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War das schon missbrauch?

Seelentaler

Mitglied
Ich möchte euch gerne mal meine Geschichte erzählen.

Das alles ist schon ziemlich lange her, inzwischen bin ich bereits 42. Irgendwas hat schon immer nicht gestimmt. Ich habe seit Jahren Depressionen, mal schlimmer, mal besser.

Als die Missbrauchsfälle in Münster aufgedeckt wurden, wurde dabei irgendwas in mir getriggert und seitdem beschäftige ich mich pausenlos damit. Dabei kamen auch mehrere Dinge hoch, von denen ich nicht weiß, ob man sie als Missbrauch bezeichnen kann. Deswegen würde ich dazu gerne mal eure Meinung hören.



Ich bin ein Einzelkind. Meine Eltern sind noch immer verheiratet (nächstes Jahr 50 Jahre) und ich hatte eine eigentlich schöne Kindheit in einer kleinen Stadt.

Ich habe nicht sehr viele, bewusste Erinnerungen an meine Kindheit. Ich erinnere mich an viele schöne Dinge. Angeln mit meinem Papa, sonntagsmorgens im Bett vorgelesen bekommen und viel draußen zu spielen. Oft schwimmen gehen und sich auch nie sorgen machen müssen, weil kein Geld da ist oder so. Papa ist Beamter im gehobenen Dienst (inzwischen a.D.) und meine Mama hat halbtags wieder gearbeitet, als ich in den Kindergarten kam.

Ich habe aber auch einige nicht so schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Vor allem an die Zeit, als ich bereits in der Grundschule war.

Einmal bin ich einige Stufe zum Keller runter gefallen. Meine Mama hat das mitbekommen und ist runter gekommen, um mich zu trösten. Sie hat mich auf den Schoß genommen und hat mir mehrfach in den Mund gepustet mit der Aussage, ich müsse aber auch atmen können, wenn sie das macht, sonst wäre etwas nicht in Ordnung.

Ich erinnere mich an ein Fiebermessen, bei dem ich auf dem Sofa lag. Meiner Mutter so auf dem Schoß, als würde sie mir den Hintern versohlen wollen. Mein Vater war auch da, über seinem Schoß lagen meine Beine. Und ich fand das unsagbar entwürdigend.

Wenn ich etwas angestellt habe (was ja durchaus vorkommt als Kind), bin ich nach meiner Erinnerung nie geschlagen worden. Ich bekam auch nie Hausarrest. Ich wurde ignoriert. Tagelang. Ich habe noch genaue Erinnerungen daran, wie ich in der Küche heulend vor meiner Mutter stehe und sie anflehe, mich wieder lieb zu haben.

Vermutlich bin ich an all dem selbst schuld. Meine Eltern haben lange gebraucht, bis Mama endlich schwanger wurde und dann war es eine schwierige Schwangerschaft, während der sie sehr lange im Krankenhaus liegen musste. Ich kam dann als Steißgeburt auf die Welt und habe deswegen nun eine halbseitige Lähmung. Es erwartete mich viele Jahre Physiotherapie und meine Mama hatte so Angst vor einer erneuten Schwangerschaft, dass ich deswegen nie ein Geschwisterchen bekam.

Als ich 13 war folgte ein Martyrium in der Schule durch meine Klassenkameraden. Ich wurde gehänselt, weil ich eben ein bisschen gehumpelt habe (inzwischen ist das alles mehr geworden) und ich auch Spastiken in der Hand habe. Das habe ich in den Jahren nach dieser Zeit in der Schule gelernt, so gut zu verstecken, dass es niemand merkt, wenn ich das nicht will.

Ich bin dann drei Jahre (7., 8. und 9. Klasse) lang kaum in die Schule und habe erst mit 17 meinen Hauptschulabschluss nachholen können. Mit 19 Jahren folgte dann in der Abendschule mein Realschulabschluss.

Freunde aus der Kindergarten- oder Schulzeit habe ich keine mehr. Überhaupt war ich eigentlich die Zeit zwischen meinem 13 Lebensjahr und dem Beginn der Abendschule völlig alleine.



Ich war gerade 14, als ich wenige Wochen später mit meinen Eltern im Urlaub gewesen bin. An der Ostsee. Da gab es ein Schwimmbad und da kam es dazu, dass eines Tages ein erwachsener Mann neben mir stand, der plötzlich seine Hand zwischen meine Beine schob. Ich habe da gestanden wie festgenagelt und konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nichts sagen und auch eine ganze Weile nicht weg gehen. Als er nach einem, vermutlich kurzen, Moment von mir abließ, bin ich weggeschwommen, habe das unter „Zufall“ verbucht und halt weiter rumgespielt wie man das mit 14 im Spaßbad halt so tut. Irgendwann stand ich wieder genau dort und er war auch noch da. Diesmal ist er sogar unter meinen Badeanzug. Ich bin dann weggeschwommen und hatte solche Panik, als ich sah, dass er mir folgte, dass ich meiner Mama zu gewunken habe, die immer an einer höheren Stelle stand und sich das Trubel ansah, weil sie nicht so gerne schwimmt. Er ist dann abgedreht und ich habe niemals jemanden davon erzählt, außer einer vertrauten Person, die etwa 2 Monate danach in meinem Leben auftauchte.

Mir wurde in der Folgezeit eingeredet, dass das etwas positiv war, weil „ich es wollte“, ich „so eine gute Ausstrahlung auf Männer“ habe, weil ich neugierig war und „es ein Kompliment ist“.



Das ist, sehr grob erzählt, meine Geschichte. Und ich habe keine Ahnung, ob das, was ich als Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend habe, bereits unter „Missbrauch“ läuft oder nicht. Und angesichts dessen, was man in den Medien sonst so hört und liest, wenn es um Missbrauch geht, erscheint mir all das einfach sehr banal und unbedeutend….

Ich weiß, dass ich mich echt nicht beschweren muss über mein Leben und das es Millionen Kinder gibt, denen es viel schlechter geht / ging!
 

Werner

Sehr aktives Mitglied
Hallo Seelentaler,
welchen Unterschied würde es für dich bedeuten,
wenn du diese/s Erlebnis/se als "Missbrauch" be-
zeichnen würdest?

Es ist ja das Eine, dass uns etwas passiert, aber
damit ist noch nicht festgelegt, welche Bedeutung
wir diesem Erlebnis geben. Hierin bist du frei.

Alles Gute!
Werner
 

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