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Warum sehen viele Menschen Obdachlosigkeit als einen selbst verschuldeten Zustand ?

K

Kassenzettel

Gast
Wenn man bei dem System nicht mitmachen will, muss man die Konsequenzen tragen. Und zwar ohne dem "System" die Schuld zu geben!
Man muss dazu aber auch sagen: Wer sich "trotzdem" mit dem System arrangiert, der kann dennoch psychisches Leiden davon tragen. Ich spreche mal von mir: Ich will nicht obdachlos werden. Ich will auch nicht auf ein Arbeitsamt. Ich musste da mal mit 16 mit meiner ausländischen Mama hin und mich um alles kümmern. Ich wurde da schikaniert. Die Leute die da ebenfalls im Warteraum saßen waren sehr, sehr seltsam. Ich hab die Angestellten lästern hören, weil sie die Tür nicht zugemacht hatten. Das war für mich Teenagerin damals fast schon traumatisierend. Und ich sag dir eins: Ich hab einfach Angst da hin zu müssen. Und ich hab jetzt einfach Angst davor, irgendwann einmal Sozialhilfe beantragen zu müssen und wie ein Schwein auf der Schlachtbank behandelt zu werden.
MIR macht das einen ziemlichen Druck, solange ich keine ordentlich bezahlte Festanstellung habe, und ich finde das nicht schön.
 

Duine

Aktives Mitglied
ABer grade bei der Thematik ist es sinnvoll, das logische vom emotionalen zu trennen.

Ich kenne eine Person, die beinahe obdachlos geworden ist, und eine die es war. Und beide waren, wenn man es genau betrachtet, selber schuld. Ebenso sehe ich es bei allen Berichten, die ich bislang gelesen, gehört oder gesehen habe.
Ich habe bei den meisten Beispielen durchaus Verständnis für die Situation, und will nicht ausschließen, dass mir eventuell das gleiche passieren könnte. Ich habe Mitleid, und ich erkenne an, wie scheisse die Situation ist. Aber bei jedem gab es den Punkt, wo ich gesagt habe "DA lief es schief, DA hast du Scheisse gebaut." Als Außenstehender, Nicht-Betroffener hat man da einen viel klareren Blick drauf. Und fast immer sieht man, dass eine der Problematiken ein Verschleppen von Dingen ist. Man verschleppt es, sich um Schulden zu kümmern. Man verschleppt es, zum Amt zu gehen. Man verschleppt es, sich wegen psychischer Probleme in Therapie zu begeben. Ich habe vollstes Verständnis dafür, ich hab mich schon in enorme Scheisse geritten, weil ich das auch gerne mal tue, auch mit sehr wichtigen, unangenehmen Dingen. Aber ich sehe halt auch, dass es die Konsequenz aus MEINEM Nicht-Handeln ist, und nicht, weil das System oder sowas es böse mit mir meint oder jemand über mich gelästert hat.
 

HESBACK

Aktives Mitglied
Mann kann auch beides vereinen und dementsprechend nach der Situation handeln.
Die Emotionalität ist doch bei vielen schon abgestumpft oder war nie vorhanden.
 
Mann kann auch beides vereinen und dementsprechend nach der Situation handeln.
Die Emotionalität ist doch bei vielen schon abgestumpft oder war nie vorhanden.
Emotionalität ist leider im Zusammenhang mit Ämtern sehr zweischneidig. Natürlich wäre es schön, wenn ein Sachbearbeiter Mitgefühl und Anteilnahme zeigt. Aber:
Jede Emotionalität, die zugestanden wird, kann umgekehrt auch wieder missbraucht werden. Bei Ämtern gibt es einen sog. Ermessensspielraum, den Mitarbeiter nutzen können, und dieser Spielraum bedeutet hart formuliert nichts anderes, als dass jeder Sachbearbeiter nach seinem Ermessen für oder gegen jemanden entscheiden kann. Wenn eine junge, hübsche Mama durch die emotionale Anteilnahme leichter an eine Wohnung kommt, wäre das eine Sache. Umgekehrt kann es aber auch passieren, dass ein älterer Mann, vielleicht etwas müffelig und ungepflegt, nicht an das kommen könnte, was ihm eigentlich zusteht, nur weil der Sachbearbeiter nicht von ihm angetan ist.
Mitarbeiter in Ämtern sollten in erster Linie der Gerechtigkeit und den Gesetzen verpflichtet sein, ohne jede Willkür.
Spielraum für emotionale Anteilnahme wäre letzten Endes aber die offene Tür für willkürliche Entscheidungen.
 

Adria78

Aktives Mitglied
Zur Ausgangsfrage: Jein. Nicht selbst verschuldet. Aber manchmal kann man Obdachlosen auch nicht helfen.

Ich habe jahrelang in einer Behörde intensiv mit Obdachlosen gearbeitet. Dabei hat sich mein Bild total verändert.

Die wenigsten sind diese "unangenehmen Penner" die man so im Kopf hat. Also ungewaschen, total betrunken und absolut nicht ansprechbar. Diese Menschen gibt es, aber ich denke das sind 10 % der Obdachlosen.

Die meisten achten sehr auf ihr Äußeres. Es gibt so Stellen, wo sie sich duschen können und ihre Wäsche waschen. Das nehmen viele in Anspruch.

Problem ist trotzdem diese Menschen von der Straße weg zu bekommen. Viele haben extreme psychische Probleme. Auch wenn sie nicht sturzbetrunken sind, spielt Alkohol und Drogen eine Rolle.

Es gibt viele Heime, in denen sie leben können. Das sind Übergangsheime, mit dem Ziel später eine feste Wohnung zu finden.
Aber mit der Maßgabe nicht mehr zu trinken oder Drogen zu nehmen. Das schaffen sehr viele nicht.

Deswegen gab es auch schon Heime, die auf diese Regel verzichteten. Weil es einfach nicht klappt. Und die ihre Regeln wirklich auf ein Minimum reduzieren. Trotzdem gab es viele "Abbrecher". Die selbst mit den wenigen Regeln nicht klar kamen.

Der Grund waren meistens schwere psychische Probleme.
Viele öffnen ihre Post nicht (wenn sie Mahnungen erhalten), schaffen es nicht zu den Ämtern zu gehen und Hilfe einzufordern (dazu muss man auch Durchsetzungsvermögen haben), kennen ihre Rechte nicht (um Obdachlosigkeit zu vermeiden muss der Staat notfalls mit einem Darlehn einspringen). Diese Menschen haben extreme Probleme mit anderen zusammen zu leben. Werden durch Alkohol aggressiv, werden deswegen auch gerne gekündigt von Vermietern. Regeln können sie nicht einhalten und auch ein Ziel nicht mehr selbst verfolgen.

Seitdem ich bei der Behörde gearbeitet habe, hat sich die Welt verändert. Es gibt noch weniger Wohnungen, man landet noch schneller auf der Straße.

Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, bräuchten wir bezahlbaren Wohnraum UND mehr Therapeuten. Das Menschen, die es nicht mehr schaffen, ihren Alltag zu regeln, Hilfe bekommen. Und nicht ein halbes Jahr mindestens auf einen Therapeuten warten müssen.
Die Obdachlosen müssen zur Therapie bereit sein. Das sind nicht alle! Aber wir sollten ihn wenigstens die Möglichkeit dazu geben, einfach an eine heran zu kommen. Dann ist es ihre Entscheidung, ob sie auf der Straße weiter leben möchten oder nicht. Im Moment haben sie diese Entscheidungsfreiheit leider nicht.
 

Biokatze

Aktives Mitglied
Obdachlosigkeit ist manchmal selbstverschuldet und manchmal nicht. Mein Vater war vor vielen Jahren auch obdachlos. Heute hat er eine Familie, ein Dach über dem Kopf, Essen und Arbeit. Also es ist auch möglich, dass alles bergauf geht.
 
A

annakarina

Gast
Es kann wirklich JEDEN treffen und das manchmal schneller, als die Betreffenden, die heute noch sich darüber erheben, selbst ahnen....
Und Schuld - nein, Schuld ist es nie. Im schlimmsten Falle Versagen - aber wer von uns versagt nicht?
Doch nur allzu oft ists heutzutage nicht einmal das. Sondern eine Verkettung unglücklicher Umstände, durch die man in einen Teufelskreis gerät, die denjenigen für potetielle Vermieter unattraktiv sein lässt.
Und dann ist das Aus vorprogrammiert....
 

Pandoralight

Mitglied
Hallo Community,

wie gesagt die Meinungen sind da eher gespalten und ich möchte hier an dem Punkt noch etwas näher darauf eingehen.

Es ist meistens so, dass die Menschen die in die Obdachlosigkeit geraten keinen Sinn mehr im Leben sehen oder nicht die nötige Portion an Motivation. Ja viele verschulden sich selbst und ja für Aussenstehende wird schnell klar wo der Hund begraben ist. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille!

Ich nehme mich da mal als Beispiel. An sich kerngesund intelligent doch zu unkonzentriert und nicht bei der Sache sodass die Mitarbeiter und ich auch die Nerven verlieren und dadurch entsteht ein riesiger Druck und dann bin ich irgendwann nicht mehr in der Lage zur Arbeit zu gehen weil ich mich vor Fehlern fürchte.
 

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