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Wie schaffe ich es, meine Gefühle für einen alten Mann abzustellen?

A

Aljona

Gast
Hallo liebe Community,

nachdem ich den Beitrag von einer anderen TE hier gelesen habe, traue ich mich nun auch, etwas über meine Gefühle zu einem wesentlichen älteren Mann zu schreiben.

Ich habe diesen alten Herrn, zu dem ich eine Bindung aufgebaut habe, bereits in meinem Thread "Angst, dass man mir Diebstahl unterstellt" erwähnt. Ich arbeite als Betreuungskraft in einem Altenheim und betreue ihn nun seit einem halben Jahr. Anfangs hat er mit seiner Frau dort gelebt. Sie ist im Juni verstorben.

In letzter Zeit hat er verstärkt den Kontakt zu mir gesucht. Wir haben uns sehr oft unterhalten und ich habe sehr viel aus seinem Leben erfahren. Ich habe natürlich wenig Privates von mir preisgegeben. Erst, nachdem er mehrmals nach meinem Mann gefragt hatte, habe ich erzählt, dass ich allein lebe. Er zeigte sich betroffen und sagte, es tue ihm leid, er habe das nicht gewusst. Doch nun werde ja einer Freundschaft zwischen uns nichts mehr im Weg stehen.
Keine Ahnung, wie er das meinte, denn es ist ausgeschlossen, dass wir privaten Kontakt haben könnten.

Ich habe es nur zwei Wochen geschafft, mich ein bisschen von ihm zu distanzieren. Dabei machte ich mir vor, dass es doch schön sei, dass er nun desöfteren die Gesellschaft von anderen Bewohnern suchte. Doch wenn ich ihn beobachtete, wünschte ich mir, mehr Zeit mit ihm verbringen zu können.

Ich habe mich wirklich gezwungen, ihn wie einen Opa-Ersatz zu sehen. Schließlich ist er 81 und ich bin Mitte 40. Das gelang mir aber leider nicht, denn ich stellte fest, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle, wie sich eben eine Frau zu einem Mann hingezogen fühlt.

Heute hat sich noch mal etwas für mich verändert. Für ihn stand ein schwerer Gang an, da nach seiner Frau im Sommer nun sein Sohn beerdigt wurde. Ich war dankbar, ihn begleiten zu dürfen, denn außer uns beiden war nur der Bestatter und der Pastor zugegen. Traurigerweise waren keine Angehörigen erschienen. Als er mich dem Bestatter vorstellte, sagte er: "Das ist mein Engel", was mich total rührte.

Zurück im Heim habe ich noch lange bei ihm gesessen und ihn getröstet, wenn er geweint hat. Er entschuldigte sich sogar noch für seine Tränen und ich sagte ihm, er solle seinen Gefühlen ruhig freien Lauf lassen.
Er zeigte sich sehr dankbar und meinte, er würde sich nun noch mehr mit mir verbunden fühlen. Er sei froh, mich zu haben.

Dann vertraute er mir überraschenderweise etwas an, was mich zuerst tief enttäuschte. Er sagte, dass es eine Frau gebe, die wesentlich jünger sei als er und zu der er und seine verstorbene Frau einen guten Kontakt hatten. Leider sei die Verbindung vor Jahren abgebrochen. Doch er hoffe nun, den Kontakt wieder neu knüpfen zu können. Vielleicht könne man eine Freundschaft aufbauen, und wenn sie wolle, auch mehr. Er wolle allerdings keinen Druck aufbauen.
Tapfer wünschte ich ihm alles Gute dafür. Der alte Herr wird nicht bemerkt haben, dass das nicht ehrlich von mir gemeint war.

Er hielt meine Hand und sagte, dass er mich nun endlich duzen wolle. Andere würden mich einfach so duzen, und er habe wenigstens danach gefragt. Nur schade, dass ich das bei ihm nicht dürfe. Doch er möchte ja auch nicht, dass ich dann Ärger bekomme. Dann meinte er noch, dass zwischen uns mehr sei als eine gute Freundschaft. Es klingt so liebevoll, wenn er mich beim Vornamen nennt!

Ich weiß, dass meine Gefühle nicht richtig und sehr unprofessionell sind. Auch bin ich mir bewusst, dass der alte Herr einen Halt sucht. Nicht mehr und nicht weniger.

Nur habe ich keine Ahnung, wie ich mich distanzieren kann. Selbst wenn ich meine Kollegin bitte, ihn in der Betreuung zu übernehmen, so sehe ich ihn trotzdem jeden Tag und komme zwangsläufig mit ihm ins Gespräch.

Könnt ihr mir einen Rat geben, wie ich aus dem Dilemma rauskomme?
Hilft da nur ein Jobwechsel?

Liebe Grüße,
Aljona
 

miasma

Aktives Mitglied
Gefühle sind nie "unprofessionell" Gefühle sind Gefühle, Echte... unplanbar.

Ich find die Geschichte sehr schön und wenn du dich in seiner Nähe so wohl fühlst und es sich auch zu dir hingezogen.... gebe es die Möglichkeit wo anders einen Job zu suchen und ihn dann als Freundin zu besuchen. Es dürfte in der Pflege nicht so schwer sein für dich etwas anderes zu finden.

Vertue nicht Gelegenheiten die dir wichtig erscheinen.
Du lebst nur einmal... er vielleicht nicht mehr ewig.

( die Geschichte mit der "alten", jüngeren Freundin hat er vielleicht nur erzählt..um abzuchecken... wie du zum Thema "großer Altersunterschied" eingestellt bist )

Was hast du zu verlieren?
Könnt ihr vielleicht ehrlich drüber reden ?
 
G

Gelöscht 79650

Gast
Die Fragestellung irritiert mich - als Pflegekraft sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, amouröse Wallungen gegenüber den Schützlingen erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Du verhältst dich wie ein wirrere Teenager, der sich zum ersten Mal verknallt. Dabei ist es doch eigentlich die Schmeichelei, welche dir gut tut. Nicht der Mann.
Du bist sauer, weil der alte Mann noch eine andere Frau kennt, mit der er "etwas anfangen möchte", denn es könnte dir Aufmerksamkeit entziehen.
Sollte die Heimleitung mitbekommen, wie du tickst, hast du ein Problem.
Wenn ich mich recht erinnere, genießt du auf Arbeit ohnehin kein hohes Ansehen und machst häufig Fehler - daher wäre mein Rat:
Energien bündeln, erwachsen handeln und aufhören, alte Männer für pure Selbstbestätigung zu benutzen.
Baue dir ein aktives Privatleben auf, dann musst du Bewohner nicht mehr als Herzenswärmer verwenden.
 
G

Gelöscht 77808

Gast
Ich vermute, dass dich nicht der alte Opa anmacht, sondern vielmehr die Tatsache dass es ein solches Tabu ist.
Glaub ich nicht. Wer im Alterspflegedienst arbeitet, hat ab dem ersten Tag mit Schicksalen zu tun, und lernt , dass es für einen selbst unklug ist, diese an sich heran zu lassen. Mit Mitte 40 hat man dann rund 25 Jahre Berufserfahrung.
Die Frage hieß , wie man da raus kommt; nicht umgekehrt.
 
G

Gelöscht 69542

Gast
Hallo Aljona,
dein Bericht hat mich sehr berührt. Ich hoffe, du lässt dich durch einige eklige und dumme Kommentare hier nicht beeinflussen :)
Ich sehe es auch so wie miasma. Dass es vielleicht nur ein Test war, Dir von der früheren Freundin
zu erzählen, um zu hören, wie du dazu stehst...
Ich finde es auch schön, dass du die Zeit findest oder sie dir nimmst, dich ihm so zuzuwenden...

Die Stelle wechseln würde ich nicht, aber vielleicht kannst du - wie schon vorgeschlagen wurde -
ganz offen mit ihm darüber reden? Wie du dich fühlst, dass er dir sympathisch ist, du aber keine "Beziehungen" mit Bewohnern eingehen darfst usw.
Übrigens gab es eine ähnliche Geschichte mal im TV, als Romantik-Tragikomödie ;)


Ich hoffe, du findest eine gute Lösung.
Alles Gute!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
A

Aljona

Gast
Vielen Dank für eure Antworten.

Zunächst einmal ein Dankeschön an miasma und Mondsonne für die verständnisvollen Beiträge.

Ja, leider sind Gefühle unplanbar. Ich hätte mir nie gewünscht, dass mir so etwas in diesem beruflichen Kontext passiert.

Ich fühle mich wirklich sehr zu ihm hingezogen. Es hat auch wenig damit zu tun, dass er mir große Zuneigung entgegenbringt und mir schmeichelt. Eigentlich hatte ich bisher einen anderen Lieblingsbewohner. Er erinnert mich sehr an meinen Opa, der schon vor vielen Jahren verstorben ist. Er hat immer gute Laune und wir unterhalten uns , wenn wir uns begegnen. Er nimmt an allen Gruppenangeboten teil und zum Schluss sagt er mir jedes Mal, dass ich es gut gemacht habe. Trotz allem habe ich keine romantischen Gefühle für ihn.

Bei diesem alten Herrn ist es ganz anders. Er hat eine ganz besondere Ausstrahlung, eine humorvolle Art und zeigt dabei gleichzeitig noch Dominanz. Wenn der Mitbewohner in seinem Zimmer mir respektlos kommt, wird er gleich verbal abgewatscht. Einmal saß der alte Herr im Aufenthaltsraum und kam nach einiger Zeit gucken, weil ich immer noch bei seinem Mitbewohner im Zimmer war. Er hatte schon die Befürchtung, dass er wieder diverse Forderungen hatte und mich nicht wegließ. Das fand ich irgendwie süß.

Ich glaube allerdings nicht, dass er mir nur von der früheren Freundin erzählt hat, um zu testen, wie ich zu einem großen Altersunterschied stehe. Er sagte nämlich, dass diese Frau vielleicht gut zu ihm passen würde. Sie sei seiner verstorbenen Frau sehr ähnlich. Was ich von mir nicht behaupten kann - weder vom Aussehen (ich habe Fotos gesehen, wo sie in meinem Alter war) noch vom Wesen her.
Aufgrund dieser Aussage war ich dann auch enttäuscht.

Vielleicht sieht er in mir nur eine Person, die ihm in schwierigen Situationen beisteht und ihm einen gewissen Halt gibt. Er fühlt sich einsam und möglicherweise nehme ich ihm ein bisschen die Einsamkeit.
Eine Aussage von ihm gestern berührte mich auch sehr. Er sagte, dass er zur Zeit wenig Fernsehen gucke, weil es ihn nicht interessiere. Schon mal gar nicht könne er sich Liebesfilme ansehen, da er "zur Zeit keine Romanze" habe. Er sagte das so wehmütig.

Ich bin mir sicher, dass ich es nicht schaffen würde, ihm zu sagen, dass ich mehr als Sympathie für ihn empfinde. Im besten Fall wäre er vielleicht überrascht, aber was, wenn er über mich lacht?
Mit dem Gefühl, mich total blamiert zu haben, könnte ich dort nicht weiterarbeiten.

@ Schroti

Dein Beitrag klingt hart, aber wahrscheinlich hast du mit deiner Sichtweise sogar recht.
Der einzige Punkt, in dem ich dir nicht zustimme, ist der, dass mir nicht der Mann gut tut, sondern lediglich seine Schmeicheleien. Das habe ich ja oben schon geschrieben.

Ich bin keine Pflegekraft, sondern eine Betreuungskraft. Was bedeutet, dass ich also nichts mit pflegerischen Tätigkeiten zu tun habe. Wenn es so wäre, wäre es sicherlich noch schwerer, eine emotionale Distanz zu dem alten Herrn aufzubauen. Doch auch so ist es nicht einfach. Als Mitarbeiterin des sozialen Dienstes blicke ich oft ganz tief in das Seelenleben meiner "Schützlinge", erfahre von ihren Ängsten und Gefühlen, leiste Trauerbegleitung, Sterbebegleitung, etc. Eben all die Dinge, für die Pflegekräfte in ihrem hektischen Berufsalltag keine Zeit finden.

Ja, leider habe ich aus Unkonzentriertheit und Müdigkeit heraus einige Fehler gemacht. Ebenso musste ich mich innerhalb weniger Monate vier Arbeitsproben stellen. Erst dann war man mit meiner Leistung zufrieden. Das alles wirft natürlich kein gutes Licht auf mich.

Mein befristeter Arbeitsvertrag läuft im Januar aus, und ich rechne ehrlich gesagt nicht mit einer Entfristung. Meine Chefin ist in letzter Zeit nur noch motzig mir gegenüber. Erst gestern habe ich mein Fett wegbekommen, weil ich eine in ihren Augen überflüssige Frage gestellt habe.

Trotzdem möchte ich den "Rauswurf" jetzt nicht provozieren, weil man mir zusätzlich noch unprofessionelles Verhalten männlichen Bewohnern gegenüber anhängen könnte. Es gibt aber durchaus Momente, wo ich denke, ein Auslaufen des Vertrages ohne eine Entfristung zu bekommen, wäre nicht einmal das Schlechteste. Nur so könnte ich meine Gefühle für den alten Herrn abstellen.
 
G

Gelöscht 79650

Gast
Ich finde es unmöglich, als Betreuungskraft amouröse Gedanken zu schieben und "traurig" zu sein, weil der Mann eine andere Frau gut findet.
Ehrlich gesagt würde ich mir psychologische Unterstützung suchen, denn du scheinst in deiner emotionalen Entwicklung nicht so recht weiterzukommen.
Die Bewohner sind NICHT dazu da, deinen Gefühlshaushalt ins Lot zu bringen. Du steigerst dich komplett in eine unsinnige story.
Wenn dein Gehabe um den Mann zu offensichtlich wird, bekommst du ein Arbeitszeugnis, welches du getrost verbrennen kannst.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass man so viel Stress auf Arbeit hat, weil man so viele Fehler macht und dann nicht etwa an sich arbeitet, sondern in den Schmachtmodus verfällt und darüber grübelt, wie man mit dem Greis umgeht, um ihn für sich zu gewinnen oder wie man "seinem Herzen befehlen kann, sich emotional zu lösen". So ein Melodrama braucht keiner.
Betreuungskräfte werden gesucht. Wenn man deinen Vertrag dennoch nicht entfristet, sollte dir das zu denken geben.
 
A

Aljona

Gast
Hallo,

ich wollte mich doch noch mal melden.

Ich habe vergangene Nacht viel nachgedacht und mir wurde bewusst, dass ich vielleicht keine echten Gefühle für den alten Herrn habe. Dass ich mich reingesteigert und einen Halt bei ihm gesucht habe, weil ich mich am Arbeitsplatz irgendwie verloren und nicht wertgeschätzt fühle.

Wie ich schon geschrieben habe, habe ich am Freitag von meiner Chefin mein Fett wegbekommen. Gestern habe ich mir auch darüber viele Gedanken gemacht und war heute so unglücklich, dass ich das Bedürfnis hatte, mit einer Kollegin darüber zu sprechen. Ich habe ihr ehrlich gesagt, dass ich in der Situation fast in Tränen ausgebrochen wäre. Sie zeigte Verständnis für mich und war überrascht, weil die Chefin mit ihr noch nie in dem Ton gesprochen hat. Sie gab mir aber den Rat, stark zu sein und nicht zu zeigen, wie sehr mich das Ganze belastet.

Was den alten Herrn betrifft, so habe ich mir fest vorgenommen, ab jetzt Distanz zu wahren. Ich glaube auch, dass er wahrscheinlich nur väterliche Gefühle für mich hat.
Als ich heute zum Dienst kam, sah ich keine strahlenden Augen, sondern er hat gleich wieder Frust über den Mitbewohner in seinem Zimmer bei mir abgeladen. Ich habe dann für den Mitbewohner ein paar CDs rausgesucht, weil ich ihm das vor ein paar Tagen versprochen hatte und ging zum Zimmer. Der alte Herr folgte mir und hat die ganze Zeit genervt. Ich konnte mich mit dem Anderen überhaupt nicht unterhalten und Musik hören, weil er immer wieder mit irgendwas ankam, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Irgendwann befahl er mir regelrecht, den CD-Player auszustellen, weil er fernsehen wollte.

Ich weiß auch nicht so recht, aber plötzlich war er mir gar nicht mehr so sympathisch. Auch als ich ihn näher betrachtete, dachte ich mir, dass er eben seinem Alter entsprechend aussieht. Dass ich nicht mehr verstehen konnte, wieso ich mich körperlich zu einem so alten Menschen hingezogen gefühlt habe und schon Eifersucht empfand, als er von der anderen Frau erzählte.

Ich glaube also wirklich, dass ich nach dem rettenden Strohhalm gesucht habe.

Es ist aber nicht so, dass es mir jetzt besser geht, auch wenn mir diese Erkenntnis als realistisch erscheint. Ich fühle mich nach wie vor verloren dort und war total deprimiert, als ich nach Hause kam.

Das einzig Positive ist nun, dass ich mir nicht irgendwann vorwerfen muss, dass man mich nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen hat, weil ich einen alten Mann angeschmachtet habe.

Ich werde weiterhin mein Bestes geben, mich den Bewohnern gegenüber korrekt zu verhalten. Die Defizite, die man mir ansonsten ankreidet wie mangelnde Selbständigkeit und Konzentrationsschwäche kann ich nicht so leicht abstellen.
 

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