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Diplomarbeit - Ich bin total erschöpft...

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Gast

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Hallo,

habe hier in den Foren viele Beiträge gelesen und raffe mich jetzt mal auf, meinen Leidensweg zu schildern.

Ich bin 31 und studiere mittlerweile im 17. Semester Soziologie und verzweifel über meiner Diplomarbeit. Ein Horroszenario...

Alles kommt wie es kommen muss:
Ich habe nach dem Abitur und Bund eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht. Es war immer der Wunsch meines Vaters, dass ich Karriere mache. Leider verstarben meine Eltern noch vor meinem beruflichen Weg.
In der Ausbildung lief alles Klasse - bis zur mündlichen Prüfung. Dort habe ich total versagt, und das trotz super Beurteilungen und Leistungen. Trotz Übernahme boten sich - aus meiner damaligen Sicht - leider nicht mehr wirkliche berufliche Perspektiven in diesem Sektor. Dazu kam dann noch die quälenden Fragen nach dem Sinn des Lebens.
Ich entschloss mich nach der Ausbildung zu studieren und ging an die Uni-Lüneburg. Dort studierte ich ein Semester "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften". In dem Semester stieg vermehrt mein Interesse an den Sozialwissenschaften und so wechselte ich - auch maßgeblich zum Wohle meiner damaligen Beziehung - an die Uni-Hamburg in das Studienfach Soziologie mit Schwerpunkt Wirtschaft&Betrieb.
Während des Grundstudiums fing ich wieder bei der meiner Bank in der Personalentwicklung an zu arbeiten. Nach einem Jahr wurde mir dort gekündigt. Nicht auf Grund schlechter Leistungen, sondern wegen einer Kettenvertragsregelung, die es mir nicht mehr erlaubte länger als 3 Jahre (inkl. Ausbildung) angestellt zu sein.

Das Studium glich bis dahin eher einem Hobby. Ich habe mich im Grundstudium nicht gleich orientieren können. In die Philosophie und Politik hineingeschnuppert und erst nach 6 Semestern mein Vor-Diplom gemacht.
Ab dem 8. Semester wuchs mein Interesse insbesondere im Bereich Statistik. Ich suchte mir einen Job am Landesinsitiut für Lehrerbildung im Hamburg und wendete viel Kraft und Energie - neben meinem Studium - für Testentwicklungen, -Begleitung und -Auswertungen für Schulen im Raum Hamburg auf. Als Assistent eines Doktoranten in meiner Abteilung spielte ich nach dem 10. Semester mit dem Gedanken meine Diplomarbeit in diesem Bereich zu schreiben. Leider änderte sich rapide die Betreuungssituation. Mein Chef schied wegen Burn-out aus und ich sollte von nun an seine Aufgaben übernehmen. Man lockte mich mit einer 3/4 Stelle, eigenem Büro, etc. - Das wurde mir zuviel. Ich kündigte und wollte jetzt mein Studium auf eigene Faust zu Ende bringen.

Ich machte meine letzten Scheine und erhielt dann im 12. Semester ein Angebot einer Professorin mit an das University College in Dublin zu gehen, um dort meine Diplomarbeit im Bereich der Innovationsforschung zu schreiben. Anschließend mit Option auf ein PhD-Stipendium in einem Europäischen Forschungsprojekt.
Voller Begeisterung willigte ich ein. Ich stand zu dieser Zeit am Anfang einer frischen Beziehung und hatte das Glück, dass meine Freundin sich ebenfalls entschied mitzukommen.

Soweit so gut. Die Semesterzahl ließ mich noch recht unbeeindruckt, winkte doch eine Doktorantenstelle und die Arbeit in einem Europäischen Forschungsprojekt im Ausland. Eine Champagnerdusche von vielen Veröffentlichungen und der Reiz endlich eine Weltformel zu finden.
Von da an ging es aber stetig Bergab. 60 Std. Wochen waren an der Tagesordnung. Das kannte ich schon, aber dann noch eine Diplomarbeit in einem Feld zu schreiben auf dem ich nicht sonderlich bewandert war (Netzwerkanalysen von Forschungskooperationen) fraß mich dann auf. Nach meinem ersten Jahr in Irland lag mein Leben in Scherben. Mit meiner Freundin lief es nicht besonders gut, meine Diplomarbeit war nicht in Ansätzen vorangekommen und die ständige Isolation im Büro machten mir zu schaffen. Dann kamen die Panikattaken. Ich konnte nicht mehr richtig schlafen, war ständig am Heulen. Morgens im Spiegel erkannte ich mich nicht wieder. Ich habe es trotzdem noch ein Jahr dort ausgehalten. Als meine Freundin dann schließlich sagte sie ginge zurück nach Deutschland und der Zeitpunkt verstrich, an dem eigentlich meine Einsetzung als PhD eingeplant war, fiel ich in ein noch schlimmeres Loch. Mein methodischer Teil der Arbeit war zwar soweit geschafft, aber ich konnte nicht mehr. In Einvernehmen mit meinem Prof. ging ich zurück nach Hamburg. Ohne meine Freundin. Die wollte nichts mehr von mir wissen und ging nach Köln.

Jetzt sitze ich vor meiner Diplomarbeit und habe riesige Angst die anzumelden. Mich plagen schreckliche Depressionen. Ich habe jetzt endlich einen Therapieplatz, aber bin immer noch am Boden. Ich weiß nicht mehr wie es weitergehen soll. Trotz toller Arbeitszeugenisse und der vielen Erfahrungen qäulen mich ständig die selben Gedanken:

Wie soll ich diesen Berg an Texten bezwingen? Wie kann ich die Arbeit noch in diesem Semester schaffen? Und wie soll ich die kommenden Prüfungen bestehen? Wer nimmt mich noch mit 32 und 18 Semestern Studium Soziologie?

Irgendwie habe ich meine eigene "Operation Leben" völlig an die Wand gefahren. Weiß nicht mehr so recht was richtig und was falsch ist. Bin nur noch müde und erschöpft...

Mir ist klar: Ein zurück gibt es nicht mehr. Aber wie zum Ziel kommen? Und was kommt dannach?

Vielleicht habt ihr ja ein paar Antworten, die mir weiterhelfen. Danke fürs lesen und Eure Beiträge.
 
Wie ich lese bist du 31 Jahre alt und die Symptome die du beschreibst die kenne ich gut. So wie ich es lese hast du eine Menge geleistet und es spiegelt sich mein Leben in einer anderen Form. Lernen und Leisten das gibt mir so wie dir das Gefühl ich kann was. Mir geht es gut und mich schätzt jeder. Aber das Leben geht manchmal so seine eigene Wege. Du mußt lernen an dich selbst zu denken und du darfst nicht vergessen das das Leben nicht nur aus Arbeit besteht. Vergißt du dich selbst und überhörst deine körperlichen und seelischen Bedürfnisse, dann streikt dein Körper. Er schreit nach einer Pause und du bekommst somatoforme Störungen. Ich kenne sie gut. Zu gut

lies das
http://www.lebenshilfe-abc.de/somatoforme-stoerung.html

Diese Störungen sind ein Alarmsignal deines Körpers. Mache eine Pause und denke mal nur an dich. Baue dir zwischendurch Pausen ein. Meditiere und höre diese CD.

Sie ist wirklich gut und sie entspannt dich schon nach der ersten Anwendung. Du kannst sie hören so oft es geht.

Stressabbau mit der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson - Zeitblüten


Ghe auch zur Therapie. Sie ist wichtig um herauszufinden warum du so viel arbeitest. Bei mir war es das ich immer geglaubt habe das ich nur dann einen Wert habe und geliebt werde, wenn ich genug leiste. Und ich habe geleistet. Tag für Tag. Bis zum kompleten Zusammenbruch mit 42 Jahre. Heute bin ich 48 Jahre und Rentnerin. Die ewige Leistung hat meinen Körper zerstört und mich zum körperlichen Wrack gemacht. Ich habe heute die Kraft einer 70 jährigen.

Pass auf dich auf und denk daran es gibt auch noch ein privater Bereich. Denn Lachen mit Menschen, Weinen mit Freunden, Glücklichsein , Lieben, Zeit haben für schöne Dinge ist das wichtigste überhaupt. Nimmst du die nicht ernst hast du nicht gelebt. Du verpasst den größten Teil deines LÖeben und doch hast du das Gefühl ich habe was wichtiges verpasst. Wenn du magst kannst du mir ja schreiben.


Karma
 
hallo gast,

in die falle, arbeiten für einen professor mit ja soooo tollen aussichten für später, in die falle tappen viele.
hast du wenigstens geld dafür bekommen, oder war es nur eine ehre? (erlebe es ständig wie studenten in bestimmten büros verschlissen werden).

dennoch, du hast ja einiges gemacht und verfügst über entsprechende erfahrung. über das alter und die hohe semesterzahl würde ich mir eher weniger gedanken machen, als soziologe schon gar nicht. bist ja nicht die ganze zeit taxi gefahren, sondern hast was an arbeiten vorzuweisen.

mach 14 tage gar nichts.

dann geh die arbeit systematisch an wie du bisher alle arbeiten angegangen bist (davon gehe ich einfach mal aus).

ziel ist das diplom. punkt.

was danach kommt ist erstmal nebensächlich.
 
Hallo, ich bin der Gast. Vielen Dank Euch Beiden.

Manchmal frage ich mich, ob ich einfach nur spinne. Ich habe im inneren das Gefühl gut zu sein. Ich glaube ich kann eine ganze Menge, aber irgendwie gelingt es mit nicht meinen Platz zu finden.

@Karma: Du hast ganz recht, irgendwie glaube ich nicht vollwertig zu sein, wenn ich nichts leiste. Ich möchte gebraucht werden, einen Platz haben. Mir fällt es daher schwer nein zu sagen. Ständig auch diese Frage von Freunden: "Was willst Du eigentlich mit Soziologie". Irgendwie habe ich mir gedacht ich zeig es Euch allen. Dazu noch der Druck Teil dieser Leistungsgesellschaft zu sein. Neulich musste ich mir einen Vortrag von einem Kücken von einer Fachhochschule anhören: "Wenn Du Dein Studium nicht in Regelstudienzeit schaffst, bist Du an der Uni einfach falsch". Es gab Zeiten, da habe ich darüber gelacht. Aber mittlerweile muss ich mich zusammreißen, dass mir nicht die Tränen kommen.
In dieser Welt sich treu zu bleiben, sein Selbstbewusstsein zu bewahren ist wirklich nicht leicht. Vor allem, wenn von Links und Rechts die Rufe nach schneller und herausragender Leistung immer lauter werden.

Irgendwie komisch. Ich hatte nie den Wunsch Teil dieses Systems zu sein, aber es geht nunmal nicht Beides. Ich kann nicht darauf hoffen Lorbeeren in dieser Gesellschaft zu ernten, wenn ich mich diesem System vorenthalte. Ich wünsche mir Anerkennung und Erfolg. Mich jedoch diesem System anzupassen - wie in den letzten vier Jahren - hat mich ganz schön an den Rand gebracht. Ich kenne mich gar nicht mehr wieder.

Danke für den Tipp mit dem Stressabbau. Ich werde mich mal daran versuchen. Vielleicht hilft es ja.

@Frame: Ja, ich habe Geld verdient in Irland - sehr gutes Geld sogar - Ich hatte alles: Ein Auto, ein Stadthaus am Meer - nur kein Leben mehr.

Das mit der Pause ist eigentlich auch eine gute Idee. Ich weiß nur nicht wie ich das bewerkstelligen soll. Ich habe regelrechte Entzugserscheinungen, wenn ich nicht vor meinen Papern und dem Rechner sitze. Allerdings merke ich auch, dass meine Produktivität extrem abgenommen hat. Das doofe. Eigentlich kann ich sehr strukturiert arbeiten, der Zeitdruck macht mir nur sehr zu schaffen. Und zudem das Gefühl, dass alles was ich schreibe nur schlecht ist. Ein Symptom, dass scheinbar viele befällt, die ihre Abschlussarbeit schreiben wie ich in diesem Forum nachgelesen habe.

Tut auf jeden Fall schonmal gut zu wissen, dass man nicht allein mit seinen Sorgen ist...

Was wäre dieses Leben ohne Probleme? Einfach nur schön!

Lieben Gruß,

Seebi
 
Hallo Sebi,

das du Entzugserscheinungen hast kann vermutlich damit zusammenhängen das du evtl. schon eine Abhängigkeit hast. Arbeitssucht. Ich hatte auch Entzugserscheinungen. Ich habe mir jahrelang soviel Arbeit aufgehaltst, damit ich nicht darüber nachdenken muß, wie Scheiße es mir doch in Wirklichkeit ging. Ich war Penibel und überaus korrekt das ich heute denke, was bist du doch ein Esel gewesen. Arbeit ist doch nicht alles. Mache eine Therapie und beende diese Sucht. Denn sie ruiniert dich irgendwann so sehr das du einfach zusammenbrichtst.

Lies das mal

Arbeitssucht - erkennen und beenden


karma
 
hallo seebi,

prima, dass du dich angemeldet hast🙂
Ich habe im inneren das Gefühl gut zu sein. Ich glaube ich kann eine ganze Menge, aber irgendwie gelingt es mit nicht meinen Platz zu finden.
das klingt doch schon ganz anders, als dein erstes posting. diesen platz wirst du finden. klar, im moment schwimmst du, aber wenn du das diplom in der tasche hast, kannst du konkrete schritte unternehmen.

Ständig auch diese Frage von Freunden: "Was willst Du eigentlich mit Soziologie".
ist es nicht so, dass der größte teil der leute gar nicht weiß was soziologen machen?
"was studierst du?"
"soziologie!"
"aha"(es folgt betretenes schweigen)

eigentlich seit ihr allgegenwärtig (in allen möglichen sparten), nur keiner weiß es😉.

Neulich musste ich mir einen Vortrag von einem Kücken von einer Fachhochschule anhören: "Wenn Du Dein Studium nicht in Regelstudienzeit schaffst, bist Du an der Uni einfach falsch".
geschwätz. was passiert denen danach? ein praktikum nach dem anderen. seebi, ok 18 semester sind ne menge, aber du hast was vorzuweisen, steh über solche sprüche.

Irgendwie komisch. Ich hatte nie den Wunsch Teil dieses Systems zu sein, aber es geht nunmal nicht Beides. Ich kann nicht darauf hoffen Lorbeeren in dieser Gesellschaft zu ernten, wenn ich mich diesem System vorenthalte. Ich wünsche mir Anerkennung und Erfolg. Mich jedoch diesem System anzupassen - wie in den letzten vier Jahren - hat mich ganz schön an den Rand gebracht. Ich kenne mich gar nicht mehr wieder.
das wird dich dein leben lang begleiten. diesem balanceakt wirst du immer ausgesetzt sein. und die arbeitgeber werden zuppeln und auspressen wo sie können und niemand wird es danken, solltest du dich aufreiben und daran kaputt gehen, sowie karma beschrieben.
dessen muß man sich bewußt sein und dementsprechend entscheiden will man oder will man nicht. das ist nicht immer möglich, manchmal ist es ja auch eine existenzfrage.

Das mit der Pause ist eigentlich auch eine gute Idee. Ich weiß nur nicht wie ich das bewerkstelligen soll. Ich habe regelrechte Entzugserscheinungen, wenn ich nicht vor meinen Papern und dem Rechner sitze. Allerdings merke ich auch, dass meine Produktivität extrem abgenommen hat. Das doofe. Eigentlich kann ich sehr strukturiert arbeiten, der Zeitdruck macht mir nur sehr zu schaffen. Und zudem das Gefühl, dass alles was ich schreibe nur schlecht ist. Ein Symptom, dass scheinbar viele befällt, die ihre Abschlussarbeit schreiben wie ich in diesem Forum nachgelesen habe.
stimmt, dieses symptom befällt viele. ich denke, das ist normal: "die angst vor dem leeren blatt".
mach etwas, was du sonst nie, oder noch nie gemacht hast. geh in die kunsthalle, setz dich an den hafen, fahr zur nordsee und laß dir
von dem wind die gedanken aus dem hirn blasen🙂
komm zur ruhe. (mich erdet...und ich bin in keinster weise esoterisch...ein gang durch den wald.....das relativiert einiges nach einem stressigen arbeitstag)

Was wäre dieses Leben ohne Probleme? Einfach nur schön!
jepp😀

liebe grüße
frame
 
Hallo Seebi,

mir gings bis vor ein paar Tagen echt ähnlich wie dir - mit meinem (zweiten) Studium werde ich wohl mit ca. 30 fertig sein.
Ich hatte letzte Woche auch nen richtigen Zusammenbruch nahe Burn Out.

Mit ner 7 Tage Woche, immer nur 4 Stunden Schlaf, dann die Bachelor/Honoursarbeit, die einem im Nacken sitzt, Abgaben, die bald fällig sind, aber noch nicht fertiggestellt, ein Praktikum, in dem man mir eine Festanstellung versprochen hat und ich letztendlich jeden Tag 10-12 Stunden gerackert habe für 0 Euro und ich dann geschnallt habe, dass da was nicht stimmen kann, wenn jeden Tag ein neuer Praktikant dazu kommt, dem man eine Festanstellung verspricht und der ohne Vergütung arbeitet...und letztendlich häuft sich immer mehr an und man hat nicht die geringste Ahnung, wie man das hinkriegen soll - und dann natürlich noch die Hoffnungen, dass sich der ganze Fleiß ja irgendwann auszahlen MUSS, sonst hat man was falsch gemacht.

Und ach ja: ich studiere auch etwas, wo die Leute entweder sagen "Häh, was isn das?" oder "Was kann man denn damit überhaupt anfangen?"

Naja, durch meinen kleinen Heul-Nervenzusammenbruch letzte Woche habe ich ziemlich viel über mich und mein Leben reflektiert und so, wie ich es gelesen habe, plagen dich die selben Denkmuster.
Man muss was leisten, man muss viel lernen, später einen tollen, gutbezahlten Job bekommen und am besten immer ganz vorne mit dabei sein. Und schafft man das nicht, ist man ein Versager.

Ich habe drüber nachgedacht, weshalb ich eigentlich das studiere, was ich studiere. Weils für mich eine Berufung war, etwas wo ich mit ganzem Herzen drangehangen habe. Inzwischen tu ich das nicht mehr. Jeglicher Spaß ist mir aufgrund des ganzen Drucks vergangen. Ich hab mich im Privaten komplett von der Materie verabschiedet im Moment.

Das Problem ist wahrscheinlich, dass ich - du vielleicht auch - gedacht habe, dass der Job so eine Art Selbstverwirklichung sein muss, dass der Job, den man danach macht, einem auch das private Glück und die private Zufriedenheit bescheren muss, einem Ansehen einbringen muss - und dafür arbeitet man dann auch gerne wie ein Besessener.
Was ich bei allem vergessen habe, war jedoch, dass ein Job hauptsächlich dazu dient, Geld zu verdienen, um sein EIGENTLICHES Leben leben zu können. Ein eigentliches Leben habe ich aber nicht mehr - nur noch Studium/Job - das ist mein Leben.

Aber das ist eben falsch.

Weißt du, was ich gemacht habe:
Ich habe vor zwei Tagen meinen Vater angerufen und ihm gesagt, dass es mir egal ist, ob ich nach meinem Studium einen guten Job kriege, der genau in meinem Studienbereich liegt, dass es für mich nicht mehr eine Berufung ist, sondern nur noch das notwenige Übel, um Geld zu verdienen, dass ich auf jegliches Ansehen pfeife und dafür meine Freizeit genieße und endlich wieder Zeit für meine Hobbies haben werde und die Dinge, die wirklich zählen im Leben - und dass ich dann eben nicht mehr die Vorzeigetochter bin und den Kelch hiermit an meine Schwester weiterreiche.
Er hat echt cool reagiert und meinte, dass das eben eine Sache ist, die man erst mit dem Alter rausfindet und er ganz froh ist, dass ich das auch endlich erkannt habe und er sich schon die ganze Zeit dachte, dass ich endlich mit dem Studium fertig werden muss, damit ich auch endlich mal Freizeit habe (wie lustig eigentlich).

Sowas ähnliches habe ich dann auch meinen Freunden gesagt - dass es mir egal ist, ob ich als Akademikerin bei Burger King hinter dem Tresen stehen werde, als Wurststopferin am Fließband, als Regaleinsortiererin bei Aldi oder Klamottenverkäuferin bei H&M. auch das sind ehrbare Berufe. Ich setz mich nicht mehr unter Druck, ich tu mir das nicht länger an.

Weißt du, die Welt geht nicht unter, nur weil man einen Job hat, wo man sich nicht auf die Schulter klopfen kann und sagen "Wow, ich bins, ich hab was erreicht, die Leute schauen auf zu mir."

Mein Studium zieh ich durch. Aber nicht mehr unter dem Druck, Beste zu sein (und eben genau die Rolle hatte ich die letzten zwei Jahre sicher). Hauptsache, ich krieg den Titel, egal, wie sich meine Mitstudenten auch ins Fäustchen lachen werden, dass ich jetzt mal keine 95% aufwärts habe. Mir reichts.
Meine Gesundheit geht vor, mein Privatleben auch.

Als halbwegs intelligenter Mensch findest du auch mit einem schlechten Studienabschluß irgendwo einen Job. Selbst wenn du dann nicht so viel verdienst oder nicht so angesehen bist.
Du bist vielleicht glücklicher, gesünder, hast mehr Spaß am Leben.
Und ist es nicht das, worauf man eigentlich hinarbeiten sollte?

Versuche, nochmal in Ruhe über die Erwartungen an dein Leben nachzudenken und über die Dinge, die eigentlich wichtig sind. Die wichtigsten Dinge im Leben sind die, die man nicht sieht.
Wenn du merkst, dass dein Leben aus mehr besteht, als beruflichem Erfolg und dass dein persönlicher Wert durch andere Dinge repräsentiert wird, als berufliches Ansehen, dann wird der Druck von dir abfallen. Wenn du dir und vielleicht deinen wichtigsten Mitmenschen das ehrlich eingestehen kannst, wirds dir besser gehen.
Und wenns dir besser geht und du mit einer gesünderen Einstellung an die Arbeit gehen kannst, wirst du auch produktiver sein, ohne den Druck, es wird bewältigbar. Glaub mir - ich hab die letzten Tage über 40 Seiten verfasst, die angeblich schon richtig gut sind 🙂

Ach ja: meine beste Freundin hat vor kurzen ihren Master mit 1,3 gemacht und als ich ihr endlich gesagt habe, was ich wirklich von dem ganzen Druck und meinem Leben halte, hat sie mir auch gestanden, dass sie todunglücklich ist mit ihrem Studium und den Erwartungen von allen, nach diesem Super-Abschluß nun einen Super-Job zu finden. Sie hat auch weit über die Regelstudienzeit gebraucht mit ähnlichen Auslandsaufenthalten, wie du sie beschrieben hast.
Sie hat mir gesteckt, dass sie sich in einer Bäckerei beworben hat zur Frühstücksschicht, um morgens die Brötchen zu schmieren und einfach ihre Ruhe zu haben. Das einzige, was sie will, ist ihr Leben endlich wieder genießen zu können, sich mal wieder glücklich zu fühlen ohne all die Erwartungen.

Vielleicht gibt dir das alles ja ein paar neue Denkansätze 🙂

Ich drück dir die Daumen, dass du deine Arbeit schaffst und dir nicht mehr soviel Druck machst.

LG,
vanDark
 
Arbeitssüchtig? Ja, das bin ich.

Warum? Ich glaube weil ich mein Leben immer so gesehen habe wie die Erkenntnis von VanDark. Ich bin in das Studium gestartet unter dem Motto: Ich möchte Leben, etwas lernen was mich interessiert, für mich weiter kommen, egal was aus mir wird, bzw. jemand von mir erwartet. Meine Freundin sagte zu mir, als sie mich vor einigen Jahren kennen lernte: "Ich habe nie einen Menschen kennen gelernt der so sehr in sich ruht wie Du."

Ab da packte mich dieser extreme Ehrgeiz auch etwas "Leisten" zu wollen. Ich war es satt zu "Ruhen" und zu "Leben".

Der Balanceakt ist sicher sehr wichtig. Ich wollte nun auf einmal zu schnell zu viel. Meine fortgeschrittene Semesterzahl mit weiteren tollen Praxiserfahrungen kaschieren. Ich denke die Bachelor/Master Umstellung hat das noch verschärft. Auf einmal heißt es schnell und effizient studieren für den Beruf. Akademische Freiheit war gestern. Ich wollte unbedingt mit 30 fertig sein! Familie und feste Strukturen, darauf habe ich hingearbeitet!

Der Plan ist leider nicht aufgegangen... Ich habe meine Freundin verloren, die mir soviel bedeutete... Irgendwie hasse ich mich dafür, dass ich nicht für mich erkannt habe, dass man vor dem Normen dieser Welt nicht davonlaufen kann. Dass man auch mit ihnen leben kann, ohne kaputt zu gehen. Nur ein lächerlicher Schein mehr pro Semester und ein paar Abende mit Freunden weniger. Ich wusste es nunmal nicht besser...

Ich will nicht jammern. Ich bin das so satt. Ich will das Studium beenden, so gut ich kann.

Ich weiß, dass ich viele Fehler gemacht habe und hoffe, dass es noch nicht für mich zu spät ist. Es tut nur so unendlich weh, zu wissen nicht der Mensch zu sein, der man glaubte sein zu können.

Ein bißchen mehr Gelassenheit? Woher nehmen, wenn nicht stehlen. Noch graust mir davor, aber danke Euch allen für Eure lieben Beiträge. Es tut so gut die Gedanken und Meinungen Dritter zu lesen. Die geben mir momentan massive Denkanstöße.

Lieben Gruß,

Seebi
 
Ich kann dir empfehlen es nicht zu tun. Fliegt das auf (und die Wahrscheinlichkeit liegt extrem hoch dank der Plagiatsprüfsoftware) dann bist du nicht nur deinen Abschluss los sondern auch deine Berufliche Zukunft. Denn jeder Arbeitgeber wird nachhaken, warum du ein Studium nach 6-8 Jahren ohne Abschluss verlassen hast.

Wenn du wirklich überhaupt null und nix Kraft für diese Arbeit aufbringen kannst, ist ein geordneter Studienabbruch und ehrlicher vermerk im Lebenslauf (persönliche Niederlage) noch die sinnvollste Lösung.
 

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