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Wie schaffe ich es, meine Gefühle für einen alten Mann abzustellen?

L

Lohntsich

Gast
Ja, danke, hab meinen Weg und etwas gefunden , mit dem mich zufrieden bin.
War aber erst möglich als ich in der Reha sagte, das geht so nicht mehr, das kann ich nicht machen diese Arbeit.
Das wollten die hören, da konnten die was für mich tun, denn die entscheiden nicht über deinen Kopf hinweg.
Willst du weiter machen im alten Beruf, stellen die einen wieder auf die Beine, nur, für wie lange.
Du solltest also für dich eine Entscheidung treffen, sei ehrlich mit dir selbst.
Möglichst bald, damit es nicht so endet wie bei mir.
Hätte ich das eher gewusst, was für Möglichkeiten, Unterstützung es noch gab für mich, wäre mir viel Leid erspart geblieben.
Arbeite nun Halbtags in einem andern Bereich und Beruf mit Teilrente.
 
A

Aljona

Gast
Hallo ihr,

ich muss mir noch mal etwas von der Seele schreiben.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil mir erst jetzt so richtig bewusst geworden ist, dass ich zu dem alten Herrn viel mehr Distanz hätte einhalten müssen. Die einzige Rechtfertigung, die ich habe, ist, dass ich längere Zeit nicht wusste, dass seine Demenz schon so fortgeschritten ist.

Ich bin nicht einmal sicher, ob ich wirklich Gefühle für ihn entwickelt habe oder nur empfänglich war für seine lieben Worte, weil ich in dem Job inzwischen so unglücklich bin.
Denn diesen Thread habe ich an dem Tag eröffnet, als mich meine Chefin mit dem Spruch, ob ich in den letzten Monaten überhaupt da gewesen sei, verunsichert hat. Das war der Moment, wo ich zum ersten Mal ganz deutlich den Eindruck hatte, dass sie an einer weiteren Zusammenarbeit sicherlich nicht interessiert ist.

Gestern habe ich im Computer eine Dokumentation zu dem alten Herrn gelesen, nachdem ein Neurologe mit ihm gesprochen hatte. Laut Neurologe hat er den Tod seiner Frau nicht verkraftet und bildet sich deswegen ein, dass sie noch lebt. Das sei auch auf den christlichen Glauben zurückzuführen. So etwas würde sich in den meisten Fällen wieder geben.
Kein Wort von Demenz!

Ich kann das nicht verstehen, denn heute habe ich ihn genauso verwirrt angetroffen.

Heute Morgen erwartete er mich schon ganz unruhig wegen eines Schreibens von seiner Bank. Er habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil er die Bankkarte von seiner Frau suche. Er befürchtete, dass eine unbefugte Person die Karte missbrauchen könnte.
Auf dem Schreiben war vermerkt, dass sich seine Betreuerin darum gekümmert hat. Ich habe es ihm erklärt, aber er wollte mir nicht glauben. Er telefonierte daraufhin mit der Bank, wo man ihn beruhigte. Kurz danach rief seine Tochter an und er sagte ihr, dass ich gerade bei ihm sei. Dann wollte er, dass ich mit ihr spreche. Seine Tochter wirkte sehr reserviert und wollte wissen, welche Funktion ich habe. Sie meinte, dass ihr Vater sich in dem Doppelzimmer nicht wohl fühle und ich habe geantwortet, dass ich wisse, wie sehr ihn die Siuation belaste. Doch ich kann nun mal den Umzug in ein Einzelzimmer nicht beschleunigen. Sie fragte mich, ob ich ihren Vater oft besuche. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihn fast täglich besuche, was untertrieben ist.

Ich hoffe, seine Tochter ist nicht misstrauisch, weil ich mich so viel um ihn kümmere.

Jedenfalls war der alte Herr heute total verwirrt.
Nach dem Telefonat sagte er, dass er sich keine Vorwürfe machen müsse wegen dem, was zwischen uns passiert sei. Er sei nicht betrunken gewesen und seine Frau könne ihm ja nun auch nichts mehr vorwerfen. Ich war irritiert und antwortete ihm, dass wir uns doch die ganze Zeit nur unterhalten haben. Er aber "erinnert" sich an mehr. Er meinte, er könne auch verstehen, wenn die Anderen nicht mitbekommen sollen, was zwischen uns ist.

Dann war er aber in Gedanken wieder bei seiner Frau und erzählte, wie sie sich kennengelernt haben. Er fing an zu weinen, weil ihm in dem Moment bewusst war, dass sie nicht wiederkommt. Im nächsten Augenblick gestand er, sich zu schämen, wenn er seine Gefühle zeigt.

Ich weiß schon nicht mehr, wie ich ihn trösten kann. Gestern habe ich hilflos gesagt, dass er auch dankbar sein müsse für die vielen glücklichen Jahre, die sie gehabt haben.

Es ist spät, aber ich muss es spätestens jetzt schaffen, mehr auf Distanz zu gehen.

@ Berdine

Es fällt mir schwer, Probleme mit Bewohnern an die Pflegekräfte abzugeben. Man hat mir schon desöfteren das Gefühl vermittelt, dass ich zu unselbständig bin. Ich möchte damit nicht allzu oft negativ auffallen.

Was die App betrifft, klar, ich könnte eine Kollegin fragen, wie ich die runterladen kann. Es scheint sich nämlich um eine firmeninterne App zu handeln und nicht um irgendeine allgemeine, die man sich aus dem Internet runterladen kann.

Ich bin froh, wenn ich nächste Woche das Gespräch mit meiner Chefin suchen kann.

@ Lohntsich

Danke für deinen Rat.

Ja, es ist an der Zeit, ehrlich mit mir zu sein und eine Entscheidung zu treffen.
So schwer es auch ist, muss ich beruflich wohl eine andere Richtung einschlagen.

Ich glaube, ich wollte mir nie eingestehen, was für Andere offensichtlich war.
Wie ich schon geschrieben habe, hat eine Dozentin in meiner Weiterbildung zur Betreuungskraft mich als ungeeignet für den Job angesehen.

Als ich vor vielen Jahren mit einem Bekannten darüber gesprochen habe, in den sozialen Bereich wechseln zu wollen, um Menschen zu helfen, hat er mir sofort davon abgeraten. Seiner Meinung nach sei ich zu sensibel und würde die Schicksale der hilfsbedürftigen Menschen mit nach Hause nehmen.
Wie man sieht, hat er recht behalten!
 
G

Gelöscht 116444

Gast
Hallo Aljona,

ich lese schon ein Weilchen hier mit und hab mich jetzt angemeldet, um dir direkt antworten zu können. Denn es tut weh, wie du dich quälst. Du siehst einen netten umgänglichen Herrn und verstehst nicht, dass seine Demenz im Vordergrund steht, nicht eine freie Entscheidung eines lieben alten galanten Herrn, mit dir Kontakt zu suchen. Laut deinen Berichten klammert er sich doch an jeden, der ihm gut zuredet und ihn bestätigt. Ja, die Frau war beim Essen dabei etc. Das will er verzweifelt hören, obwohl er selbst weiß, dass es nicht stimmt, glaub mir. Denn dann wäre die Frau ja da, wo sie die letzten Jahre des Ehelebens eben war, an seiner Seite, und nicht plötzlich praktisch unsichtbar und auf der Flucht. Und das verwirrt ihn wiederum noch mehr, wenn A das sagt, B das und C von gar nichts weiß und schnell davonhuscht.

Was ich sagen will ist, dass ein Demenzkranker auch ein Stückweit nur versucht, sein Leben wieder zusammenzukriegen und fragt und fragt und fragt. Ich finde es nicht hilfreich, jede Diskussion und Erklärung zu vermeiden und zu sagen, was er hören will und jeder erzählt was anders, damit Ruhe herrscht.

Meine Mutter zum Beispiel hat mir während ihres Heimaufenthalts bei jedem verdammten Treffen Löcher in den Bauch gefragt, was ihre verstorbenen Verwandten machen. Sie fragte ausnahmslos nur nach den Verstorbenen, nicht nach den Lebenden. Die waren keines Gesprächs wert. Ich habe es ihr gesagt, während mein Bruder meist nur sagte, denen geht es allen gut, die lassen grüßen usw. Denn dann lautet die logische nächste Frage: Wann kommen die mich denn mal besuchen? Muss der Papa (seit 55 Jahren tot) immer noch so schwer arbeiten? Und das kam, so verwirrt war sie nie bis zu ihrem Tod. Für mich war das auch ein Stückweit Ernstnehmen der Person. Nicht Validation, wie mir auch geraten wurde = "Heiii, da geht es dir bestimmt ganz schlecht damit, dass du das nicht weißt, da bist du bestimmt ganz traurig und es verwirrt dich, komm wir machen einen schönen Spaziergang..." Das macht mich nur wütend. Wenn gefragt wird, sollten Antworten kommen, auch wenn dieselben Fragen nach 10 Minuten wieder kommen. Dass meine Mutter mich immer wieder fragte und meinen Bruder irgendwann nicht mehr, bestätigt mich eigentlich nur darin. Denn ich habe ihr dann davon erzählt.

Ich bin kein Demenzprofi, sondern ich habe nur bis zu ihrem Tod versucht, meine demente Mutter zu versorgen, die letzten anderthalb Jahre lebte sie im Heim, denn es war schlicht zuhause nicht mehr möglich. Aber glaub mir, sehr viele Menschen waren arg erstaunt, als ich ihnen sagte, sie ist wegen Demenz im Heim. Sogar Hilfskräfte dort haben das abgetan und behauptet, doch ganz normal mit ihr kommunizieren zu können. Ja,soweit ich das mit meiner Mutter erlebt habe, halten sich Demenzkranke sehr lange an eingefahrenen Verhaltensweisen und Strukturen fest und bauen eine regelrechte Fassade auf. Ich hab es bei meiner Mutter immer ihr Pokerface genannt. Es fielen gewohnte Sätze in gewohnten Situationen, sie konnte Witzchen machen und es klang alles ganz normal und stimmig. Aber die Inhalte wurden geschüttelt und gerührt und passten vorne und hinten nicht zur wirklichen Situation. Das merkt man wirklich nur, wenn man denjenigen und seine Geschichte eben kennt. Draußen auf der Straße war sie gut gekleidet und plauderte locker mit den Nachbarn - drinnen stand das Essen auf Rädern in der Küche, das sie regelmäßig vergaß zu essen und immer dünner wurde. "Aber ja, ich koche mir immer noch selbst, ein paar Kartöffelchen..." Eingekauft hat sie seit einem Jahr nicht mehr, sondern nur noch kaltes Essen aus dem Kühlschrank genommen und jeden Tag kam die Essenslieferung.


Aber ich schweife ab. Ich möchte dir eigentlich nur sagen, dass du unbedingt jetzt, nachdem du alles realisierst, sehr klar professionelle Distanz zu dem alten Herrn einhalten musst. Es fällt den Kollegen auf, dass du sehr oft zu ihm Kontakt hast, ihn leicht bevorzugst, ihm gefällig bist, weil du ihn magst. Und du stellst eine Beziehung her, die der alte Herr in seiner Einsamkeit natürlich genießt und forciert. Nun telefonierst du mit dem alten Herrn gemeinsam mit seiner Bank wegen einer EC-Karte. Vermutlich wird - wenn Demenz und daraufhin auch ein entsprechender Pflegegrad vorliegt und er nicht von selbst mit einem Köfferchen ins Heim umgezogen ist - doch die Tochter eine Bankvollmacht und vermutlich auch die gesetzliche Betreuung oder zumindest eine umfangreiche Vollmacht haben und von Merkwürdigkeiten dieser Art durch die Bank informiert (die wissen, wenn ein Betreuer da ist und reagieren zum Glück meist sehr aufmerksam). Rat mal, auf welche Gedanken die Tochter da kommt und dich hinterfragt, welche Funktion du eigentlich ausübst. So mancher ältere Mensch kommt nämlich auch auf die Idee, mit Geld ein wenig nachzuhelfen, damit die Leute etwas mehr Zeit opfern.


Aljona, auch wenn du noch nicht weißt, ob deine Stelle verlängert wirst, solltest du die Zeit jetzt aktiv nutzen, um dir Gedanken über deine berufliche Zukunft zu machen. Dasselbe in einem anderen Heim? Oder du siehst dich um, was dir mehr liegt und bewirbst dich aus deiner jetzigen Position aktiv raus. Auch wenn du die Verlängerung bekommst, sieht es nicht so aus, als wärst du da wirklich gut aufgehoben. Ich weiß nicht, wie alt du bist, aber womöglich sind es noch sehr viele Jahre bis zur Rente, wo du gucken musst, was DIR mehr liegt.

Ich wünsch dir viel Glück!
 
A

Aljona

Gast
Nachdem ich nun einige Tage wieder gehadert, mich rumgequält habe und traurig war, möchte ich doch mal wieder eine Rückmeldung geben.

@ Hexenluder

Danke, dass du dich hier angemeldet hast und mir gleich so einen ausführlichen und hilfreichen Beitrag geschrieben hast!

Ich fand die Geschichte von deiner dementen Mutter übrigens rührend.
Ja, es ist so, dass die betroffenen Menschen oft lange leugnen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Ich glaube, sie möchte nicht nur anderen gegenüber den Schein wahren, sondern gestehen es sich selbst auch erst spät ein, dass sich tatsächlich etwas verändert hat und sie ihren Alltag allein nicht mehr bewältigen können.

Validation ist gut und schön. Doch ich finde es gut, wie du mit deiner Mutter umgegangen bist. Gut ist es natürlich nur, wenn alle im sozialen Umfeld an einem Strang ziehen und nicht der Eine vom Tod des Partners spricht, während der Andere sagt, derjenige sei nur im Krankenhaus oder dergleichen.

Ich bin dir dankbar, dass du es mir so klar vor Augen geführt hast.
Ich habe versucht, mir einzureden, dass der alte Herr tatsächlich Interesse an mir als Frau hat und habe nicht bedacht, dass er sich an jeden klammert, der ihm gut zuredet.
Mir ist ja auch monatelang gar nicht aufgefallen, dass er schon so dement ist, sondern ich habe ihn nur für "tüddelig" gehalten. Wie es bei deiner Mutter der Fall war, kann er zu einem großen Teil noch so kommunizieren, dass es Außenstehenden kaum auffällt, dass einiges nicht zusammenpasst.

Ich bemühe mich seit einer Woche sehr um eine professionelle Distanz. Doch es fällt mir schwer. Ich versuche nach wie vor, mich gut auf die anderen Bewohner einzustellen und mitzufühlen, wenn es ihnen schlecht geht. Wenn ich den alten Herrn aber in seinem Zimmer besuche, kann ich mich kaum von ihm losreißen.

Er klammert sich an mich und das macht es so schwer für mich, Distanz zu wahren. Heute hat er auch wieder gesagt, dass es ihn störe, dass ich ihn immer noch sieze. Ich habe ihm wieder klar gemacht, dass ich ihn nicht duzen darf. Auch hat er mich schon einige Male um meine private Telefonnummer gebeten. Er meinte, da ich doch allein lebe, dürfe das kein Problem sein. Wenn es ihm schlecht gehe, wolle er mich infomieren. Auch da musste ich ihm noch mal klar machen, dass das Personal Bewohnern keine privaten Telefonnummern geben darf.
Als ich ging, sagte er, dass ICH ihn nicht brauche, ER mich aber sehr. Natürlich hätte ich ihn da gern mal in den Arm genommen, ich habe es mir aber verkniffen.

Im wahrsten Sinne des Wortes war es heute süß, als wir in seinem Zimmer saßen und er ein Päckchen von Angehörigen auspackte. Es enthielt einige Süßwaren. Er wollte alles öffnen, um mich probieren zu lassen. Beim weiteren Öffnen fragte er, ob er mich noch mal verführen dürfe.
Na ja, beim Verführen handelte es sich ja nur um das Probieren von Marzipan und Keksen. ;-)

Da Kolleginnen ihn auch immer wieder auf den Tod seiner Frau hinweisen, wenn er nach ihr fragt, bleibe ich jetzt auch bei der Wahrheit. Er ist dann zwar einen kurzen Moment wieder traurig, aber das ist wohl besser als den armen Kerl ständig zu verunsichern.

Ich gebe zu, ich habe in den vergangenen Tagen auch wieder geweint, weil ich den Job im Grunde nicht verlieren möchte. Ich fühle mich, als wenn dann ab Februar ein Fall ins Bodenlose droht, wenn ich wieder ohne den Arbeitsplatz dastehe, nach dem ich so lange gesucht habe.

Ich bin nicht mehr ganz jung, bin Mitte 40. Was aber bedeutet, dass ich noch 20 Jahre arbeiten müsste. Leider habe ich überhaupt keine Ahnung, welcher Beruf mir mehr liegen könnte.

@ Berdine

Ich weiß, dass ich zu sensibel bin und mir vieles zu sehr zu Herzen nehme.
Die Aussagen meiner Chefin haben mich insofern schwer getroffen, weil ich sie als Zeichen gewertet habe, dass sie mich auf jeden Fall loswerden möchte. Inzwischen kann ich ihr das auch nicht mehr verübeln.

Ich glaube auch, dass es das Beste für mich wäre, wenn man sich von mir trennt. Von mir aus kündigen könnte ich im Falle einer Weiterbeschäftigung nur, wenn ich einen neuen Job hätte. Nur weiß ich eben zur Zeit nicht, wo die Reise hingehen soll.
Auch wenn ich in den letzten Tagen wieder sehr traurig war, so habe ich doch irgendwie Fluchtgedanken und wünsche mir, anderswo einen Neuanfang machen zu können. Denn die Erkenntnis, dass es in diesem Heim nichts mehr wird, hat sich bei mir verfestigt.

Ich hatte mir fest vorgenommen, meine Chefin anzusprechen, ob eine Entscheidung getroffen worden ist. Doch letzte Woche hatte sie Urlaub und diese Woche ist sie krankgeschrieben.

Heute begegnete ich auf dem Gang der Heimleiterin. Sie fragte mich, ob meine Vorgesetzte schon mit mir gesprochen habe. Ich verneinte und sie bat mich in ihr Büro. Sie sagte, sie wolle zwecks Gespräch einen Termin mit mir vereinbaren. Es sei fraglich, ob meine Vorgesetzte nächste Woche wieder im Dienst sein würde.
Sie guckte in ihrem Computer nach, wann ihren Worten nach "die Meldung rausgegangen sein muss". Ich traute mich nicht zu fragen, wie denn entschieden worden ist. Ich habe jetzt einen Termin bei ihr für kommenden Mittwoch.

Die Heimleiterin hatte so einen ernsten Gesichtsausdruck und vielleicht interpretiere ich da zu viel rein. Aber hätte sie sich nicht anders geäußert, wenn mich eine positive Nachricht erwarten würde? Etwa in der Art "Hat man Ihnen schon gesagt, dass Sie einen unbefristeten Vertrag bekommen? Ich benötige noch eine Unterschrift von Ihnen".

Jetzt muss ich halt noch fünf Tage mit der Ungewissheit leben. Doch ich habe mir fest vorgenommen, nicht zu verzweifeln, wenn ich eine negative Nachricht bekomme. Vielleicht steckt darin ja auch eine Chance für mich.
 
D

dagmar012

Gast
Warum hast du die Heimleitung nicht gefragt.

Du hast doch schon in ihrem Büro gesessen.

Was hast du vor, wenn du nicht übernommen wirst?
 
A

Aljona

Gast
Wie ich bereits geschrieben habe, hatte ich gestern einfach nicht den Mut, die Heimleiterin zu fragen, welche Entscheidung getroffen worden ist. Ich dachte mir, dass es unpassend gewesen wäre, weil wir ja dafür einen Gesprächstermin vereinbart haben.

Möglicherweise interpretiere ich in vieles zu viel hinein, aber in diesem Fall bin ich sicher, dass ich richtig liege. Bevor man einen Festvertrag bekommt, muss man einen sogenannten "Vorvertrag" unterschreiben. Würde es also auf eine Entfristung hinauslaufen, hätte mir die Heimleitung diesen schon vorlegen können. Schließlich wusste sie vor dem gestrigen Tag schon von der Entscheidung meiner Vorgesetzten.

Heute bin ich leider wieder negativ aufgefallen. Ich war sehr darauf konzentriert, mehrere Bewohner zu besuchen und mich von dem alten Herrn fernzuhalten.
Ich saß dann mit zwei Bewohnerinnen im Aufenthaltsraum und machte ein Ratespiel mit ihnen. Plötzlich sah ich die Heimleiterin im Aufenthaltsraum, die mir statt einer Begrüßung einen seltsamen Blick zuwarf. In dem Moment fiel mir siedend heiß auf, dass eine der beiden alten Damen ihren Mund-Nasen-Schutz nicht trug, und wir saßen auch noch ziemlich eng zusammen!

Ich bin mir bewusst, dass ich in dem Job versagt habe, wenn ich es so nennen soll.
Es ist mir wirklich schmerzlich bewusst! Ich glaube, genau aus dem Grund fällt es mir auch so schwer, mich emotional von dem alten Herrn zu distanzieren. Denn ich sage mir immer wieder, dass es doch nicht sein kann, dass ich in einen dementen Mann von Anfang 80 verliebt gewesen bin.

Natürlich konnte ich ihn auch heute nicht ganz ignorieren. Wir haben uns aber nur kurz unterhalten, und ich habe ihn wieder wegen seiner Frau getröstet. Er sagte, er würde morgen auch mit dem Pastor darüber sprechen.

Nein, er war und ist nicht in mich verliebt. Wobei ich mich selbst frage, was ich davon hätte, wenn es der Fall wäre.
Er klammert sich an mich und ist mir dankbar, weil ich Mitgefühl und Verständnis zeige. Heute vertraute er mir an, dass er in kurzen Momenten schon mal daran gedacht habe, sich umzubringen. Doch er würde es nicht tun, auch wenn er jetzt allein bleibt. Seine Bekannte, in die er große Hoffnungen gesetzt habe, habe sich nicht mehr gemeldet. Er war sehr traurig deswegen.

Er ist so verzweifelt, dass er mit mir telefonieren möchte, wenn ich nicht im Dienst bin. Er fragte mich, ob ich ihn nicht anrufen könne, da ich ihm meine Telefonnummer ja nicht geben wolle.
Doch für mich ist das undenkbar. Zur Ruhe komme ich in meiner Freizeit ohnehin nicht. Nur was wäre, wenn er gerade mit mir telefoniert und eine Pflegekraft wäre in seinem Zimmer? Dann wäre ich dort erst recht unten durch und ich muss immerhin noch acht Wochen dort arbeiten.
Auch kann ich nicht ständig als seine Trösterin fungieren. Dafür fehlt mir die Kraft, so gern ich ihn auch habe.

Ich muss mich beruflich neu orientieren, denn was mir jetzt passiert ist, könnte mir woanders genauso wieder passieren.
 
G

Gelöscht 79650

Gast
Liebe TE, es hat doch keinen Sinn, sich jetzt kleinzureden und auf beruflichen Schwächen herumzuhacken - du hast etwas Wichtiges gelernt! Betreuung ist nichts für dich. Wäre es für mich auch nicht. Diejenigen, die dir ständig sagen, was du alles falsch machst und wie du gefälligst handeln solltest, haben gut reden. SIE müssen ja nicht in deinen Schuhen laufen.
Du hast ein freundliches Wesen und ich könnte mir gut vorstellen, dass du perfekt wärst für den Verkauf in einem kleinen, netten Laden oder für eine Mensa/Schulkantine etc.
Dort hättest du auch Kontakt mit Menschen, jedoch nicht intensiv 1zu1.
Es ist wichtig zu wissen, was man NICHT will.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
A

Aljona

Gast
@ Berdine

Ja, eine Entscheidung ist schon getroffen worden und mir tut es sehr leid, dass ich die Heimleiterin nicht sofort gefragt habe. Jetzt zittere ich bis Mittwoch, obwohl ich es mir doch denken kann.
Dann gibt es wieder Momente, wo ich hoffe, dass die Entscheidung für mich ausgefallen sein könnte. Eben, weil es noch acht Wochen bis zum Auslaufen meines Vertrages sind.
Wenn man mir also am Mittwoch, den 09.12., mitteilt, dass ich keine Entfristung bekomme, muss man damit rechnen, dass ich mich bis Ende Januar fast durchgehend krankschreiben lasse.
Ob das meinem Arbeitgeber mittlerweile so egal wäre, weil man mich absolut nicht (mehr) schätzt?

Im Grunde weiß ich aber, dass es so unrealistisch ist, als wenn ich mir Gefühle von Seiten des alten Herrn einreden würde.
Ignorieren könnte ich ihn niemals, weil ich ihn zu sehr mag und er mir leid tut.

Gestern war er sehr anhänglich. Wir haben einen kurzen Spaziergang im Garten gemacht und auf dem Rückweg drückte er im Aufzug meine Hand und sagte, dass er mich sehr gern habe. Er wollte, dass ich mich verabschiede, wenn mein Dienst zu Ende ist. Das habe ich auch getan. Er umarmte mich und sagte, dass er mich gern küssen würde. Ich bin ihm ausgewichen, denn das geht doch zu weit.
Heute konnte er sich daran natürlich nicht mehr erinnern und hat wieder um seine Frau geweint.

@ Schroti

Vielleicht sollte nach fast zwei Jahren das Fazit für mich sein, dass Betreuung nichts für mich ist. Dabei habe ich es mir so sehr gewünscht!

Manchmal ist da immer noch der Gedanke, dass ich es in einer anderen Einrichtung versuchen sollte. Allerdings habe ich wirklich die Befürchtung, dass sich an einem anderen Arbeitsplatz alles wiederholen könnte.

Heute war Nikolausfeier und ich bin sicherlich mit meiner Passivität aufgefallen.
Ich total in Gedanken, habe nur funktioniert und das nicht einmal gut. Eine Kollegin hat zweimal über meine Verpeiltheit gelacht. Ich war in Gedanken schon ganz bei dem Gespräch mit der Heimleitung am Mittwoch. Das Gespräch findet in der Mittagszeit mitten in meinem Dienst statt und ich habe keine Ahnung, wie ich die Stunden davor und die Stunde danach bis Dienstschluss überstehen soll.

Es wird für mich sehr schwer, dann zumindest noch bis Weihnachten "ganz normal" weiterzuarbeiten.
Allein schon der Druck, dass ich mir den Kollegen gegenüber nichts anmerken lassen darf/möchte, wird mich extrem von meiner Arbeit ablenken.
 

-sofia-

Sehr aktives Mitglied
Es grassiert ein hochansteckender, tödlicher Virus und du umarmst den alten Mann?
Anstatt dich auf die Abstandsregeln zu berufen, kommst du ihm gefährlich nahe.

Kinder sowie Enkelkinder schränken den Kontakt zu Eltern und Großeltern ein, um sie nicht zu gefährden, aber du verteilst fleißig Streicheleinheiten.

Mit deinem distanzlosen Verhalten, bringst du die Gesundheit der Heimbewohner in Gefahr.
Du hast definitiv den falschen Job.
 
S

Simon cde

Gast
Es wäre fahrlässig dich fest einzustellen.
Du achtest weder auf Masken noch auf Abstand. Und das auch noch während einer Pandemie. Kein Wunder wenn in Heimen so eine hohe Sterberate ist.
 

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