Liebe Gemeinde,
ich muss mich hier mal auskotzen, tut mir schon mal vorab leid.
Arbeite in der (Baustellen) Logistik und bin beruflich auf meinen PKW Führerschein angewiesen.
Ich fahre seit 28 Jahren unfallfrei, mein letzter Punkt ist nach meinen Aufzeichnungen ca. 20 Jahre her.
Seitdem bin ich nie mehr mit der STVO in Konflikt gekommen, da ich auf ca. 600km Wegstrecke von
Süd- nach Nord oder West- nach Ostdeutschland an im Schnitt 30 Radarfallen vorbei komme,
passe ich immer besonders gut auf. Alkohol und Auto sowieso nie. Niemals. Dass 80% der Radarfallen
reine Abzocke sind – ok ein anderes Thema. Mit Gefahrenvermeidung hat das überhaupt nichts mehr
zu tun. Wie gesagt, anderes Thema.
Meine Jahresfahrleistung aktuell zwischen 60.000 und 80.000km p.a. mit dem Auto.
Es kam wie es kommen musste. Anfang März 2023, war mal wieder ein 16 Stunden Tag,
wurde ich um 00:45 Uhr Morgens auf der Autobahn im Baustellenbereich geblitzt.
Es war Regen, stockfinster und auf der A3 standen zu dem Zeitpunkt so viele Schilder in der Baustelle,
dass ich schon gar nicht mehr wusste was noch gilt, auch die Anzeige für das adaptive
Fahren hat total gesponnen, kam wohl mit den vielen Schildern nicht klar und gab keinen Hinweis.
Ich sah auf dem Digitaltacho des Leihwagens (meiner war in der Werkstatt), Audi Q2 –
ca. 87 km/h, vielleicht auch 85km/h, es war Nachts, ich war tot müde, aber sehr deutlich
unter(!) 100km/h. Erlaubt waren 80 km/h.
Der Brief kam – nach Toleranz 137km/h. Das Foto relativ unscharf, aber ich war der Einzigste
der das Auto entliehen hat.
1 Monat Fahrverbot und um die 300 EUR Geldstrafe. Ich habe gedacht, mich trifft der Schlag.
Nicht wegen des Geldes, sondern wegen des Fahrverbots.
Dieses Messergebnis kann NICHT stimmen. Absolut unmöglich. Es sei denn, der
Tacho war falsch. Demzufolge war ich 57km/h, mit Messtoleranz 60km/h zu schnell.
Niemals, das kann nicht sein. Es muss sich um einen Messfehler handeln.
Ich also zum Anwalt, habe eine Rechtschutz, dieser Widerspruch eingelegt, es kam raus,
dass dieses Gerät die physikalischen Messdaten, die ein Gutachter benötigt
löscht, d.h. ich (bzw. der Gutachter) kann hier technisch nicht mehr das Gegenteil
beweisen. Es handelt sich um den Radartyp Typ „Einseitensensor eso ES 8.0“
Der Anwalt meinte er hat einige solcher Fälle, die Gerichte sind so überlastet, dass
sie in aller Regel den Kommunen recht geben. Bei diesem Gerät langt
ein Bedienfehler, eine falsche Eichung oder der Aufstellwinkel usw. um 1 Grad(!) falsch
und die Messergebnisse sind alle falsch. Aber die Gerichte interessiert dies offenbar nicht.
Der Anwaltsverband fordert teils die Abschaffung dieses Gerätes wegen auffällig
vieler unerklärlicher Messfehler.
Also habe ich meinen Mut zusammen gefasst und die Geschichte meinem Chef erzählt.
Er war extrem sauer und ungehalten, hat mich angeschrien und meinte ohne Führerschein
kann er mich nicht mehr einsetzen. Ich solle bitte zur Zeit der Abgabe des Führerscheins
meinen gesamten Jahresurlaub nehmen. Hier wiederum meinte der Anwalt, wird aber der
Gesetzgeber nicht mit spielen, da sich dies wohl nicht verhandeln lässt. Früher konnte man das
raus zögern, heute nicht mehr.
Ich bin völlig verzweifelt. Mir wird technisch eine Strafe angehängt, die ich faktisch nicht begangen
habe und keiner mehr das Gegenteil beweisen kann.
Ja, ich bin zu schnell gefahren. JA! Aber keine 60km/h. Es ist der erste Strafzettel nach 20 Jahren.
Nie im Leben bin ich 60km/h zu schnell gefahren.
Mein Anwalt versucht nun diese Strafe der Führerscheinabgabe in Sozialstunden (Abends/Nachts)
umzuwandeln, falls eine höhere Geldstrafe nicht genehmigt wird.
Was mich aber voll aus der Bahn geworfen hat ist das Verhalten meines Chefs.
Ich bin seit 14 Jahren in der Firma, seit 3 Jahren in dieser Abteilung und habe mir
noch nie irgendetwas zu Schulden kommen lassen. Ich mache jeden Tag treu und
brav meinen Job, gebe jeden Tag mein Bestes. Hatte noch nie Kritik (aber auch kein Lob).
Man muss aber dazu sagen, bei uns in der Firma gilt die Devise: Keine Kritik ist Lob genug.
Ich ärger mich jetzt über mich selber, dass ich hier ehrlich das Gespräch gesucht habe.
Ich hätte den Führerschein abgeben sollen und mich für diese 4 Wochen irgendwie
krank schreiben lassen sollen. Dann wäre es keinem Menschen aufgefallen.
Ich habe aber auch nicht mit solch einer Reaktion des Chefs gerechnet muss ich ehrlich gestehen.
Nicht nur dass ich diesen Verstoß definitiv nicht begangen habe, der Gutachter nicht mehr
das Gegenteil beweisen kann, nein, ich muss jetzt auch noch Urlaub nehmen zu
einer Zeit wo ich gar keinen Urlaub nehmen möchte.
Ich weiß überhaupt nicht wie ich das meinem Kind erklären soll, dass wir
nicht im August in den Urlaub fahren können, da ich dann keinen
Urlaub mehr habe, da ich diesen ja für diesen scheiss Füherscheinentzug
verbraten habe, wo ich nicht mal dran Schuld bin. Ja, ich bin Schuld am
zu schnellen fahren, aber definitiv NICHT so schnell.
Ich traue mir auch zu, dass ich bei meiner Jahresfahrleistung Geschwindigkeiten
gut einschätzen kann und ich kann 85km/h von fast 140km/h wohl unterscheiden.
Ich bin an einem Punkt, ganz ehrlich, am liebsten würde ich mich kündigen lassen,
Bürgergeld und alles hin werfen. Sollen sie mich alle mal am A… lecken.
Der Chef und vor allem dieser schreiss drecks Staat. Diese Abzocke, diese Ungerechtigkeit.
Hocken in ihren Messautos und reiben sich die Händchen wenn einer wie ich,
der sein Geld „auf der Straße“ verdient in eine Falle tappt und sie wieder
einen, der beruflich auf seinen Schein angewiesen ist, abziehen können.
In diesem „Schilderwald“ auf der Baustelle, wo bald keine Sau mehr weiß
welche Geschwindigkeit überhaupt noch gilt. Hier prädestiniert
die A3, die A7 ganz extrem schlimm die A45 mit den Brückensanierungen.
80 / 100 / 60 / 80 / 120 / 100 / 60 – alles teils binnen 10km.
JA, ich bin zu schnell gefahren. JA! Gebe ich zu! Aber niemals 60km/h zu schnell.
Never ever, das kann einfach nicht stimmen.
Ich hoffe dass ich anstelle der Abgabe des Führerscheins Abends/Nachts
Sozialstunden ableisten kann.
Sorry, ich musste das jetzt einfach mal los werden. Wenn ich privat so schnell
gefahren wäre, ok. selber Schuld. Aber das war rein beruflich, da ich nur
noch von Termin zu Termin hetze. Und selbst da stimmt die Messung nicht.
Mich fuckt dieses Leben mit der vielen Fahrerei und diesen endlos vielen Blitzern nur noch an,
dass ich schon gar keine Motivation mehr habe ins Auto zu steigen. Mittlerweile bin ich so weit,
dass es gerade recht wäre, wenn man mich kündigen würde, so hab ich die Schnauze
gestrichen voll Oberkante Unterlippe. Aber sowas von, ich kann es gar nicht in Worte
fassen.
Danke fürs Zuhören!
Gruß
Hannes