Kürzlich kam ein Kind, das ich nicht kannte, auf mich zu, während es seinen Vater in der Reha besuchte. Ich war gerade auf mein Handy fokussiert, und dennoch kam es zu mir und sagte: "Dann kann ich 3 Tage dich sehen," obwohl wir nur ein paar kurze Sätze ausgetauscht hatten. Diese Begegnung hat eine Reflexion in mir ausgelöst, da sie mich an ein Muster in meinem Leben erinnert hat: Menschen, vor allem Kinder, fühlen sich oft wohl in meiner Nähe, selbst wenn ich nicht aktiv mit ihnen interagiere. Es ließ mich darüber nachdenken, wie ich diese natürliche Fähigkeit habe, Menschen anzuziehen, ohne es bewusst zu tun – etwas, das ich in verschiedenen Situationen in meinem Leben erlebt habe.
Dies erinnerte mich auch an eine Situation in meiner letzten Reha. Ein Mitpatient kam zu mir, um zu fragen, wie ich mit meinen Problemen umgehe. Diese Situation verdeutlichte mir erneut, dass Menschen auf seltsame Weise zu mir kommen, selbst wenn ich mich nicht aktiv einbringe.
Diese Begegnungen führten mich zurück zu meinen Schulzeiten, wo ich oft zwischen verschiedenen sozialen Gruppen stand, die sich nicht verstanden. Trotzdem gelang es mir, tiefe Verbindungen mit Leuten aus beiden Gruppen aufzubauen. Das führte jedoch zu Spannungen, da viele versuchten, meine Freundschaften zu kontrollieren, was zu besitzergreifendem Verhalten und mangelndem Respekt gegenüber meinen Grenzen führte. Ich war oft in der Situation, dass Freunde aus verschiedenen Gruppen nicht wollten, dass ich mit den anderen Zeit verbringe, was Verwirrung und Schwierigkeiten verursachte, gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Damals fiel es mir schwer, Grenzen zu setzen, und ich fühlte mich oft überfordert. Letztendlich isolierte ich mich für sieben Jahre, um zu wachsen und zu lernen, was Selbstwert und gesunde Beziehungsdynamiken bedeuten. In dieser Zeit habe ich sowohl mich selbst als auch andere auf eine Weise schätzen gelernt, wie ich es zuvor nicht konnte. Heute verstehe ich, dass meine Fähigkeit, Menschen anzuziehen, auch wenn ich nicht aktiv versuche, mit ihnen in Kontakt zu treten, eine Stärke ist. Allerdings erfordert sie starke Grenzen, um ein Gleichgewicht zu halten.
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Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, wie wichtig es ist, einen Filter zu entwickeln, der mir hilft, meine eigenen Emotionen von den intensiven Projektionen anderer zu unterscheiden. Dieser Filter ist entscheidend geworden, um meine emotionalen Grenzen zu wahren, insbesondere in herausfordernden Beziehungen.
Ich habe emotionale Dynamiken erlebt, die meine Fähigkeit, mein Selbstgefühl zu bewahren, auf die Probe stellten. Zum Beispiel brachten Beziehungen zu einer Person mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und einem Freund mit Schizophrenie einzigartige Herausforderungen mit sich. Ihre intensiven Emotionen und häufigen Projektionen waren oft überwältigend und ließen mich emotional ausgelaugt zurück. Diese Dynamiken forderten von mir, das weise Ratschlag meines ersten Therapeuten zu befolgen: "passt auf, dass ihr euch die Probleme anderer nicht zu eigen macht" – eine Erinnerung daran, nicht die Kämpfe oder die emotionale Last anderer als meine eigene zu übernehmen.
Durch jahrelange Therapie und persönliche Reflexion habe ich gelernt, dass diese Beziehungen zwar wichtig und bedeutungsvoll waren, ich jedoch klare Grenzen setzen musste, um mein emotionales Wohlbefinden zu schützen. Ohne diese Grenzen hätte ich mich in der emotionalen Intensität anderer verloren – ein Muster, das ich hart daran gearbeitet habe, zu überwinden. Ich gehe jetzt mit einer emotionalen Resilienz an Beziehungen heran, in dem Bewusstsein, dass ich für andere da sein kann, ohne ihre Lasten als meine eigenen zu übernehmen.
Ein entscheidender Moment, der meine Perspektive geprägt hat, war meine Teilnahme an Online-Selbsthilfe-Foren für Hochsensible Personen (HSPs) und Introvertierte. Ich bemerkte, dass viele Menschen in ihren Problemen feststeckten und Labels wie HSP oder Introvertiertheit als Grund dafür nutzten, Veränderungen zu vermeiden. Sie zögerten, sich auf etwas so Einfaches wie Smalltalk einzulassen, weil sie ihn als Hindernis für tiefere Verbindungen betrachteten. Für mich war diese Erfahrung jedoch erhellend. Ich erkannte, dass diese Labels zwar hilfreich sind, um sich selbst zu verstehen, uns aber auch einschränken können, wenn wir uns zu sehr von ihnen definieren lassen.
Ein persönlicher Wendepunkt ereignete sich, als ich einen Freund im Gefängnis besuchte und ein Gespräch mit einem Vater begann, der seinen Sohn besuchen wollte. Wir kamen über eine einfache Diskussion über argentinisches Essen ins Gespräch, was mir zeigte, dass selbst Smalltalk zu tiefen menschlichen Verbindungen führen kann. Diese Erfahrung lehrte mich, dass das Verlassen meiner Komfortzone Türen zu bedeutungsvollen Interaktionen öffnen kann.
Seitdem habe ich meine Sicht auf Labels verändert. Während ich introvertierte Tendenzen habe, lasse ich das nicht mehr meine Interaktionen bestimmen oder einschränken. Ich kann in sozialen Situationen auch ambivertiert sein, wenn es die Situation erfordert. Diese Anpassungsfähigkeit hat mir emotional und sozial geholfen zu wachsen und gesunde Beziehungen aufzubauen, ohne mich darin zu verlieren.
Im Wesentlichen geht es bei meiner Reise darum, ein Gleichgewicht zu finden – Grenzen zu setzen, während ich dennoch in der Lage bin, bedeutungsvolle und authentische Verbindungen aufzubauen. Ich habe gelernt, dass es möglich ist, sich tief zu verbinden, ohne die Negativität anderer zu absorbieren oder sich von Beziehungen emotional auszulaugen. Meine Fähigkeit, unnötige emotionale Lasten zu filtern, war der Schlüssel, um meine emotionale Integrität zu bewahren.