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Manuel+
Gast
Sigi,Und wenn ich die Bibel so lese, die ja den Geistlichen zugänglich war, verbot die Lehre Christi eindeutig die Einmischung seiner Nachfolger in die Politik der Welt, den Dienst mit der Waffe und Boshaftigkeit, Rache, Eigeninitiative in diesen politischen Dingen. Wie also sind die großen Religionen zu entschuldigen. Wer kann mir da helfen? Mit welchen aufrichtigen biblischen Überlegungen rechtfertigte man den Einfluss, den sie ausübten?
ich versuche noch eine zweite Antwort. Wenn eine Kirche oder bestimmte Kirchenoberen zu einem Krieg aufrufen, ist das ein Akt, den man aus einer moralischen und einer rechtlichen Perspektive zu beurteilen hat. Ein Krieg kann schon mal aus rechtlichen Gründen nicht in Ordnung sein.
Im Hinblick auf die Bibel halte ich alleine eine sittlich-moralische Interpretation für vernünftig. Andere unvernünftige Interpretationsweisen der Bibel, die es auf alle Fälle gibt, lasse ich daher außer Acht.
Wenn also ein Kirchenoberer einen Gläubigen dazu aufruft, in den Krieg zu ziehen, dann hat sich dieser Gläubige an seine Vernunft zu halten und das moralische Gesetz, sein Gewissen etc. Und der Gläubige muss dann nach seiner Vernunft entscheiden. Man kann sich aus der Perspektive der Vernunft je nach Fall für oder gegen die Anwendung von Gewalt im Rahmen eines Krieges entscheiden.
Ganz entscheidend ist aber die Tatsache, dass ein Kirchenoberer eigentlich gar nicht zum Krieg aufrufen kann (oder vielleicht besser: "darf"). Abgesehen davon, dass der Kriegsdienst eventuell im Recht verankert ist, hat sich niemand in die Moral eines anderen Menschen einzumischen. Den Gebrauch der eigenen Vernunft kann ich niemandem abnehmen. Moral ist quasi Privatsache. Mit seinem Gewissen muss jeder individuell umgehen.
Niemandem ist es also erlaubt, zu einem Krieg aus religiösen Gründen aufzurufen, weil dies eine Frage der Moral ist. Und Moral untersteht nur meiner eigenen Persönlichkeit. Würde ein Kirchenoberer aus religiösen Gründen zum Krieg aufrufen, dann würde er sich auf gewaltsame Weise in den Vernunft- und Moralgebrauch anderer Menschen einmischen. Das wäre Zwang. Moral und Religion können aber nur aus der Freiheit der autonom sich selbst bestimmenden menschlichen Vernunft entstehen. Eine Religion, die meine Moral zwingen will, ist keine wahre Religion, weil pervers.
Nachtrag:
Aus den genannten Gründen wird eine moralisch-sittliche Bibelauslegung keine Stellen innerhalb der Bibel finden können, die einen pauschalen Kriegsaufruf aus religiösen Gründen rechtfertigen. Wenn doch, so sind solche Stellen abzulehnen.
Vermutlich findet man gerade im Alten Testament eine Reihe von Stellen, die unter Umgehung der individuellen Vernunft des Einzelnen zur Gewalt aufrufen. Will man diese Stellen nicht ganz verwerfen, so müßte man sie eventuell so interpretieren: "Greift nur zur Gewalt, wenn es aus sittlich-moralischen Gründen nicht anders geht und es mit Eurem Gewissen in Einklang steht!". Aufgrund der eigenen Lebenssituation, des unterschiedlichen Wissens etc kann so eine Entscheidung individuell unterschiedlich ausfallen. Entscheidend ist, dass man sie aus einer gewissen Gesinnung heraus trifft, die mit der eigenen Vernunft in Einklang steht.
Und so kann man sicherlich die Gewalt im Rahmen des Hitler-Attentats 1944 gutheißen oder - wenn die individuellen Voraussetzungen anders sind - auch ablehnen. Nicht die Handlung oder Absicht selbst sind entscheidend, sondern die Gesinnung, aus der heraus entschieden und beabsichtigt wird.
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