Anzeige(1)

  • Liebe Forenteilnehmer,

    Im Sinne einer respektvollen Forenkultur, werden die Moderatoren künftig noch stärker darauf achten, dass ein freundlicher Umgangston untereinander eingehalten wird. Unpassende Off-Topic Beiträge, Verunglimpfungen oder subtile bzw. direkte Provokationen und Unterstellungen oder abwertende Aussagen gegenüber Nutzern haben hier keinen Platz und werden nicht toleriert.

Wann geht's endlich los? - "Der Klassiker"

S

StefanoMilano

Gast
Ich wundere mich gerade wie verrückt, diese Plattform erst jetzt entdeckt zu haben...

Zu mir... Ich bin jetzt 28, mittleres von vier Kindern.
Ich bin aufgewachsen in der Vorstellung, den Handwerksbetrieb meines Vaters mal zu übernehmen, dementsprechend sah auch meine bisherige Schulbildung aus. Schließlich fing ich auch im Betrieb zu arbeiten an.
Nur Spass hatte ich eigentlich nie wirklich daran, nur vereinzelt. Der Sohn des Chefs zu sein ist eben auch nicht immer einfach.
So vergingen die Jahre, eine Leidenschaft stellte sich klarerweise auch nie ein. Habe ich immer in dem Glauben gelebt, einfach eine schüchterne Persönlichkeit zu haben, glaube ich nun, dass ich nie gelernt habe, in mir aufflammende Leidenschaften zu erkennen und ihnen nachzugehen...
Ich liebe es, Trompete im Musikverein zu spielen. Ohne grosse Anstrengungen habe ich es zum ersten Trompeter gebracht und dirigiere das Orchester mittlerweile auch. Aber dieser Tätigkeit mit ungebremster Liebe und Freude nachzugehen, wollte ich mir bisher nicht zugestehen. Ist ja nur ein Hobby. Wäre ja auch nicht schlimm. Nur habe ich, damit ich diesem Hobby mit besagtem Enthusiasmus nachgehen kann, immer die Arbeit im Kopf gehabt. Aber nicht die Arbeit an sich, sondern all die Ängste, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe. Ich streng' mich zu wenig an, die Kollegen mögen mich nicht, man erwartet zuviel von mir usw.
Mein Vater ist ein stiller Kämpfer sozusagen... Früher hab ich ihn um seine Gelassenheit und Stressresistenz, seine Stoizismus bewundert, heute sehe ich einen Mann, der gelernt hat, alle seine Bedürfnisse und Wünsche zum Wohl der Firma und der Kunden konsequent zu unterdrücken... Ich fürchte, ich ufere aus...
Schnellvorlauf: Corona, keine Parties (Keine Ablenkung für meinen persönlichen Stillstand), zuhause rumhocken und Bier trinken, offene Gesprächskultur in der Familie nicht existent, Depression, lange auf bessere Zeiten warten, Tagelang im Bett heulen, Therapie.
Kernthema in der Therapie ist Scham. Scham für mein jahrelanges Nichtstun, noch nie eine Freundin gehabt zu haben, noch nie nüchtern mit einer geliebten Person Sex gehabt zu haben, die Liste ließe sich selbstverständlich weiterführen.
Nach der Scham kommt dann natürlich die Angst, konfrontiert zu werden.

Ich will in die Stadt, vielleicht was Studieren, Teilzeit arbeiten, Musik machen, Band gründen, Sex haben, frei sein... All das, was andere mit 20 machen. So weit so gut... Aber gerade jetzt? Steigende Lebenskosten, Wohnungsmangel, Krieg, Klimakrise, Spritpreise,... Wie soll ich mich da auf ein unbeschwertes Stadtleben freuen? Ist es von vornherein Blödsinn, in die Stadt zu wollen? Soll ich mich lieber freuen zu Hause einen Blackout weitaus besser zu überstehen als in einer gasbeheizten Wohnung?

Tja... von wegen, es ist nie zu Spät
 

HalliGalliSuperstar

Aktives Mitglied
Was wären denn die konkreten Probleme, abgesehen von diffusen Zukunftsängste?

- es dem Vater / den Eltern zumuten, dass es keinen Nachfolger gibt
- sich in der Stadt finanzieren
- mit weniger Geld auskommen
- usw.

"vielleicht etwas studieren" - d.h. es geht dir mehr ums wilde (Studenten/Musiker-) Leben als darum, beruflich etwas anderes zu lernen? Nur mal ein paar Jahre ausbrechen und dann zurückkommen? Ich denke, wenn du Letzteres nicht willst, musst du die Alternative richtig durchziehen. Nicht "vielleicht".

Wäre ein Mittelweg denkbar? Ein Studium, das sich mit dem Handwerksbetrieb sinnvoll vereinbaren ließe? Zum Beispiel Schreinerei + Architekturbüro.

Wäre eine Auszeit denkbar? Ein Jahr Sabbatical und dann mal sehen? In einem oder zwei Jahren hast du mehr Informationen über
- das Stadtleben
- dich selbst
- den Krieg
- den Klimawandel und die Klimapolitik.

Die Option, den Betrieb daheim weiterzuführen, ist doch nicht sofort weg, wenn du in die Stadt ziehst, oder?
 
G

Gelöscht 119644

Gast
mein verständnis ist groß.
halligallisuperstar spricht sehr interessante fragen an.
meine bekannten haben teilweise den betrieb ihrer familie übernommen und machen den job sehr gerne.

andererseits gab es eine zeit, damals fuhr ich recht oft im ice und lertne allerhand menschen auf der fahrt kennen. unter anderem jemand, der versuchte, für unternehmen, wie das deines vaters nachfolger zu finden.

ich selbst kann handwerker nur bewundern
genauso bewundere ich menschen, die ein musikinstrument voller leidenschaft spielen können.
schlussendlich muß jeder entscheidungen treffen.

für deine, wünsche ich dir das beste. ;)
 
W

w_123

Gast
Geh einfach. Ne bessere Zeit wird nie kommen. Du bist jung, da haben die Leute, die in die Stadt gehen, um ein bisschen Freiheit zu erleben, traditionell kein Geld. Das gehört zum Lebensgefühl!
 
S

StefanoMilano

Gast
Danke für die netten Worte.
Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.
Da ist so eine Lähmung, die ich nur schwer überwinden kann. Und jung fühl' ich mich ja auch nicht mehr.
Ich bin so beschäftigt, mein Umfeld zu hassen, das mich so hat werden lassen, dass ich keinen Menschen hatte, der mich an der Hand nimmt, bei dem ich aufblühen konnte. Nur dieses pragmatische Provinz-Volk, überheblich ausgedrückt...
Ja, mein Leben liegt nur in meiner Hand. Das weiss ich soweit.
Da liegt ein weißes Blatt Papier vor mir, und setze ich den ersten Strich falsch, kann es nie zum Kunstwerk werden, so stelle ich mir das vor.
Es hört sich ja aufregend an, jetzt mal ein Jahr lang einfach was versuchen und machen. "Und dann schauen wir weiter"....
Nur wie bekomme ich das Gefühl, dass es eine gute Idee ist.
 

Griseus

Mitglied
Och wie nett, willkommen im Club!
Das Einfühlsamste das ich zu der Situation zu hören bekam war ein nett gemeintes "Haha" ;)

Einen wirklichen Ratschlag habe ich auch nicht, ich selbst werde das ganze durchziehen. Aber ich konnte mich mit der grundsätzlichen Tätigkeit anfreunden.
Nur... die schönen und einfachen Arbeiten trägt man anderen auf, weil man selbst immer das dreckigste Eck aufzuräumen hat. Der Preis für das Cheff-dasein ist verdammt hoch.

Und so wie ich das beurteilen würde, ist er mittlerweile zu hoch. Der Druck aus der Gesellschaft wird von Jahr zu Jahr mehr, aktuell streichen die bösen Firmen angeblich ach so hohe Gewinne ein, bei der Inflation muss man das doch an die Arbeitnehmer weiterleiten!
In meiner Branche haben die Verkaufspreise 20 Jahre stagniert, aber es ist kaum ein Jahr vergangen in dem keine neuen Pflichten und Abgaben erfunden wurden, das rächt sich jetzt.
Im Zeitraum von 2012 bis 2017 haben 24% der Betriebe in meiner Branche dicht gemacht, im selben Zeitraum davor nochmal 10% und den Abstieg aufgehalten hat bis heute auch nichts.
Pleite gegangen wird aber kaum einer gegangen sein, die meisten hören auf weil die Nachfolge fehlt.

Was will ich damit sagen? Es gibt da draußen viele wie dich.
Viele haben schon das Handtuch geworfen, weil der zu zahlende Preis höher ist als der zu erwartende Lohn. Heute hatten wir wieder das Gespräch über Nachfolger die es nie wirklich geschafft haben Fuß zu fassen und die Firma praktisch verkommen lassen.
Das wird wohl eine der schlechtesten Optionen sein.

Es gibt aber auch hin und wieder die Konstellation, dass ehemalige Cheffs als normale Arbeiter bei einer fremden Firma arbeiten, dort ihren geregelten Lohn bekommen und halt Freitag mittag feierabend haben. Während die Firma froh ist jemanden zu haben, der die nötige Erfahrung und das Fachwissen hat um schwierigere Dinge zu erledigen...

Was "ein Jahr Auszeit" wirklich bringen soll versteh ich auch nicht so recht...
Du wirst dich fragen müssen, packst du es, oder packst du es nicht?
Wie gesagt: ich werde weiter machen, auch weil man in dieser Position jemand ist, etwas kann und Möglichkeiten hat.
Was würdest du sonnst tun? Von der Musik leben? Auch das wird nicht ohne sein.
Was ist es denn das du Vermisst? Könnte nicht auch schnell die Ernüchterung da sein, dass das Stadtleben teilweise sehr vom Leben in seiner kleinen Nische namens Wohnung geprägt ist, in der man keinen Lärm machen sollte weil die Nachbarn sonnst unfreundlich werden?

Ich glaube, es lockt dich weniger das Partyleben, sondern du würdest gerne von der Last der Verantwortung fliehen...
Das was mich am meisten Deprimiert ist, dass keine Zeit mehr zum träumen bleibt. Aber ich würde das eher als Teil des Erwachsenenlebens betrachten, wie gerne würde ich mich wieder in irgendeinem Computerspiel verlieren, die Frage ist: will ich mit 40 in meiner zwei Zimmer Wohnung sitzen und den Feierabend in einer Traumwelt verbringen?
 
S

StefanoMilano

Gast
Das Thema Verantwortung ist auch so eine eigene Baustelle.
In meiner Erziehung wurde ich weitestgehend von Verantwortung "verschont"...
Wir (meine Geschwister und ich) sind stellvertretend für die verwöhnte Generation, die sich nie für etwas anstrengen mussten.
Wir waren auch zu faul um zu Fuss in die Schule zu gehen, aber was sollen wir sagen, wenn Mama uns eh mit dem Auto fährt?
Deshalb fühle ich mich auch so egoistisch, weil alles, wofür ich bereit bin Verantwortung zu übernehmen, nur mir zugutekommt.
Bei dem Wort "Kunde" verspüre ich mittlerweile nur noch Gleichgültigkeit. Sollen die sich doch selbst umschauen um ihren Dreck. Da fehlt es mir komplett an Empathie...
 
S

Sonne980

Gast
Ich wundere mich gerade wie verrückt, diese Plattform erst jetzt entdeckt zu haben...

Zu mir... Ich bin jetzt 28, mittleres von vier Kindern.
Ich bin aufgewachsen in der Vorstellung, den Handwerksbetrieb meines Vaters mal zu übernehmen, dementsprechend sah auch meine bisherige Schulbildung aus. Schließlich fing ich auch im Betrieb zu arbeiten an.
Nur Spass hatte ich eigentlich nie wirklich daran, nur vereinzelt. Der Sohn des Chefs zu sein ist eben auch nicht immer einfach.
So vergingen die Jahre, eine Leidenschaft stellte sich klarerweise auch nie ein. Habe ich immer in dem Glauben gelebt, einfach eine schüchterne Persönlichkeit zu haben, glaube ich nun, dass ich nie gelernt habe, in mir aufflammende Leidenschaften zu erkennen und ihnen nachzugehen...
Ich liebe es, Trompete im Musikverein zu spielen. Ohne grosse Anstrengungen habe ich es zum ersten Trompeter gebracht und dirigiere das Orchester mittlerweile auch. Aber dieser Tätigkeit mit ungebremster Liebe und Freude nachzugehen, wollte ich mir bisher nicht zugestehen. Ist ja nur ein Hobby. Wäre ja auch nicht schlimm. Nur habe ich, damit ich diesem Hobby mit besagtem Enthusiasmus nachgehen kann, immer die Arbeit im Kopf gehabt. Aber nicht die Arbeit an sich, sondern all die Ängste, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe. Ich streng' mich zu wenig an, die Kollegen mögen mich nicht, man erwartet zuviel von mir usw.
Mein Vater ist ein stiller Kämpfer sozusagen... Früher hab ich ihn um seine Gelassenheit und Stressresistenz, seine Stoizismus bewundert, heute sehe ich einen Mann, der gelernt hat, alle seine Bedürfnisse und Wünsche zum Wohl der Firma und der Kunden konsequent zu unterdrücken... Ich fürchte, ich ufere aus...
Schnellvorlauf: Corona, keine Parties (Keine Ablenkung für meinen persönlichen Stillstand), zuhause rumhocken und Bier trinken, offene Gesprächskultur in der Familie nicht existent, Depression, lange auf bessere Zeiten warten, Tagelang im Bett heulen, Therapie.
Kernthema in der Therapie ist Scham. Scham für mein jahrelanges Nichtstun, noch nie eine Freundin gehabt zu haben, noch nie nüchtern mit einer geliebten Person Sex gehabt zu haben, die Liste ließe sich selbstverständlich weiterführen.
Nach der Scham kommt dann natürlich die Angst, konfrontiert zu werden.

Ich will in die Stadt, vielleicht was Studieren, Teilzeit arbeiten, Musik machen, Band gründen, Sex haben, frei sein... All das, was andere mit 20 machen. So weit so gut... Aber gerade jetzt? Steigende Lebenskosten, Wohnungsmangel, Krieg, Klimakrise, Spritpreise,... Wie soll ich mich da auf ein unbeschwertes Stadtleben freuen? Ist es von vornherein Blödsinn, in die Stadt zu wollen? Soll ich mich lieber freuen zu Hause einen Blackout weitaus besser zu überstehen als in einer gasbeheizten Wohnung?

Tja... von wegen, es ist nie zu Spät
Mach erstmal deine Therapie zu Ende, dass gibt dir wahrscheinlich die nötige Orientierung. Ein Jahr Auszeit klingt interessant, du musst aber dabei bedenken dass du dann schon 29/30 bist. Du solltest dir dann schon klarwerden was du machen willst und dich wenn nötig genau informieren. Wenn du dich nicht nicht mit deiner Familie beraten kannst, kannst du immer noch dass Forum benutzen. Ich muss dir auch sagen, dass du beim Studum der Älteste sein wirst. Viel Glück und Erfolg dir noch.
 

Anzeige (6)

Autor Ähnliche Themen Forum Antworten Datum
G Erst gemeinte Frage: Ab wann zum Psychologen/Psychiater Ich 20
G Bis wann schneehose? Ich 4
FeuerLöwin Wann betrügen? (Tageszeit) Ich 30

Ähnliche Themen

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.

    Anzeige (2)

    Oben