Warum der nahe Tod uns den Mut gibt, Entscheidungen zu treffen, den ungeliebten job aufzugeben, zu reisen, ungute Umstände hinter uns zu lassen, zu Neuem aufzubrechen, zu versuchen Sehnsüchte noch umzusetzen...?
Weil es vermeintlich nur noch diese eine Chance, dieses kurze Zeitfenster gibt. Und weil einen die Angst vor den Konsequenzen bisher abhielt. Aber bei nur noch einem Jahr Lebenszeit, scheinen keine Konsequenzen wie mangelnde Rente o.ä. mehr zu hindern. Wenn ich sowieso nicht alt werde, muß ich auch nicht fürs Alter vorsorgen oder auf ein Haus oder die Weltreise sparen. Dann droht mir vermeintlich weder Arbeitslosigkeit noch Altersarmut...
Tatsächlich kann der Tod jeden Tag vor der Tür stehen. Die meisten - vor allem jüngeren - Verstorbenen, die ich kannte, starben unerwartet. Unfälle, kurze Krankheitsverläufe oder plötzliche kurzfristige Verschlechterungen längerer Krankheiten.
Für mich ist es wichtig, immer in dem Bewußtsein des jederzeit möglichen Todes zu leben. Nach der Geburt ist der Tod die einzige sichere Information auf die dieses Leben hier hinausläuft.
Wenn ich die verbleibende Lebenszeit sicher wissen würde und die Zeitspanne kurz ist, würde ich nicht viel ändern.
Ich würde aber kein Geld mehr für Rücklagen oder irgendwelche Eventualitäten erwirtschaften. Vielleicht kündigen, um frei über meine verbleibende Zeit verfügen zu können. Wenn ich krank wäre, würde sich das erübrigen, dann würde ich eh krankgeschrieben und müßte meine Zeit nicht mehr mit Arbeit füllen.
Ich würde mehr Zeit in der Natur verbringen und noch mehr Zeit mit lieben Menschen. Viele Besuche machen. Mir Menschen suchen, die meinen Sterbeprozess begleiten.
Alles andere versuche ich schon jetzt in mein Leben einzubringen, Auszeiten, Reisen (das muß nicht teuer sein, es gibt viele Möglichkeiten zu reisen, die sind nicht teurer als der normale Alltag).
Ich habe mir in den letzten 6 Jahren bereits 2 Sabbatjahre gekommen. Ich weiß wie lang und wie kurz ein Jahr ist. Wie besonders ein Jahr auf Reisen und ein Jahr um sich in einem neuen Zuhause zu verwurzeln. Zeit ist relativ.
Ich warte nicht mehr mit der Umsetzung. Ich schiebe Herzenswünsche nicht mehr auf. Denn wie gesagt, der Tod kann jeden Moment eintreten. Oder auch körperliche Einschränkungen und Beschwerden oder Lebensumstände, die jederzeit eintreten können und einer Verwirklichung entgegenstehen.
Wenn Du etwas tun möchtest und es jetzt kannst, dann mach es. Wenn Dich etwas stört, dann verändere es oder schließe Frieden damit. Auch wenn Du noch von einer Lebenszeit von einem Jahr ausgehst, kannst Du doch auch schon nächste Woche einen Unfall haben.
Das Leben ist immer jetzt. Und jetzt gilt es das Leben zu leben. Dazu muß man gar nicht alle Brücken abbrechen, aber sich fragen, was kann ich jetzt tun, damit mir mein Leben lebenswert und gut erscheint. Was kann ich gestalten? Welche Lehrer kann ich finden? Was möchte ich in diesem Leben lernen? Was macht mir Freude? Was läßt mich zufrieden sein? Wem kann ich helfen? Worauf kann ich meine Aufmerksamkeit lenken? Was läßt mich mich spüren, frei und fröhlich sein? Wo und mit wem fühle ich mich wohl?
Ich wünsche Dir ganz viel Freude und Lebensfülle in diesem Deinem Leben, das einzigartig ist und das nie jemand vor Dir gelebt hat und nie jemand nach Dir jemals leben wird.