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Wendepunkt in meinem Leben

Villen

Neues Mitglied
hey liebes Forum !,

Ich schreib einfach mal ein paar Stichpunkte:

- 24 Jahre alt, vor 6 Monaten das Studium nach 3 Jahren abgebrochen
- Ich lebe seit vielen Jahren in einem Zustand nahezu vollständiger sozialer Isolation
- rede vielleicht einen Satz pro Monat
- bin den ganzen Tag in meinem Zimmer
- ich achte jeden Tag darauf nicht mein Zimmer zu verlassen wenn ich meiner Mutter begegnen würde und versuche so wenig Geräusche wie möglich in meinem Zimmer zu machen, damit mich niemand hört
- ich besitze keine intrinsische Motivation um irgendeiner Beschäftigung nachzugehen
- ich bin der Überzeugung, das durch die Eigenschaft der neuronalen Plastizität des Gehirns, ich über die Jahre ein Mensch geworden bin, der keine Fähigkeit mehr besitzt zu kommunizieren oder sich dauerhaft auf eine Sache konzentrieren kann (habe mich die letzten Jahre nur vor meinem PC gelangweilt und mich wahllos durchs Internet geklickt)

Ich kann meine Probleme nicht mehr vor mir herschieben,meine Mutter wird in den nächsten Tagen herausfinden, dass ich das Studium nicht geschafft habe. Nun muss ich mir eine Ausbildung suchen, was für mich nicht in Frage kommt. Ich werde noch weniger Motivation für die Ausbildung haben als für das Studium (die fachlichen Anforderungen waren nicht das primäre Problem, letztlich war es allgemeine Gleichgültigkeit, ein paar Mausklicks hätten mich vor der Exmatrikulation bewahrt). Als Student war es nicht so schlimm ohne Geld zu sein und zuhause zu wohnen. Aber jetzt fällt mein Leben zusammen wie ein Kartenhaus. Jetzt bin ich der dumme, der mit teilweise 8 Jahre jüngeren eine Ausbildung beginnen müsste und jahrelang weiterhin kein Geld haben würde. Nebenbei noch 20.000€ Schulden abzahlen, also mit vielleicht Anfang 30 ein kleines plus auf dem Konto, Horrorvorstellung.

Die letzten Nächte waren hart, ich krümme mich und verkrampfe, obwohl ich keine körperlichen Beschwerden habe. Ich dachte immer ich wäre ein eiskalter Stein und könnte mit einem Lächeln Schluss machen, aber zur Zeit plagt mich große Angst.

"So wie ein Reh aus den Händen des Jägers, so wie ein Vogel aus der Schlinge des Vogelfängers. - Du musst Dir selber helfen." - ich glaube dieses Filmzitat ist sehr wahr. Was sind schon menschliche Bindungen, wäre ich 20 km weiter weg geboren hätte ich ganz andere Menschen kennengelernt. Meine besten Freunde aus Kindertagen haben mich verlassen, was heißt also schon Freundschaft. Frauen sind das beste auf der Welt, aber ich konnte nicht eine kennen lernen, was ist schon Liebe (wirklich keine Ahnung).

Ich dachte immer mir gehörte die Welt, wenn ich nur wollte könnte ich finanziell alles erreichen. Jetzt trifft mich die Realität wie die sprichwörtliche Faust ins Gesicht. Wie konnte ich wertlose Ratte 24 Jahre werden, während echte Menschen teilweise schon früher sterben mussten.

Jetzt hab die Wahl zwischen Scheiße und noch mehr Scheiße.
 

Violetta Valerie

Moderator
Teammitglied
Nein, DU hast nicht die Wahl zwischen Sche** und Sche***
Sondern die Wahl zwischen Sch*** und irgend was anderem. Und da gibt es ne Menge was Du machen kannst. Es ist ja so ungefähr alles, was Du jetzt anpackst besser, als sich zuhause so einzuigeln.
Also am besten, Du redest als erstes mal mit deiner Mutter: Sag ihr, wie schlecht es Dir geht. Ein Mensch isoliert sich nicht freiwillig: Da steckt meist großes Leid dahinter. Aber da kann man Dir helfen: Du könntest zB eine Therapie machen. Zumindest brauchst Du Menschen, die Dich unterstützen.
Was das Studium angeht: Offenbar geht es Dir ja nun wirklich nicht gut. Gefällt Dir das Studium denn an sich? Würdest Du es gerne abschließen? Wenn ja, dann könntest Du mal zum Arzt gehen: Der kann Dir eine Bestätigung schreiben, dass Du zu dem Zeigpunkt, wo Du das alles versäumt hast, psychisch angeschlagen warst. Dann gibt Dir die Uni vielleicht nochmal ne Chance und beurlaubt Dich (geht auch rückwirkend). Es ist noch nicht zu spät. Wende Dich an die Studienberatung Deiner Fakultät: Meist geht da mehr, asl man denkt.
Und wenn Du wirklch raus bist: Macht doch nix, dann findest Du was anderes: Es gibt sicher ein Studienfach, das deinem ähnlich ist, und wo Du Dir Scheine anrechnen lassen kannst. Du musst nicht wieder bei 0 anfangen.
Aber als erstes geht es um Deine Psyche: Du kommst alleine ncht weiter, aber das macht nichts: Wofür gibt es denn Leute, die einem helfen?
Also los- raff Dich auch und geh zu Deiner Mutter! Du musst nur den ersten Schritt tun!
Ich drücke die Daumen!
 
G

GrayBear

Gast
Hallo Villen,

manchmal scheint es mir, als ob unser Gehirn einfach falsch funktioniert. Worin liegt der Sinn, wenn man sich so in seinen eigenen Gedanken einschließt, wie es Du gerade machst? Da kommen einem sehr viele dieser W-Fragen. Fast unzählige davon findest Du in diesem Forum. Warum bin ich so, wie ich bin? Dahinter stecken manchmal so viel Wut, Trauer und Angst, dass eine Schreckstarre eintritt. Und doch weiß ein Winkel unseres Hirns: "Hey, was machst Du denn da!! Das sind doch nur Gedanken! Du bist doch keine Maus in den Fängen einer Katze, die Dir gerade den garaus macht, weil es ihr danach ist." Ich würde Dir sehr gerne eine wunderbare Wahrheit, ein gigantisches Geheimnis verkünden, dass aus all Deinen Monaten Einsamkeit und selbst gewählter Isolation, aus all Deinen Sorgen und Nöten etwas grandios Nützliches macht, aber leider gibt es das nicht, zumindest habe ich es noch nicht gefunden.


Aber was ich gefunden habe, ist dies: unser Gehirn produziert seit Jahrtausenden Was-wäre-wenn-Spielchen und das in 3D und Echtzeit. Wenn ich jetzt versage ..., wenn ich jetzt die falsche Entscheidung treffe ..., wenn ich jetzt nicht ausstehe..., und immer so fort. Und manchmal kommt der verhängnisvolle Punkt, an dem wir unsere Gedanken für einen Teil der Wirklichkeit halten. Wie früher als Kinder verwischen die Grenzen zwischen Spiel und Leben und irgend wie war und ist das ja auch toll, faszinierend und ... eben kindlich, wenn da nicht auch noch unsere dunkle Seite in uns wäre, die weit mehr mit entscheidet, je mehr wir sie verleugnen und verdrängen.

Du hast die Entscheidungen Deiner hellen Seite durch viele kleine Schritte, geboren im Ursumpf unserer Psyche, demontiert. Vielleicht entstanden die Gedanken durch die Erkenntnis der Beliebigkeit unserer Wahl: was ist besser daran, erfolgreich zu sein? Was ist an einem Lächeln wirklich besser? Was nützt ein Studium, wenn die Mühe nicht weniger wird? Was nützt eine Berührung, wenn der Schmerz danach um so deutlicher fühlbar wird? Ja, ich weiß, es gibt dazu viele Antworten, aber was macht wirklich einen Unterschied? Unsere Gedanken sind manchmal einfach kalt, steril und beliebig austauschbar. Ja, manchmal sind Du und ich nur Vögel in der Schlinge des Schicksals und das Schlimmste ist: am anderen Ende der Schlinge ist nicht einmal jemand, den man dafür hassen, verurteilen oder gar bekämpfen könnte.

Und, als ob das nicht schon genug wäre, kommen dann die eigenen Lustlosigkeiten, Unfähigkeiten, Gehässigkeiten und Dummheiten hinzu und Dein Kartenhaus, das zuvor bewundert und mit einem Lächeln bedacht wurde, zerfällt einfach, ohne einen Knall, ohne einen Sinn und ohne der Rede wert zu sein, denn es war, was es ist: nur ein Kartenhaus.

Warum lügen und betrügen wir uns selbst und die, die wir lieben? Weil wir es können. Warum triffst Du dämliche Entscheidungen? Weil es Dir möglich ist. Und wenn Du keine anderen Faktoren für Deine Entscheidungen heranziehen kannst, dann tritt diese Beliebigkeit zutage, dann verzweifelst Du an der wahren und entsetzlichen Sinnlosigkeit Deiner Wahl.

Falls diese Worte in Dir bisher einen Wiederhall gefunden haben, kommt nun das eigentlich Wichtige: wenn Du Deinem Leben keinen Wert und Sinn beimisst, dann hat es NUR FÜR DICH keinen. Ja, Dein Leben hat IMMER einen Sinn, und sei es nur als Ausrede für Dich und andere. Auch wenn Du nur Scheiße baust und im Knast landest, verdienen wenigsten die Gefängniswärter an Dir. Ja, auf irgend eine Art ist es im Grunde egal, was und wie Du entscheidest, das ist die kalte Seite des Lebens. Schlussendlich taugst Du nur noch zum Friedhofsdünger. Oder ... oder Du fängst an, eigenverantwortliche Entscheidungen für Dich zu treffen und erschaffst Dir DEIN EIGENES Wertesystem. Ob Du als Hämorrhoide am A**** Dein Schicksal fristest, als Pickel im Gesicht oder als Mann in den liebevollen Armen einer Frau, das ist dem Leben nicht so wichtig, nur der Ausblick variiert. Ja, es stimmt, nicht jeder wird als Rose geboren und viele Menschen kommen aus dem Dreck, in den sie hineingeboren wurden, nie heraus. Das ist einfach die Realität und alle kindlichen Träume und schmerzlichen Sehnsüchte ändern daran nichts.

ABER, mein liebes Menschenkind: Deswegen ist FÜR MICH ein Kuss noch immer ein wunderbares Gefühl, das Werk von Bach noch nach Jahrhunderten eine Offenbahrung, die Toteninsel von Tschaikowsky eine Notenwelt zum Niederknien und das Lächeln meiner Tochter so wunderbar, dass ich keine Worte dafür habe, die ausreichen könnten.

Du bist an einem Punkt in Deinem Leben angelangt, an dem für Dich ganz persönlich die Beliebigkeit Deiner Entscheidungen ein Ende erreicht hat, denn ab jetzt wird es für Dich unerträglich schmerzhaft. Bislang hast Du Deinem Leben und anderen Menschen immer wieder die lange Nase gezeigt, weil Du es konntest. Du und andere, Dich liebende Menschen, konnten die Scheiße immer wieder gerade biegen.

Leiden erschafft keinen Sinn, Einsamkeit sammelt keine Payback-Punkte, Untätigkeit bringt nur Mördern Segen. Du erkennst, dass Dir die Welt nicht gehört, dass auf Deinem Geburtsschein nicht Einstein und auch nicht Schweizer steht und das Heilmittel für Krebs steckt nicht in Deiner Tasche. Aber, mein lieber junger Mann, Du kannst einem anderen Menschen mit Deinem gütigen und mitfühlenden Lächeln die helle Seite des Lebens zeigen, kannst Deiner Mutter die Wahrheit sagen, die sie ziemlich sicher schon weiß. Du kannst ein gutes Leben führen, in dem die Dinge Raum finden, die Dir etwas bedeuten. Was ist für Dich wertvoll?! Auch mit Scheiße kannst Du Geld verdienen! Sei nicht so arrogant und selbstverliebt, dass Du alle Angebote des Lebens weiterhin ausschlägst und in den Staub fallen läßt.

Kennst Du diesen furchtbar traurigen Witz: Ein Mann befindet sich auf einer einsamen Insel, kurz vor dem Hungertot und betet zu Gott um Rettung. Da kommt ein großes Stück Holz vorbeigeschwommen, das ihn zum nächsten Land tragen oder als Signalfeuer dienen könnte. Er beachtet es nicht, denn Gott wird ihm helfen. Dann fährt ein Schiff vorbei. Er bleibt sitzen, macht sich nicht bemerkbar, denn Gott wird ihn ja retten. Zuletzt überfliegt die Insel ein Hubschrauber, die Piloten sehen ihn und fragen nach, ob sie helfen können. Er verneint und winkt freundlich, denn Gott wird ihn retten. Als er schließlich verhungert an der Himmelspforte erscheint, fragt er Gott, warum er ihm nicht zu Hilfe kam. Und Gott blickt ihn überrascht an und meint: "Baumstamm, Schiff, Hubschrauber, Hallo??!!".

Lieber Villen, nein, Dein Leben ist kein Witz. Niemand kann das so gut beurteilen wie Du. Einsamkeit ist das einzige Gefängnis auf dieser Welt, in dem die Türklinke innen angebracht ist. Nein, es wird in aller Regel nicht leichter und auf Besserung zu hoffen und zu warten, kann ganz schön lange dauern. Lege Dein kindliches Gebaren und Betragen ab, geh duschen, mach einen Spaziergang, rede mit Deiner Mutter, fang an, in Deinem Leben Deine Werte um zu setzen. Dieses Ganze "Höher, schneller, weiter" ist doch unmenschlicher Unsinn. Was ist Deins? Was genügt Dir? Lass dieses ganze Vergleichen. Wenn Du nicht Raum, Luft und Freude in Deinem Leben erschaffst, wirst Du nur eines: einsam bleiben. Jetzt schicke Deinen überforderten und unglücklichen 10-jährigen Jungen in Dir ins innere Sommercamp und steh als erwachsener Mann auf und mach einen sinnvollen Schritt und dann noch einen.

Ich wünsche Dir, dass Du Deine Scheuklappen ablegst.

Alles Gute


PS: Das mit der "neuronalen Plastizität" hast Du schön gesagt.
 
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