Liebe TE,
ich glaube dir, dass du dich wirklich schlecht fühlst und von Schuldgefühlen und Reue heimgesucht wirst. Und ich glaube dir auch, dass du gerne alles wieder gut machen würdest. Deshalb will ich jetzt nicht nochmal wiederholen, dass du die Verantwortung für dich selber und dein Handeln übernehmen musst. Denn das weißt du ja alles schon längst, genauso wie du eigentlich vermutlich weißt, was die wichtigen nächsten Schritte sind. Oder? Was würdest du denn jemandem raten, der mit diesem Problem zu dir kommen würde? Vermutlich doch dasselbe, wie das, was die anderen User dir hier geraten haben.
Ich kann auch echt verstehen, wie es ist, wenn man das Gefühl hat, man schafft alleine überhaupt nichts und so dringend jemanden bräuchte, der einen an die Hand nimmt und alles mit macht. Deshalb will ich dir drei Möglichkeiten aufzeigen:
Nr. 1 wäre, dass du dich erstmal nur einer Person anvertraust. Deiner Tochter, oder einem deiner Brüder, oder einem guten Freund. Du könntest dann ganz ehrlich sagen, dass du bei den ersten Schritte Hilfe brauchst und die Person bitten, den anderen nichts davon zu sagen. Dann solltest du mit der Person zusammen einen Plan ausarbeiten und auch schon festlegen, wann du den anderen etwas sagst. Beispielsweise wenn du eine Therapie angefangen hast, oder dich in den 10 Spielhallen in deiner Nähe hast sperren lassen, etc. Vielleicht fällt es dir nach einem ersten Erfolg leichter, deine Fehler zuzugeben.
Möglichkeit Nr. 2 ist, dass du zu einer Erstberatungsstelle gehst. Ich weiß, dass für eine Therapie lange Wartezeiten gelten - so wie ich das verstanden habe, bist du ja schon auf einer Warteliste, richtig? Aber es gibt ja auch Beratungsstellen, entweder allgemein psychologische, oder welche extra für Spielsucht, bei denen man einfach mal hingehen kann. Andernfalls evtl. auch in einer Kirche oder sonstigen Seelsorge. Die Personen dort können dann die nächsten Schritte nicht mit dir zusammen gehen, das ist klar. Aber vielleicht können sie dir ein wenig freundliche Zuwendung geben und dir Mut zusprechen.
Möglichkeit Nr. 3 ist das, was auch Werner schon angesprochen hat, dass du dich auf den Weg begibst, selber die Unterstützungsperson für dich zu werden, die du dir so dringend wünschst. Ich selber mache das bei mir auch, und es ist ein ziemlich langer Weg, kann ich dir sagen. Aber Selbstfürsorge hat etwas sehr befreiendes, denn es macht unabhängig von anderen Menschen. Fang ruhig damit an, dass du dich selber als losgelöst von dir betrachtest. Rede mit dir, wie du mit einem lieben Freund reden würdest. Hab Verständnis für dich, gib dir Tipps. Versuch wieder, dich selber lieb zu haben. Das ist sowieso eine gute Idee, egal wie dein Weg weitergehen wird.
Und schlussendlich möchte ich dir noch etwas sagen, das dir vielleicht etwas Mut machen wird. Ich glaube, du hast unglaubliche Schuldgefühle und denkst, dass die Menschen in deinem Umfeld dich unmöglich weiter lieb haben können, wenn sie erfahren, was du getan hast. Dass sie fortan nur noch mit Verachtung auf dich herabschauen werden. Ist das so? Wenn ja, dann erlaube dir auch mal, eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Wenn z.B. mein Bruder so viel Geld von mir verspielt hätte, und dann würde er es mir gestehen, dann würde ich ihn deshalb noch lange nicht verachten. Ich wäre natürlich schon enttäuscht. Aber hauptsächlich wäre es schockierend, zu erfahren, dass er schon 5 Jahre lang unter dieser Sucht leidet, dass ich nie etwas davon gemerkt habe und dass es ihm mittlerweile so schlecht geht. Unabhängig von meinem eigenen Schaden hätte ich auch Mitgefühl mit ihm und würde wollen, dass es ihm besser geht. Es würde mir überhaupt nicht nur darum gehen, mein Geld wiederzubekommen. Ich würde auch nicht von ihm erwarten, dass er zwei Jobs macht und sich nur noch von trockenem Brot ernährt, bis er meine Schulden zurückgezahlt hat. Im Gegenteil. Ich würde wollen, dass er weiterhin ein gutes Leben hat, es würde mir reichen, wenn er mir regelmäßig einen kleinen Betrag zurückzahlen würde, sodass ich sehe, dass es ihm ernst ist. Das hilft ja auch schon etwas, auch wenn es nur kleine Beträge sind. Es gibt ja nicht nur 20'000 Euro Schulden und gar keine Schulden. 17'000 sind schonmal besser als 20'000!
Und natürlich würde ich vor allem wollen, dass er sich Hilfe sucht und sich bemüht. Und ich wäre dann auch sehr gerne bereit, mit ihm die Schritte zu gehen und ihn abends "zu unterhalten", damit er keine Zeit zum spielen hat, etc.
Ich denke, so eine Aussprache kann eine beruhigende Wirkung haben. Stell dir vor, wie erleichternd das sein wird, wenn alle Bescheid wissen. Wenn du jederzeit anrufen kannst und weißt, dass die Leute von deinen Sorgen wissen und dass sie dir helfen werden. Deshalb, hab nicht so viel Angst davor. Ich denke, du stellst es dir schlimmer vor, als es ist. Selbst im allerschlimmsten Fall, wenn sie wirklich so enttäuscht sind von dir, dass sie ALLE nichts mehr von dir wissen wollen, selbst dann hast du etwas dazu gewonnen, nämlich den Respekt vor dir selber. Das Wissen, dass du etwas schwieriges geschafft hast und jetzt anfangen kannst, deine Fehler gerade zu biegen.