Also damit hier kein falscher Eindruck entsteht:
Ich habe einen sehr sympathischen Mitnachbarn im Haus. Er ist noch nicht alt, aber so übergewichtig, dass er manchmal schon so einen Stützwagen zum Laufen braucht. Wenn ich so etwas sehe, bricht es mir schon ein bisschen das Herz. Zufällig habe ich dann mal beobachtet, wie ein Besuch ihm Torte mitbrachte... ja braucht er das denn?
Nein, die genauen Hintergründe kenne ich nicht, es kann mehrere Gründe geben, aber die Ernährung wird ihren Teil tun, weshalb es ihm so geht. Findet ihr denn, die ihr mich jetzt verurteilt habt, das Verhalten des Besuches verantwortungsvoll...? Wird so das Problem nicht noch unterstützt?
Und ist euch an einer Supermarktkasse noch nie ein ähnlicher Gedanke gekommen, wie der, den besagter Mann laut geäußert hat...?
Natürlich ist es nicht immer gut, seine Meinung zu äußern, und ich bin wie gesagt jemand, der das praktisch nie tut. Und das ist eine Seite an mir, die mich sehr stört. Und von dieser Seite aus gesehen wäre es wünschenswert, den Mut zu haben, manchmal laut zu äußern, was man denkt.
Es sind jetzt auch automatisch einige davon ausgegangen, dass der Satz der Mannes zwingend verletzend für die Frau sei. Aber euch sei gesagt, ihr steckt nicht in ihr drin. Nur sie kann wissen und entscheiden, wie sie diese Aussage wertet und empfindet. Der Rest ist eure eigene Interpretation. Übrigens hat sie sich mit ihrer Antwort ja auch klar abgegrenzt, also so ist es nicht.
Genau, sie hat sich gegen seine Übergriffigkeit und Unhöflichkeit abgegrenzt.
Ob sie selbstsicher genug ist, um sein Verhalten an sich abperlen zu lassen oder ob es sie verletzt hat, wissen wir nicht.
Aber sie fand es definitiv nicht hilfreich und angemessen.
Deinen Nachbarn kennst Du besser als der Typ an der Kasse die Frau, die er da angequatscht hat.
Und dass Du noch nicht bei ihm geklingelt und ihm gesagt hast, dass Du tolle Ernährungstipps für ihn hast und dem Besuch mit der Torte nicht in den Arm gefallen bist und am Betreten der Wohnung gehindert hast, ist kein Mangel an heldenhaftem Mut. Sondern dass Du instinktiv weißt, wo die Grenzen sozialen Miteinanders ist.
Was man sich so denkt...
an der Kasse: ich habe mich irgendwann mit einer Freundin darüber unterhalten, wie intressant der Einkaufswageninhalt mancher Leute ist - und wie peinlich manchmal der eigene.
Man bringt das Kind in die Kita, geht zum Supermarkt, der am Heimweg liegt und kauft frisches Gemüse, etwas Obst, nimmt eine Packung von Kinds Lieblings-Bio-100%-heimische Früchtesaft mit, weil der gerade mal wieder im Sonderangebot ist, Naturjoghurt und eine Tüte gemischte Nüsse, am Bäckerstand noch ein halbes Vollkornbrot.
Dann packt man das aufs Kassenband, zahlt, trägt den Kram nach Hause und dort fällt einem siedendheiß ein, dass man ja an dem Tag Filmabend mit Freunden hat.
Also wieder zum Supermarkt: 3 Flaschen Cola, 2 Flaschen Rotwein, Chips, Schoggi, Ofenkäse und Baguette.
Das alles binnen 30 Minuten.
Und die Leute sehen zwei Einkäufe, gewinnen daraus eventuell zwei völlig unterschiedliche Eindrücke zu meinem Lebensstil... und beide sind falsch.