dass man bei einem chef nicht sofort sachlich gegenreagiert, genau auf seine vorwürfe, wie du geschrieben hast, hat mehr als nur mit der situation mit deinem chef zu tun. ich will sein verhalten nicht entschuldigen. aber ich will auch nicht, dass du dich zum opfer machst oder dich als opfer fühlst. eine stunde lang zusammengeschissen??
ängste machen oft, dass wir uns nicht hinstellen und uns verteidigen. angst und abhängigkeiten.
deine reaktionen (ich red mal von dir, nicht von deinem chef) werden durch alte gefühle, erfahrungen und reaktionen noch verstärkt. in dir wird dann viel mehr ausgelöst. sachen aus der vergangenheit. immer, wenn mich eine konkrete aktuelle situation "überfordert" (sachlich, auf die konkrete situation bezogen), dann einfach, weil weitere gefühle von früher wieder hochkochen. ich reagier dann viel emotionaler, es geht mir viel näher, ich habe mehr chaos im kopf und weniger klarblick.
das ist ein thema, das oft geschieht, beim miteinander arbeiten. man verliert die tatsachen aus den augen. gefühle spielen mit rein. trigger. natürlich geben das sehr wenige zu. auch wenn sie es merken. die meisten versuchen das mit sich selbst auszumachen oder dran zu arbeiten. wichtig ist, dass man es merkt. versteht, warum man wie in schock dasitzt, es einem mega nah geht und man unfähig ist, sich als erwachsene person zu "wehren", stellung zu beziehen. da gibt es auch chefs, die da viel weitergeben. nicht fähig sind, privat und job zu trennen, die selber was mitschleppen und es ausleben. unprofessionell aber menschlich.
ich kenn das von mir auch. deshalb antworte ich dir.
manchmal klappts. gegenseitig. der eine reagiert über. ich reagiere mal über. dann ist jeder wieder sachlich. dann reagiert man wieder über und so weiter. es ist immer eine frage der beziehungskonstellation, ob man zusammen arbeiten kann, ob es klappt, ob man sich ergänzt, ob man gegenseitig miteinander umgehen kann, und den überreaktionen.
wenn mich jemand einfach so anschreit, fühle ich mich bedroht. ängste steigen auf. starrer zustand. das sind frühere momente, wo ich als kind was gemacht habe, ohne zu checken, wieso das jetzt "schlimm" war, und mein vater mich dann abstrafte. es hinterliess ein ätzendes scheiss gefühl! (weinen, wütend sein, traurig sein, verletzt sein, nicht verstehen, etc, sich ohnmächtig fühlen, sich ausgeliefert fühlen, vertrauen schmilzt weg, etc.). genau das wurde dann später in mir immer wieder aktiviert, wenn ich mit autoritätspersonen in kontakt kam. entweder ich verschluckte meine zunge, meine gefühle übermannten mich, ich schwieg, (das kleine hilflose kind) oder ich reagierte über ("das kind wehrt sich gegen den bööösen vater"). mein chef kam, redete uns drein, fragte mich was, ich antwortete und er meinte, ich solle doch die klappe halten, wenn ich keine ahnung hätte und lief davon. boah habe ich gekocht!!! ich hielt mich am tisch fest und atmete mal zehn sekunden tief ein und aus. (statt direkt "auszurasten". cool down. dann überlegte ich kurz, WAS mich an seinem VERHALTEN im HIER und JETZT gestört hat. trennte das andere, meine vergangenen erlebnisse).. und erst dann, nach dem ich zwei drei sätze im kopf hatte, stand ich auf, lief zu ihm rüber und sagte ihm, er solle mir bitte zuhören. ich sagte das so im ernst und direkt, dass er mir auch prompt zuhörte. er war wohl erstaunt. und ich erklärte ihm, was mich daran gestört hatte. sagte ihm, wenn er sowieso auf meine meinung pfeift, dann soll er mich in zukunft auch nichts mehr fragen kommen. und ich mir mit meinen antworten ihm gegenüber als CHEF mir absolute mühe gebe und echt alles dran setze, ihm nach bestem wissen und gewissen auskunft gebe. er wollte es runterspielen, wegwischen, so "haha", nicht so schlimm... und ich sagte, nein, nein. im ernst: in zukunft entweder oder! entweder er kommt und fragt, dann soll er mir zuhören. und wenn er meint, ich sei zu doof, dann soll er zu jemand anderen und mich in ruhe arbeiten lassen. ich habe das sehr ernst gesagt, in einem ton, der neu für ihn war. er war sichtlich erstaunt. schaute mich mit grossen augen an. ich merkte, dass er nicht gecheckt hatte, was das in mir ausgelöst hat. sein verhalten.
danach ging es besser. und er war echt kein einfacher chef.
ich hatte noch mehr solcher fälle. immer das gleiche schema. logischerweise. ich konnte nichts machen, ausser mir das bewusst werden, für mich lernen, wie ich mit diesen hefitgen emotionen umgehe und konstruktiv konflikte angehe. mich traue. mir das zutraue. es wage. meistens reagiere ich nicht sofort. weils dann zu mord und totschlag führen würde. das chaos wäre perfekt. nein. ich atme erstmal. wenns sein muss, geh ich raus und schrei dort die wand an oder hüpf rum. ich lass den vulkan wie ein bischen magma ausspucken, bis es sich wieder beruhigt hat. dann kann ich auch kurz nachdenken und überlegen, was in mir ist. wo ist der teil, der von früher jetzt aufschreit, und wo ist der teil, bei dem es darum geht, was jetzt gerade passiert ist.
meistens hilft es. dann kann ich sachlicher reden, traue mich auch zu reden und sagen, was sache ist. kann es gut auflisten. einmal, da hat mich jemand grausamst gedroht. am telefon. eigentlich ein witz. eigentlich hätte ich da mich über ihn auch einfach lustig machen können. ihn so auflaufen lassen können. aber es hat wieder was in mir berührt, etwas tieferes, etwas, eine verletzung, eine angst, die von früher aus meiner kindheit stammt. wenn ich dieses kind reagieren lasse, kommt das nicht gut. : / . ich kann schon. es hindert mich niemand dran. aber ich find das selber nicht gut und hilfreich. mein erster reflex war wie, schlag den kerl klein. was erlaubt der sich? das kleine kind in mir fühlte sich super bedroht.. dann wieder die vergangenen jahre, wo ich das oft erlebt hattte, eltern die mir drohen, die mich zwingen, andere, lehrere oder bekannte, dir mir drohen. und mich so verletzten. das wütende kind kann heftig ausschlagen. es denkt nicht. es erkennt nicht. es fühlt sich nur krass verletzt, ist ängstlich und wird dann wütend und schlägt dementsprechend aus.
ich bin dann zu dem hin. aber auch erst nach dem ich zehn sekunden tief ein und ausgeatmet habe und das, was passiert ist revue passieren liess. er hat auch blöd geschaut. war mir egal. setzte mich hin und sagte, wir reden jetzt. er meinte, nein, er hätte nichts zu sagen. da musste ich lachen, weil ich sah, dass der typ, einiges älter als ich, genau gleich jetzt sein inneres verletztes kind am abreagieren war! er war kader. und es war so offensichtlich, dass es nicht um die arbeit selber ging, dass da noch vieles andere eine rolle spielte und er noch unfähiger war als ich bezüglich sich selber wahrnehmen, zu checken, was in einem abgeht, die situation zu erkennen. ich liess nicht locker und sagte, nein, nein, wir reden jetzt! und grad gesagt: du drohst mir nie mehr wieder! da flippte er kurz aus. ich sass da, verschränkte meine arme vor meiner brust, weil ich merkte, oh, mein inneres kind ist auch grad am ausflippen, ruuuuuuhig, gaaaanz ruhig, aaaatmen.. ich zitterte leicht und versuchte einfach tief in meinen bauch einzuatmen, und so ruhig zu bleiben. es gelang. auch wenn meine stimme lauter wurde. die anderen in den büros waren alle grad ein wenig geschockt. aber ist halt normal. menschen.
ich konnte es dann klären! es war nicht einfach.
das ist mit deinem chef genau gleich der fall. der typ checkt sich selber nicht. keine ahnung, was er für seelenmüll hat, was er an nicht verarbeiteten alten erfahrungen in sich mitträgt.
ich gehe davon aus, dass in dir das kleine kind reagiert hat. mundtot. angst, verletzte gefühle. du fühlst dich wie fünf jahre alt. und denkst dann auch so. respektive fühlst du nur noch!
in so situationen, wo die kleinen verletzten kinder aufeinander treffen, ist ein klärendes gespräch nicht möglich. ich meine nicht, dass man sich um den hals fällt sich umarmt und so. ich meine, sachlich bleiben. so wie du sagst.. er meint, du würdest nie überstunden machen und du räumst es nicht sofort aus der welt.
wenn vorgesetzte unfähig sind, hat man als angestellte die chance, das man selber fähig ist. den erwachsenen, nüchternen part übernimmt. wenn das nicht geht.. gibts ein drama. kündigung.
du schreibst ja auch, ihn im stich lassen!
jemand schreit dich an, dein verletztes kind reagiert: du wirst trotzig. da man dann nicht in der lage ist, aktiv zu agieren, reagiert man. du hast mich verletzt, also verletz ich dich, indem ich zumache und dir weh tun werde, in dem ich dich verlasse! ha!
ich konnte mir am besten helfen, indem ich das für mich erkannte. weil es sind ja heftige gefühle, die einen um alle ruhe, zuversicht, selbstvertrauen und den schlaf in der nacht bringen! alles futsch. indem ich a) überhaupt merkte, wieso mir das so nah ging (meine eltern und ich, oder andere erwachsenen personen und ich), wieso ich so heftig emotional reagierte und nciht klar denken konnte und b) lernte "erwachsen" zu werden. also die gefühle zu verstehen, zu sortieren, und dann doch noch "klar" zu kommunizieren.
es gibt menschen, die sind mit 60 noch so drauf, dass ihr inneres verletztes kind andauernd am agieren und austeilen ist. so wie dein chef dich eine stunde lang gestresst hat.
jeder hat seine schwachstellen. jeder hat eine vergangenheit. manche sind sich dessen bewusst. man kann drüber reden. bei manchen gar nicht.
du schadest nur dir selber, wenn du das jetzt zulässt, dass du in diesem verletzten klein-kind-modus bleibst.
mein inneres kind, hätte diesen chef schon nach fünf minuten dauerschelte gekillt. mein erwachsenes ich hätte HALT, STOPP gerufen, wär aufgestanden und die punkte, die du ihm sagen wolltest, eins nach dem anderen aufgezählt. wäre da gewesen. selbstvertrauen. aber wenn das kleine kind da ist, da hat man nur angst. kein selbstvertrauen.
versuchs. bitte.
manche erwachsene lächel ich nur an, wenn sie mir verklickern wollen, sie seien immer "klar in ihrem denken". ja, sicher. deshalb benehmen sich dnan auch alle so. niemand hat angst und alle mit gutem selbstbewusstsein ausgerüstet. so ist die realität nicht. je eher du dich fühlst, begreifst, um so weniger werden dich so situationen bodigen.
das mit deinem chef ist jetzt eine krasse situation.
ich wünsch dir kraft. vielleicht.. ich weiss.. alleine ist das manchmal schwer. ich habe damals eine therapie begonnen. wegen meinen ehemaligen schwierigkeiten, die dann wieder wo ich dort in der firma anfing, natürlich wieder hochkamen. ich wär sonst nach ein paar wochen fluchend und die leute verdammend rausgelatscht. kenne viele, die auch damit kämpfen. (weils eben menschlich ist). gott, habe ich die therapeutin vollgeflucht oder angeheult bis zum abwinken. krass! !!
aber es hat mir geholfen, zu erkennen, das ich da noch viel aufzurabeiten habe aus der vergangenheit. mit jedem stück, wo ich zu mir fand, wo ich alte verletzungen anschauen konnte, war ich ruhiger. gechillter. friedlicher. wie ein stück brocken, dass man abarbeitet.
oftmals reagiert man auch so heftig, weil eben diese vater-erlebnisse (oder andere autoritätspersonen) man als kind abhängig war. und zwar ganz existenziell. das prägt!! und wie. mehr als einem lieb sein kann. : /.
aber man kann dran arbeiten!!! !! wirklich!
die liebe, das selbstbewusstsein geht völlig flöten, kommt abhanden. der vater schreit einen an. als kind stürzt eine welt zusammen. man bekommt angst. unsicherheit. je nachdem wird ein kind zum schreihals, zum mega rebell oder das gegenteil, wird stiller und stiller, zugeknöpfter, ängstlicher und misstrauischer.
und so kommt man im erwachsenenleben dann an.. krass was da dann alles abgeht.
du hast nur geweint, weil du dich a) wieder nicht gewehrt hast (das ist ein mega scheiss gefühl für jeden, wenn man sich so im stich lässt, sich nicht helfen kann) und b) die angst und verzweiflung dich - wie damals als kleines kind - übermannt hat. ein alter schmerz.
manchmal bin ich heute relativ gut drauf, dass wenn jemand so antanzt, ich total gelassen bleiben kann, weil das kleine kind nicht reagiert, es geht ihm gut, es spielt in seiner ecke und mein erwachsenes ich kann ganz klar da sein. und das sagt mir dann, ey, was hat denn der für ein problem? ich kann ruhig bleiben! es "provoziert" mich nicht.
für mich ist das ein life-long-prozess. ich lerne. stets dazu. niemand kann die alten erfahrungen einfach so killen. sie kommen. ich lass sie kommen. nehm sie an. lass sie zu. und manchmal geh ich durch die hölle. weil ich es nicht mehr will. ich wär am liebsten immer nur erwachsen, klarsichtig und ruhig. voll wie spock auf der raumschiff enterprise. und manche versuchen das, drücken ihr kleines verletztes kind weg, weil kein platz ist, weil man vor lauter hundert dinger, nicht dazu kommt, es überhaupt wahrzunehmne, sich das einzugestehen. aber irgendwann holt es dich ein.
vielleicht wär eine therapeutische unterstützung hilfreich?
weil, du bringst dich in die sackgasse.. mit deinem denken ("ätsch, dann hau ich halt ab", ich kenn das auch von mir ; ) ).
vielleicht gehst du von dort auch mal weg. aber nicht zurück. sondern weiter in deinem leben!
und du hast auch keine anderen mitarbeiter, die in der situation helfen könnten. nicht dass sie immer hilfreich sind : /.. aber manchmal, wenn man in einer grösseren gruppe ist, hat man mehr vielfalt, auch in den reaktionen, und man kann hie und da von jemand anderem was lernen.
selbstbewusstein.. geht aufgrund der eigenen geschichte vielen ab. viele haben verletzte seiten. jemand der sich darauf versteht, schafft es immer genau diesen wunden punkt in jemandem zu treffen. und wenn sie fies sind, dann packen sie dich genau dort.
manchmal akzeptier ich es auch einfach. aber wenn man so eng miteinander zu tun hat, ist das eher schwer. und ich seh das bei vielen!!!! ganz ehrlich! ist krass, was abgeht, aber eigentlich verständlich. je weniger man drüber redet um so schlimmer wirds. alle tun so als ob. dabei.. gehts voll ab.
ich wünsche dir mut, selbstvertrauen. dein stärken siehst.
du kannst ihm ja auch einen brief schreiben. stichpunkte auflisten, ihm geben, ohne kommentar. ich weiss es nicht. ich kenn den typen nicht.