schultern deiner Tochter. So dass sie nicht die selbe Last tragen muss, die du damals von deinen Eltern aufgebürdet bekommen hast.
Und zum Schluss noch: Falls du noch stillst, stille deine Tochter so lange es möglich ist. Egal was andere sagen. Diese Nähe hat auch etwas sehr Heilsames. Diese Erfahrung hat auch eine Bekannte von mir gemacht, die ein paar Jahre jünger war als du, als sie ihr Kind bekommen hat.
Liebe Grüße und alles Gute!