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Wie hat euch die Coronakrise verändert? +pv

Findefuchs

Sehr aktives Mitglied
Hallo Leute,

im anderen Corona-Thread hatte ich das Thema ja mal angeschnitten, nun dachte ich mir, dass ein eigener Thread dazu interessant sein könnte und Raum für eigene Diskussionen bietet.

Mittlerweile hat die Situation mit Corona ja jeden erreicht und ist in ganz Deutschland angekommen. Dazwischen gibt es aber ganz persönliche Geschichten und die eigene, individuelle Perspektive und wie alles zur Zeit erlebt wird. Mich würde interessieren, ob euch die letzten Monate verändert haben und wenn ja, wie ihr das bemerkt? Was hat sich im Unterschied zu "davor" geändert? Vielleicht gibt es aber auch Bereiche, die für euch völlig gleich und unberührt geblieben sind. Vielleicht wollt ihr mal erzählen.

Ich mache mal den Anfang:

Versteckter Text, Trigger-Gefahr:
Ich merke bei mir, dass die letzten Monate mich sehr verändert haben. Ich kann noch nicht so richtig greifen, ob das alles eher positiv oder negativ sein wird für mich.

Für mich ist es eine sehr schwere Zeit. Was aber auch alleine an meinem Job liegt und dass ich einen systemrelevanten Beruf ausübe. Ich schreibe es nicht gerne, aber ich hatte selten so ein beschissenes Jahr wie jetzt. Bei mir haben sich die Ereignisse überschlagen: Zuerst starb meine Katze ziemlich dramatisch an Krebs. Gerade mal zwei Wochen später oder so wurden die Ausgangsbeschränkungen in Bayern verhängt. Und uns wurde mittgeteilt, was die Situation mit Corona für meine Berufsgruppe bedeutet. Und plötzlich kam ich in die Lage, wirklich damit konfrontiert zu sein nicht zu wissen, wie wir unsere Kinder, die wir betreuen (arbeite in einem Kinderheim) ausreichend mit Lebensmittel versorgen können. Das war sehr surreal.

Zur Zeit besteht mein Leben eigentlich gefühlt nur daraus, irgendwie die Stellung zu halten. Ich erlebe viel Leid und Corona nimmt viel Raum in meinem Leben ein, einfach alleine wegen meinem Beruf. Die Maßnahmen und Auflagen für uns auf der Arbeit ändern sich oft mehrmals am Tag, manchmal im Stundentakt. Wir sind jetzt bei der 9. Version des Dienstplanes innerhalb von 6 Wochen und haben bis jetzt den schulischen Part bei unseren Kindern voll übernommen, trotz straffer personaler Besetzung. Wir sind alle ziemlich überarbeitet und unsere Nerven teilweise sehr strapaziert. Wir leben auf der Arbeit maximal von Woche zu Woche, anders geht es nicht. Mittlerweile wurde auch für meine Berufsgruppe das Arbeitszeitgesetzt ausgehebelt, wir arbeiten auf Quarantänestationen und in der Notbetreuung und können jederzeit für Krankenhäuser abgezogen werden, wenn die Regierung das als notwendig erachtet. Bei uns in der Hauptzentrale war einige Zeit Corona ausgebrochen. Es hat einige Kollegen und Kids erwischt. Viele hatten Angst. Es war eine sehr angespannte Stimmung, vor allem wenn du erfahren hast "Auf Gruppe XYZ ist auch ein Coronafall aufgetreten." Die Regierung hat dann die geschlossene Kinder- und Jugendpsychiatrie leergeräumt, um Betten für Corona-Patienten auf diesen Stationen bereitstellen zu können. Diese Kinder und Jugendlichen werden jetzt auch von uns betreut.

Privat habe ich sehr darunter gelitten, meine Eltern nicht mehr sehen zu können. Mein Vater arbeitet auch in einem systemrelevanten Beruf. Da für uns das Risiko, sich zu infizieren viel höher ist, als für andere Berufe, überlegen wir aktuell, wie wir das handhaben wollen und können mit Kontakt. Mir fehlen die Treffen mit meinen Freunden. Jetzt kam vor kurzem raus, dass mein Kater auch Krebs hat und er in absehbarer Zeit - maximal wenige Wochen - auch sterben wird. So einer meiner letzter Anker, wenn ich nach harten Diensten nach Hause gekommen bin. Und ich frage mich ganz oft: Wo ist sie nur hin, die Zeit, wo vieles einfacher, schöner und beschwingter war? Obwohl uns Corona jetzt schon etwas länger begleitet, kann ich es manchmal noch gar nicht fassen und fühle mich wie in einem dieser futuristischen Filme.

Ich merke, ich bin sehr nüchtern geworden und mein Bild über Menschen hat sich wieder geändert. Ich schalte oft auf den Autopiloten, weil anders geht es nicht. Ich bin sehr, sehr, sehr enttäuscht von der Regierung. Und von manchen Menschen in meinem Umfeld. Aber gleichzeitig bin ich dann zutiefst berührt, wie manche einzelnen Leute sich verhalten. Wie selbstlos und hilfsbereit sie sind. Oder ich bin zutiefst berührt, wenn ich schöne Momente mit Kollegen und den Kindern habe. Die Zeit schweißt uns irgendwie noch mehr zusammen. Und das gibt mir oft in dieser schweren Zeit ein gutes Gefühl. Gerade wir Kollegen sind zusammengwachsen und unterstützen uns wo es geht und ja, das berührt mich oft sehr, wie wir uns eben unterstützen und auf unsere Art beistehen. Ich versuche auch das Beste aus mir herauszuholen und mein Bestes zu geben. So wie jeder meiner Kollegen! Wir alle arbeiten hart, jeder gibt sein Bestes und jeder versucht sich anzustrengen. Egal wie lang die Schichten sind. Oder wie knapp die Ressourcen. Ich habe in den letzten Monaten erfahren, wie stark ich sein kann und wie schnell ich mich beruflich gesehen plötzlich auftretenden und spontan wechselnden, teilweise sehr überraschenden Situationen anpassen kann. Ich bin sehr demütig geworden, weil ich (noch) gesund bin, meine Eltern auch und es meinen Freunden gesundheitlich gut geht. Ich habe das schon immer gewusst, weiß es aber jetzt nochmal mehr, wie flüchtig Glück sein kann. Und dass nichts selbstverständlich ist.

Ich bin sehr wütend, hilflos und frustriert, weil die Regierung meinen Arbeitsbereich (Kinder- und Jugendhilfe) leer ausgehen lässt. Wir bekommen nicht mal die Fahrtkosten anteilig bezahlt trotz der ganzen Mehr- und Überstunden und Notfalldiensten. Wir haben nicht ausreichend Ausrüstung und Material. Obwohl wir von der Regierung eingesetzt werden, wie sie lustig ist, unsere Arbeitszeitgesetze ausgehebelt wurden, wir auf den Quarantänestationen arbeiten, die Notbetreuung übernehmen und auch für den Dienst in Krankenhäusern abgezogen werden können (weil mein Beruf auch pflegerisch und medizinisch ist, nicht nur pädagogisch und therapeutisch), werden wir wahrscheinlich nicht die Prämie bekommen. (Chefetage verhandelt aktuell noch). Meine Kollegen und ich fühlen uns etwas mit Füßen getreten und wenig wertgeschätzt.

 

Violetta Valerie

Moderator
Teammitglied
Dieses Gefühl der Hilflosigkeit kann ich gut nachfühlen: Ich meine: So sehr ja jetzt alle applaudieren, für Leute, die so grandiose Arbeit machen wie Du: wenn nachher doch nur die Autoindustire die Boni bekommt....was ist es dann wert? Ich meine: wenn es weigstens so wäre, dass man WIRKLICH anerkennung bekommt, muss diese ja vielleicht nicht unbedingt finanziell sein (wobei das eigentlich auch das minderste wäre).
Ich denke, Hilflosigkeit ist das gefühl, was es tatsächlich am besten beschreibt: Nicht dem Virus gegenüber: Da bin ich zuversichtlich, dass wir das gut überstehen können. Hilflos fühle ich mich eher der menschlichen Schlechtigkeit gegenüber. ich meine: Ich glaube immer an das tief gute im menschen: Ich denke, jeder mensch MUSS im Innersten gut sein. Eigentlich hoffe ich die ganze Zeit arauf, dass endlich zB der Vorstand von VW sagt: hey Leute - uns geht es eecht noch gut: Können wir euch irgendwie helfen?
ich suche das gute in solchen Menschen und merke: Es gibt offenbar Menschen die sind einfach nicht gut: Die sind gierig auch angesichts einer solche katastrophe: Und auch diese Menschen trifft kein Blitzstrahl, sie werden auch nicht geläutert oder sie entdecken plötzlich doch das gute in sich. und DAS macht mich so fertig.
und ich denke, das verändert mich auch. Also diese Erkenntnis.
 
Zuletzt bearbeitet:

weidebirke

Urgestein
Ach ja, die Prämie.

Ich will sie gar nicht. Denn Geld macht es nicht besser. Ich habe auch jeden Tag damit zu tun und will gar keine Prämie!

Ich will gerechte Bezahlung - immer. Anerkennung für den Job - immer. Ich will nicht minimalstbesetzt unter Dauerstress und Notversorgung arbeiten - wenn nötig als Ausnahme möglich, aber doch nicht als Normalfall. Ich will für alle eine gute Aus- und Fortbildung - immer. Ich will nicht gegängelt werden mit sinnfreien Vorschriften.

Dass es zu Versorgungsengpässen kommt, ist zwar suboptimal, aber lösbar und der Situation geschuldet. Da mache ich niemandem einen Vorwurf. Allenfalls denen, die die Besuchszeiten nutzen, um unsere Einmalhandschuhe, Masken und Desinfektionsmittel zu klauen. Oder den lieben KollegInnen, die damit sich und ihre ganze Mischpoke versorgen 🤬🤬🤬

Bis auf das letzte haben die Zustände nichts, aber so gar nichts mit Corona zu tun.

Ich wollte es nicht, aber ich werde mitten in der Coronakrise den Job wechseln.

Ansonsten hat Corona als Katalysator für meine Beziehung gewirkt. Da auch ich mit besonders gefährdeten Menschen arbeite und das Risiko minimieren möchte, den Keim dorthin zu schleppen, sind wir kurzerhand zusammengezogen. Das ist, naja, aufregend. Und nun muss es sich zurecht ruckeln.

Es hat sich herausgestellt, welcher Auftraggeber sich seinen freien Mitarbeitern ggü. loyal verhält und welcher nicht. Auch eine Erkenntnis.

Ansonsten komme ich mir vor, als würde ich seit drei Monaten die Luft anhalten und würde jetzt ganz gern wieder atmen. Noch denke ich immer, wenn das erst vorbei ist, machen wir eben weiter wie bisher. Langsam schwant mir, dass das wohl nicht möglich sein wird.
 

Peter1968

Moderator
Ich hatte in dem anderen Thread schon mal so einiges geschrieben, kann hier aber gerne noch einmal und vielleicht auch etwas weiter ausholen.
Bei mir selbst hat sich eher weniger geändert, da ich die Home Office schon seit längerem betreibe. Was sich ändert sind die Termine, vieles wird geschoben, anderes vorgezogen, dann wieder verschoben und so weiter.
Also strukturiert arbeiten ist derzeit ziemlich schwer.
Das andere ist, dass plötzlich Anfragen ohne Ende reinkommen, was ja einerseits gut ist, aber anderseits auch mal schlecht wenn ich einiges ablehnen muss. da ich es nicht mal schaffe für jede Anfrage auch die passenden Angebote zu erstellen. Muss dazu halt sagen, dass zB ein Angebot für eine größere Sache schon mal bis zu 3 Tage Arbeit bedeutet. Also im großen und ganzen ist bei mir eher meine eigentliche strukturierte Arbeitsweise etwas über den Haufen geschmissen.

Was ich bei uns im (neuen) Umfeld merkte ist die Hilfsbereitschaft, diese ist voll da, was sehr schön ist. Ich selbst habe immer schon die älteren Nachbarn gefragt ob ich Ihnen etwas mitbringen soll, wenn ich einkaufe oder so, aber jetzt machen dies auch andere was toll ist. Ich habe auch vor Wochen schon mit der Gemeinde Kontakt aufgenommen und von denen dann eine Liste bekommen, wo Handlungsbedarf besteht, da helfe ich gerne mit.
Meine bessere Hälfte ist in der Altenpflege tätig, dazu muss ich eigentlich nichts sagen. Sehe sie derzeit sehr selten, sie macht ständig Doppeldienste etc. Getestet wurde dort im Übrigen noch nie. Das wir uns derzeit sehr wenig sehen ist schon nicht schön, muss aber halt so sein und wenn wir mal Zeit haben verbringen wir diese sehr schön, schweißt auch nochmal zusammen.
Wir haben ein Haus gekauft mit großem Grundstück und wollten dort im März schon eingezogen sein, aber halt auch da kam diese Krise dazwischen. Handwerker mussten Termine verschieben, Möbelhäuser hatten zu, etc etc. Vor allem mein Büro muss dort sein aber es fehlt halt gerade an diesen Möbeln und der Hardware um endlich dort arbeiten zu können. Ich hoffe dass dies aber endlich in den nächsten 14 Tagen der Fall sein wird.
Das "Ausgehen" vermisse ich schon etwas, da ich eigentlich immer gerne unter Leuten bin aber dies ist Luxus und den braucht es einfach auch gerade nicht. Ich gehe sehr viel durch die Wälder, was derzeit schön ist, es ist ruhig, irgendwie kommt einem das Gefühl auf dass sich alles etwas regeneriert.
Was mich stört sind halt manche Menschen die sich an nichts halten, andere die stetig über alle Entscheidungen herziehen, Menschen denen man es nie Recht machen kann. Es entsteht bei vielen ein starkes Ich denken, was vorher schon war aber jetzt schon stark auffällt. Das sind die beiden Gegensätze. Viele helfen aber viele denken auch nur an sich.
Es wird über andere Länder gewettert, über andere Menschen, über die Politik, ich denke eigentlich jedes Gremium versucht das Beste, es ist halt sehr schwer dieses zu erreichen damit es jedem passt, nein eigentlich unmöglich.
Ich muss derzeit vermehrt an manche Länder denken in denen ich schon war, die ich kennen gelernt habe und wo es diese Systeme wie in Deutschland nie gab und voraussichtlich nie geben wird, da blutet innerlich in mir etwas, das kann ich nicht so beschreiben aber wenn ich dann sehe wie teilweise in den Industrieländern auf einem Niveau gejammert wird das manche nie kennen werden das tut mir halt schon weh, daher sehe ich manches halt etwas anders und für Deutschland auch etwas entspannter wobei mir auch hier jedes Einzelschicksal sehr nahe geht.

Ich hoffe einfach dass die Menschen etwas daraus lernen, etwas enger zusammenrücken, mehr denken vor dem handeln und vor allem endlich das werden, was sie sein sollten, menschlich.
Eine Hoffnung, nicht mehr und nicht weniger.
 
G

Gelöscht 114478

Gast
Nichts - naja, bis auf den "Maskenball" beim Einkaufen.
Aber sonst? Echt nichts. Ich hab vorher komplett isoliert gelebt - und nun eben auch.
 

Old Flow

Aktives Mitglied
Ich glaube verändert hat sie mich nicht.
Noch nicht. Oder nur unmerklich.
Etwas in Sorge bin ich, da ich noch keine genaue Vorstellung davon habe, wie sich diese Kriese noch auswirken wird. Allerdings sehe ich das ganze eher gelassen, und nicht panisch.
Ich ärgere mich auch häufig bei der Arbeit. So über unsinnige Dinge.
Und einige Dinge fehlen mir schon sehr.
Und ich merke, das ich auf manche Dinge, auch noch gut bis an das Ende meiner Tage verzichten könnte.
Allerdings werden die anderen Leuten fehlen, wodurch deren Stimmung sinkt, was mich somit dann doch wieder betrifft.
Belasten tut mich, das ich meinen Rhytmus nicht mehr so leben kann, wie ich mag.
Wenn ich beim Bäcker oder Im Baumarkt in der Schlange stehe und warte, empfinde ich diese Zeit, als sinnlos und vertan.
Mal sehen was Corona, mit mir noch so macht.

Old Flow
 

Wunderbar

Aktives Mitglied
Hallo Leute,

im anderen Corona-Thread hatte ich das Thema ja mal angeschnitten, nun dachte ich mir, dass ein eigener Thread dazu interessant sein könnte und Raum für eigene Diskussionen bietet.

Mittlerweile hat die Situation mit Corona ja jeden erreicht und ist in ganz Deutschland angekommen. Dazwischen gibt es aber ganz persönliche Geschichten und die eigene, individuelle Perspektive und wie alles zur Zeit erlebt wird. Mich würde interessieren, ob euch die letzten Monate verändert haben und wenn ja, wie ihr das bemerkt? Was hat sich im Unterschied zu "davor" geändert? Vielleicht gibt es aber auch Bereiche, die für euch völlig gleich und unberührt geblieben sind. Vielleicht wollt ihr mal erzählen.

Ich mache mal den Anfang:

Versteckter Text, Trigger-Gefahr:
Ich merke bei mir, dass die letzten Monate mich sehr verändert haben. Ich kann noch nicht so richtig greifen, ob das alles eher positiv oder negativ sein wird für mich.

Für mich ist es eine sehr schwere Zeit. Was aber auch alleine an meinem Job liegt und dass ich einen systemrelevanten Beruf ausübe. Ich schreibe es nicht gerne, aber ich hatte selten so ein beschissenes Jahr wie jetzt. Bei mir haben sich die Ereignisse überschlagen: Zuerst starb meine Katze ziemlich dramatisch an Krebs. Gerade mal zwei Wochen später oder so wurden die Ausgangsbeschränkungen in Bayern verhängt. Und uns wurde mittgeteilt, was die Situation mit Corona für meine Berufsgruppe bedeutet. Und plötzlich kam ich in die Lage, wirklich damit konfrontiert zu sein nicht zu wissen, wie wir unsere Kinder, die wir betreuen (arbeite in einem Kinderheim) ausreichend mit Lebensmittel versorgen können. Das war sehr surreal.

Zur Zeit besteht mein Leben eigentlich gefühlt nur daraus, irgendwie die Stellung zu halten. Ich erlebe viel Leid und Corona nimmt viel Raum in meinem Leben ein, einfach alleine wegen meinem Beruf. Die Maßnahmen und Auflagen für uns auf der Arbeit ändern sich oft mehrmals am Tag, manchmal im Stundentakt. Wir sind jetzt bei der 9. Version des Dienstplanes innerhalb von 6 Wochen und haben bis jetzt den schulischen Part bei unseren Kindern voll übernommen, trotz straffer personaler Besetzung. Wir sind alle ziemlich überarbeitet und unsere Nerven teilweise sehr strapaziert. Wir leben auf der Arbeit maximal von Woche zu Woche, anders geht es nicht. Mittlerweile wurde auch für meine Berufsgruppe das Arbeitszeitgesetzt ausgehebelt, wir arbeiten auf Quarantänestationen und in der Notbetreuung und können jederzeit für Krankenhäuser abgezogen werden, wenn die Regierung das als notwendig erachtet. Bei uns in der Hauptzentrale war einige Zeit Corona ausgebrochen. Es hat einige Kollegen und Kids erwischt. Viele hatten Angst. Es war eine sehr angespannte Stimmung, vor allem wenn du erfahren hast "Auf Gruppe XYZ ist auch ein Coronafall aufgetreten." Die Regierung hat dann die geschlossene Kinder- und Jugendpsychiatrie leergeräumt, um Betten für Corona-Patienten auf diesen Stationen bereitstellen zu können. Diese Kinder und Jugendlichen werden jetzt auch von uns betreut.

Privat habe ich sehr darunter gelitten, meine Eltern nicht mehr sehen zu können. Mein Vater arbeitet auch in einem systemrelevanten Beruf. Da für uns das Risiko, sich zu infizieren viel höher ist, als für andere Berufe, überlegen wir aktuell, wie wir das handhaben wollen und können mit Kontakt. Mir fehlen die Treffen mit meinen Freunden. Jetzt kam vor kurzem raus, dass mein Kater auch Krebs hat und er in absehbarer Zeit - maximal wenige Wochen - auch sterben wird. So einer meiner letzter Anker, wenn ich nach harten Diensten nach Hause gekommen bin. Und ich frage mich ganz oft: Wo ist sie nur hin, die Zeit, wo vieles einfacher, schöner und beschwingter war? Obwohl uns Corona jetzt schon etwas länger begleitet, kann ich es manchmal noch gar nicht fassen und fühle mich wie in einem dieser futuristischen Filme.

Ich merke, ich bin sehr nüchtern geworden und mein Bild über Menschen hat sich wieder geändert. Ich schalte oft auf den Autopiloten, weil anders geht es nicht. Ich bin sehr, sehr, sehr enttäuscht von der Regierung. Und von manchen Menschen in meinem Umfeld. Aber gleichzeitig bin ich dann zutiefst berührt, wie manche einzelnen Leute sich verhalten. Wie selbstlos und hilfsbereit sie sind. Oder ich bin zutiefst berührt, wenn ich schöne Momente mit Kollegen und den Kindern habe. Die Zeit schweißt uns irgendwie noch mehr zusammen. Und das gibt mir oft in dieser schweren Zeit ein gutes Gefühl. Gerade wir Kollegen sind zusammengwachsen und unterstützen uns wo es geht und ja, das berührt mich oft sehr, wie wir uns eben unterstützen und auf unsere Art beistehen. Ich versuche auch das Beste aus mir herauszuholen und mein Bestes zu geben. So wie jeder meiner Kollegen! Wir alle arbeiten hart, jeder gibt sein Bestes und jeder versucht sich anzustrengen. Egal wie lang die Schichten sind. Oder wie knapp die Ressourcen. Ich habe in den letzten Monaten erfahren, wie stark ich sein kann und wie schnell ich mich beruflich gesehen plötzlich auftretenden und spontan wechselnden, teilweise sehr überraschenden Situationen anpassen kann. Ich bin sehr demütig geworden, weil ich (noch) gesund bin, meine Eltern auch und es meinen Freunden gesundheitlich gut geht. Ich habe das schon immer gewusst, weiß es aber jetzt nochmal mehr, wie flüchtig Glück sein kann. Und dass nichts selbstverständlich ist.

Ich bin sehr wütend, hilflos und frustriert, weil die Regierung meinen Arbeitsbereich (Kinder- und Jugendhilfe) leer ausgehen lässt. Wir bekommen nicht mal die Fahrtkosten anteilig bezahlt trotz der ganzen Mehr- und Überstunden und Notfalldiensten. Wir haben nicht ausreichend Ausrüstung und Material. Obwohl wir von der Regierung eingesetzt werden, wie sie lustig ist, unsere Arbeitszeitgesetze ausgehebelt wurden, wir auf den Quarantänestationen arbeiten, die Notbetreuung übernehmen und auch für den Dienst in Krankenhäusern abgezogen werden können (weil mein Beruf auch pflegerisch und medizinisch ist, nicht nur pädagogisch und therapeutisch), werden wir wahrscheinlich nicht die Prämie bekommen. (Chefetage verhandelt aktuell noch). Meine Kollegen und ich fühlen uns etwas mit Füßen getreten und wenig wertgeschätzt.

:cry: Hallo @ Findefuchs,es macht mich sehr betroffen,deine Worte zu lesen.
Ich selber habe eine 48jährige Tochter mit Trisomie 21,die in einem Wohnheim lebt.Man kann allen,die in einer solchen Einrichtung arbeiten nur Hochachtung und Dankbarkeit entgegen bringen.
Meine Tochter ist nun schon acht Wochen bei mir,weil ich sie in dieser Krise bei mir haben wollte.Ich genieße die Zeit und sie auch.Aber oft kommt auch die Äußerung "wann kann ich wieder zu meinen Leuten".Das tut mir sehr leid,denn ich kann diese tolle Gemeinschaft nicht ersetzen.Nun fahre ich mit ihr wöchentlich 1 - 2 mal in die Stadt wo "ihre Leute" sind und sie können sich zumindest vom Fenster aus zur Straße zuwinken.😏Immerhin,sie sehen sich,wenn auch auf Abstand.
Gestern kam die Nachricht,dass nochmal verlängert wird bis einschließlich 6.Juni.Ich habe es ihr noch nicht gesagt,mal sehen wie sie darauf reagiert,wenn ich ihr den Brief heute vorlese.
Liebe Findefuchs,ich wünsche dir weiterhin viel Kraft für deine anstrengende Arbeit und weiterhin vor allem Gesundheit.
Was ich dir noch wünsche,dass du dein liebes Tier noch eine Zeit bei dir haben kannst. 🧡🧡🧡
 

Zera

Mitglied
ich arbeite auch in einem systemrelevanten Beruf und jeden Tag aufs neue setzte ich mich mit
Abstand halten, Mundschutz desinfizieren und und und.. . auseinander. Sowie meine eigene und die von den anderen Menschen steht die Sicherheit an erster Stelle. Leider sehen das viele nicht so und da hört der spass bei mir auf . Ich mag nicht mehr zu jedem sagen halten sie Abstand ,setzen sie ihre Maske richtig auf , die Unfreundlichkeit steigt und diese Auseinandersetzungen die nicht immer nur verbal enden . Hallo wie Erwachsen sind sie denn alle ? Natürlich gibt es auch die andere Seite ,ein Dankeschön, ein kleines Präsent, warme Worte. Ich muss ehrlich sagen die Angst fährt jeden Tag zur Arbeit mit und diese Unvernunft bei einigen kann ich einfach nicht verstehen. Ist die Beweislage nicht genug? wie viele Menschen sind schon weltweit daran gestorben .
Ja, die Situation verändert mich sie macht mich noch mehr aufmerksamer , nachdenklicher , vorsichtiger in allem was ich tue, eine beunruhigende Zeit die da auf uns zu kommt
 

dreampudelchen

Aktives Mitglied
Für mich hat sich auf den ersten Blick hin gar nicht so viel geändert.
Ich kann ohne große Einschränkungen arbeiten gehen - in einem nicht systemrelevanten Beruf.

Was mir schwer fiel war die Gewöhnung an die Masken. Es hat mich schon Überwindung gekostet, sie beim Einkaufen anzuziehen, aber alle so einkaufen gehen, dann ist es eben so.

Es fiel mir schwer, meine Familie nicht besuchen zu können und nichts mehr mit Freunden unternehmen zu können. Bis vor kurzem war ja nicht einmal ein Spaziergang mit einer Freundin oder einem Freund möglich. Für Singles ist das schon schwierig auf Dauer. Aber auch das was noch annehmbar.

Was mich mehr erschreckt, ist die deutlich sichtbare Panik mancher Leute. Panische Blicke beim Einkaufen, manche Leute blieben wie festgewurzelt stehen - obwohl es eigentlich kein Problem ist, beim Einkaufen auf die Abstände zu achten, wenn jeder etwas aufpasst. Aber einige liefen wirklich panisch und wie mit Scheuklappen herum. Diese Leute taten mir furchtbar leid, aber haben mich auch sehr verunsichert...

Ich weiß nicht, ob mich diese Zeit wirklich verändert. Im Moment glaube ich, hat sie es noch nicht.
 

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