Auf der einen Seite haste eine Fehlverteilung im System: zuviel Geld auf Apparatemedizin um einen 95jährigen noch über die 100 zu bringen, zuwenig Geld in Pflege (Menschen werden nunmal im Alter krank/multimorbide, da ändert kein Arzt was dran, die Pflege ist für Lebensqualität, was mMn entscheidender ist als Lebensverlängerung um jeden Preis, wichtiger als die Medizin). Wie eine Pflegedienstleiterin eines Krankenhauses eines Kumpels von mir gesagt haben soll, als sich jemand über die Zustände beschwerte: die Krankenkassen bezahlen nur noch ausreichende Pflege, das heisst Pflege nach Note 4.
60.000 Stellen im Pflegebereich wurden gestrichen in den letzten Jahren im Krankenhaus, und jetzt feiern die, wieviele 25.000, 30.000 neue Pflegestellen als Zugewinn. Etliche zehntausende Arztstellen kamen dazu (von wegen Ärztemangel), die sieht der Patient bloß nicht, weil die Fallzahlen (Stichwort Drehtürpatient) noch mehr stiegen, ein einzelner Krankenhausarzt muss im Jahr doppelt bis dreimal soviele Patienten behandeln wie im Ausland.
Wir schleussen zuviele Leute durch, die Arztzahlen wurden erhöht, aber die machen extrem viel bürokratie (und können oft nicht 10finger-tippen
), aber das Pflegepersonal reduziert, während das Durchschnittsalter der Pat. und damit auch die Pflegebedürftigkeit, und die Patientenzahl stieg.
Im Endeffekt müssen Schüler in vielen Krankenhäusern die knapp kalkulieren (also praktisch an allen), speziell die im dritten Jahr, mittlerweile die Aufgaben einer examinierten Krankenpflegekraft fast komplett mit übernehmen (während die Schwestern die das durchgehen lassen, wenn was schief geht, immer mit einem bein im knast stehen), weil einfach jeder versucht, trotz fehlender Mittel, keine Pflege nach Note 4 abzuliefern, sondern zumindest noch Note 2-3 zu schaffen. Und jetzt spätestens sollte klar sein, warum die Berufsgruppe so Burn-Out gefährdet ist. Das sind meist idealistische Menschen, und werden dann mit Unmöglichkeiten konfrontiert, sie bekommen nur die Mittel zur Verfügung, dass sie entweder schlechte Arbeit abliefern, oder immer 95-100% fahren, um ihrem eigenen Ansprüchen trotz der Situation gerecht zu werden.
Und zusätzlich bekommste dann halt noch den Druck von den Pat., da biste zu zweit in der Spätschicht (eine examinierte Vollkraft, ein Schüler drittes Jahr), auf einer 24Betten-Station, hast 6 bettlägrige Menschen, kommst mit dem Lagern nicht mehr hinterher, und musst dir dann noch von Patienten Beschwerden anhören, dass die falsche Wurstsorte geliefert wurde, oder dass man irgendwas relativ unwichtiges, wie das Besorgen ner Telefonkarte, vergessen hat. Das fordert dann manchmal etwas Kraft. Im Endeffekt sehen die Patienten ja nicht was in Nachbarzimmern abgeht (wir haben die Pat. mit Vollpflege meist zusammen in einem Zimmer, macht sich einfach besser von den Arbeitsabläufen).
Dann haste Fehler im Arztsystem, die haben genügend Geld, können es aber selbst verteilen. Und in den Entscheidungsgremien sind Fachärzte aus reichen Städten mit viel Privatpatienten überrepräsentiert. Die haben die Privathonare und noch die Kassenhonorare.
Dabei müssten sie aber die Honorare bei den Fachärzten, den Apparatemedizinern, in den Städten mit viel Privatpatienten kürzen (jeder der überhaupt noch Arzt werden will, will sich in ner Stadt niederlassen) und die Honorare auf dem Land, und die aller Allgemeinärzte erhöhen. Das Problem ist, dass Allgemeinmediziner und auch Fachärzte aus der Provinz keine Zeit haben sich in solchen Organisationen zu engagieren, deshalb ist die mMn wichtigste Medizinergruppe unterrepräsentiert und in Folge unterfinanziert.
So jetzt aber auch noch zu den Pat., also praktisch uns allen. Ich hab so oft Pat. die Diabetes hab, und die ich zu ner anderen Ernährung oder Sport überzeugen will, und als Antwort kommt: ach da spritz ich mir einfach ein bißchen mehr Insulin. Dabei hatte ich letztens erst wieder einen immer noch übergewichtigen Patienten, der einmal die Woche 1-1,5h Sport in ner Diabetesgruppe betrieb, und jetzt im Krankenhaus, trotz Bewegungsmangel und nicht verringerter Ernährung plötzlich kein Insulin mehr brauchte.
Meiner Meinung nach hätten wir keine Probleme im Gesundheitssystem wenn jeder sich nur mal zwangsweise 1,5-2h in der Woche sportlich betätigen muss, und auf sein Gewicht achten (gar nicht erst übergewichtig werden, weil es dann oft, vermutlich genetisch bedingt, nicht mehr wegzubekommen ist). MMn sollte man für jedes kg Übergewicht, ein-zwei Promille höheren Krankenkassenbeitrag zahlen (natürlich bis zu ner höchstgrenze von vllt. 8-10%). Erlassen wird der Betrag wenn man nachweist dass man sich aktiv um ne Gewichtsverringerung bemüht, z.B. durch Sportvereinsteilnahme mit Anwesenheitsstempel, auch wenn das nicht klappt. Bei 25% der Menschen mit Diabetes mell. Typ2 funktioniert Sport aus unerfindlichen Gründen nicht.
Belohnungssysteme der Krankenkassen für sportliche Aktivität und gesunden Lebenswandel und Einhalten von Vorsorgeterminen werden ja jetzt langsam ausprobiert. Das muss zunehmen, lukrativer werden und bekannter werden.