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Umfassend ausgestiegen

Burbacher

Aktives Mitglied
Umfassend ausgestiegen

Begeistert berichtete ich hier über meine Arbeit für Migranten. Jetzt bin ich ausgestiegen. Komplett.
Die Entscheidung hatte sicher ganz viel mit mir selbst zu tun, aber auch mit ganz viel Zwischenmenschlichem.
Für mich überlagerten sich Sachebene und persönliche Geschichten so stark, dass ich sie nicht mehr voneinander trennen konnte.
Am Ende wusste ich nicht mehr, um was es eigentlich ging. Da gab es die Migranten, die sich ihre Sprachlehrer aussuchten nach Gutdünken, die Gruppen wechselten, wie es ihnen gefiel. Da waren wir, die Sprachlehrer, die sich untereinander in einen Wettstreit um die Gunst unserer "Schützlinge" eingelassen hatten.
Im Grunde gab es keine hierarchischen Strukturen, und dennoch waren sie ganz klar zu erkennen und wahrzunehmen.
Obwohl von niemanden legitimiert, standen da einzelne irgendwann "oben", trafen selbstherrlich Entscheidungen, präsentierten sich in der Öffentlichkeit.
Ich kam mir vor, wie ein Rädchen im Getriebe, fühlte mich benutzt, auch verletzt. Vor einigen Monaten war schon einmal ein Kollege aus ähnlichen Gründen ausgestiegen. Er allerdings hatte die Dinge nicht angesprochen, sondern nur in einer kurzen Mail seinen Ausstieg mitgeteilt. Mir steckte er privat einige Motive.
Ansonsten tauchte er ziemlich wortlos ab.
So ähnlich ist das jetzt bei mir. Eine Kollegin reagierte sehr persönlich, deutete mir, ich sei aus ihrer Sicht wichtig gewesen für die Gruppe mit meiner besonderen Sicht auf manche Dinge.
Ansonsten herrschte und herrscht Schweigen. Ich schwanke zwischen Frust und Wut, zwischen Enttäuschung und Erleichterung.
Ich habe mich aus einem Wirrwarr an Motiven, Gründen, Zwängen befreit und gleichzeitig einen Wust an Eindrücken mitgenommen, mit denen ich mich jetzt alleine rumschlage.
Ein sehr explosive Mischung.

Burbacher
 

weidebirke

Urgestein
Wie können denn solche Strukturen entstehen?

Man hört es immer nicht gern, aber genau um solches zu vermeiden, sind Hierarchien wichtig. Damit man sich auf das konzenztrieren kann, worum es geht. Jemand muss entscheiden und das gilt dann. Lieblingslehrerrumwechselei ist blöd, bringt Unruhe und Gschmäckle.

Das tut mir leid für Dich.

Aber eigentlich war es einfach nur das falsche Institut.
 

Zebaothling

Sehr aktives Mitglied
Hallo Burbacher,

aus meiner langjährigen Erfahrung, kann ich Dir nur folgendes sagen. Jeder der sich einbringt, in die Hilfe für Menschen, braucht im Grunde ein dickes Fell.

Man versucht aus einer gesunden Ideologie heraus zu helfen, das meist kostenlos ( Ehrenamt) steht mit Fachkompetenz und Einsatzbereitschaft , der Hoffnung, helfen zu können dem Gedanken der eigentlichen Nächstenliebe in nichts nach.

Nun ist es sicherlich bei Dir so , wie in allen anderen Bereichen auch. Man kann es privat probieren oder schließt sich vorhandenen oder grade wachsenden Strukturen an.

Man trifft die , die sich im Erfolg sonnen wollen , die Bestimmer , die Besserwisser , die Lügner , die Heuchler, die Profilneurotiker, die Gutmenschdenker, die an sich Reißer, die Wetteiferer. Alle stehen im Grunde auf einer Stufe , jeder darf helfen. Wirft man diese nun alle in einen Topf , so sind Spannungen vorprogrammiert und da ist es eigentlich irrelevant ob man in Bereich Altenbetreuung , Kinderbetreuung , Seelsorge, Erwachsenenbetreuung, Flüchtlingshilfe arbeitet. Es ist ebenso egal welche Organisation dahinter steht . Die IG , der Verein ,der sich gemeinnützig nennt , der Staat, die Kirche , alle anderen Organisationen. Das von mir beschriebene Klientel findet man unter allen Helfern.

Die vermeindlich Hilfesuchenden kristallisieren sich aber letztendlich auch nicht als eine Gruppe der danbaren und Hilfe annehmenden Art , dort trifft man , augesprochene Schmarotzer , Opportunisten, Eigenbrödler, Gerneopfer, Nörgler , Rechte , wie Linke , Ignoranten, Dessinteressierte, Besserwisser , Lügner , Wetteiferer, Neider , Gierhälse, Skrupellose, Betrüger.

Diese Mischung auf beiden Setiten an sich ist schon sehr explosiv.


Trennt man da nicht ganz klar privates ab , so gerät man schnell an seine eigenen Grenzen , wie Du es beschrieben hast wird es schwer Dinge klar zu trennen und auf sachlicher Ebene zu bleiben , ich sags mal so gegen den Unverstand der Mischung ist kein Kraut gewachsen.

Was ich aus meiner Erfahrung mitnehme ist folgendes, je dicker Dein Fell , je weniger angreifbar , desto besser , das sticht sich aber mit dem eigentlichen Hilfegedanken , persönliche Schicksale können nämlich auch sehr nahe gehen.

Bevor man sich selbst verliert und nicht mehr helfen kann oder die Qualität der Hilfe leidet , muß man einen Strich ziehen. Es ggf. in anderen Rahmen versuchen , wenn die vorhandenen Strukturen keine Nächstenliebe gerechten Möglichkeiten mehr zulassen.

Oftmals ist die Profilierung der Helfer den Helfern wichtiger als die eigentliche Hilfe etc etc etc sowas enntäuscht maßlos und reibt innerlich auf.

Es macht einen sehr wütend , besonders dann , wenn man um die Strukturen nicht weiß.

Nun gibt es aber auch unter den Hilfesuchenden wirklich Menschen, die die Hilfe annehmen , sich einzugliedern in der Lage sind , korrekte Menschen, die ehrlich und offen sind , gerecht sind und versuchen den humanen Gedanken größer zu schreiben, als den egoistischen.

Mich hat es immer gefreut solchen Menschen wirklich helfen zu können und Kontakte , die sich dadurch in den Jahren aufbauen, sind sehr wenige , aber wertvolle. Zumindest für mich.

Ich habe dann irgendwann gesagt , in organisierten Strukturen gibt es mir viel zu viele Widersinnigkeiten und Falschheiten, die ich nicht nachvollziehen kann, weil sie mit dem helfenden Gedanken nichts gemein haben , aber ebensolche Strukturen sind ein Tummelpkatz für die zu Begin des Posts Beschriebenen.

Da halte ich mich lieber fern, treffe ich ab und an Menschen, die Hilfe benötigen , bin ich gerne bereit zu helfen, da verliere ich auch nicht die sachliche Ebene, weil dazu kein Anlass besteht.

Ich kann Dich voll und ganz verstehen, ziehe trotzdem den Hut , Du kannst stolz auf Dich sein im richtigen Moment die Leine zu ziehen und nicht ebenso in einen Strudelsog der Selbstbeweihräucherung , des Neids, der Eigenmächtigkeit , des Opportunismusses, des Egoismusses, der Lüge , des Hasses zu geraten.

Du hast das richtige getan, zumindest meiner Meinung nach.
 

Burbacher

Aktives Mitglied
Hallo Burbacher,

ich habe so etwas auch schon gemacht und bin auch "geflohen". Gründe bei mir waren in erster Linie, das Gefühl zu haben einen Sack Flöhe zu hüten. Unterricht war nur am Rande möglich. Die soziale Problematik hat alles überlagert. Dazu kam das wirklich geringe Honorar und auch die sehr geringe Wertschätzung. Die Kollegen waren toll.

Ich habe Respekt vor deiner Entscheidung. Und auch, dass du schreibst, du seist "umfassend" ausgestiegen. Also auch komplette innerliche Distanz. Ich hoffe dass es dir gut geht damit denn nichts anderes hast du verdient.

Gruß
Hallo Rafael,

Dank für deine Antwort. Meine Gründe lagen schon einerseits in der Organisationsstruktur, wie auch im Verhalten der überwiegend jungen Männer, die ich unterrichtete.
Die ganze Initiative hatte keine richtige Rechtsform. Beteiligt war ein Sammelsurium aus Gruppierungen, in der die Stadt, die VHS, die Kirchen, freie Träger u.a,. involviert waren. Wer zu wem gehörte und genau welche Funktion hatte, war kaum auszumachen.
Trafen wir uns, kamen da locker 50 Personen zusammen. Wir Sprachlehrer selbst setzten uns zusammen aus einer Reihe pensionierter Pädagogen, weniger auch noch aktiver , Studenten und Studentinnen und auch noch berufsfremder Menschen.
Über allem schwebte ein Arzt, der mit seiner Partnerin diese Migrantenhilfe schon vor einigen Jahren ins Leben gerufen hatte. Rundschreiben hatten gelegentlich eine Verteilerliste, wie ich sie aus dienstlichen Zusammenhängen im Schuldienst kannte.
Übrigens: Von Honoraren kann keine Rede sein, jedenfalls habe ich keins gesehen. Allerdings hatte es mich schon stutzig gemacht, als ich hörte, wenn wir dies und jenes machten, stünden dafür auch Mittel zu Verfügung. Da war irgendwann etwas dubios von rd. 500 €uro pro Teilnehmer einer Maßnahme die Rede, dass ich mich gefragt habe, wo das Geld blieb und wer davon etwas abbekam.
Aber darum ging es mir das ausdrücklich nicht. Ich war seiner Zeit eingestiegen und wurde von einer pensionierten Kollegin in die Arbeit eingeführt, die, das merkte ich bald, in die gesamte Struktur sehr gut eingebunden war.
Die Unterschiede machten sich auch in Kleinigkeiten bemerkbar: Etliche duzten sich, mit anderen verkehrte man konsequent per Sie.
Die Kollegin machte dann vor etlichen Wochen eine Pause und trat einen mehrmonatigen Auslandsurlaub an. Ich ging zunächst davon aus, dass ich im Wesentlichen ihre Klienten übernehmen würde, die ich ja kannte und nebenbei neue Gesichter dazu bekäme.
Stattdessen trat eine andere Kollegin auf den Plan, die ich aus anderen Zusammenhängen kannte und die sofort das große Wort führte, während meine eigene kleine Gruppe zunehmend schmolz.
Dabei musste ich mich selbst ständig gegen den Eindruck wehren, als grabe mir irgendwer hinter meinem Rücken das Wasser ab. Letzte Woche dann wurde mir bewusst, dass ich mir selbst viel Arbeit aufhalste, zu der ich nicht verpflichtet bin, irgendwelche Anerkennung aber ausblieb.
Nur ein Beispiel: Vor einiger Zeit tauchten zwei Journalisten in der Gruppe auf, sprachen zunächst mit meiner Kollegin und mir, dann nur mit ihr. Am nächsten Tag erschien ein großer Artikel in der Regionalzeitung. Die Kollegin prangte auf der Seite mit Bild als Aufhänger, ich wurde am Ende des Artikels als ihr Kollege in einem Halbsatz erwähnt.
Für mich ergab sich der Eindruck, dass ich mich abrackerte und andere die Lorbeeren kassierten.
Heute fühle ich mich auf eine subtile Weise aussortiert und ich weiß nicht, warum.

Burbacher
 
Zuletzt bearbeitet:

marut

Aktives Mitglied
Heute fühle ich mich auf eine subtile Weise aussortiert und ich weiß nicht, warum.
das passiert regelmässig, wenn man selbst geht OHNE sich in die auseinandersetzung zu begeben. vllt wärs besser gewesen, rechtzeitig und kontinuierlich auf misstände aufmerksam zu machen.
 
G

Gelöscht 55145

Gast
Kann ich nur zustimmen. Das Schlimmste ist keine vernünftige Organisation und Leitung von Chaoten. Kann nur schief gehen.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Hallo, Burbacher,

es tut mir echt leid, dass Du so schlechte Erlebnisse hattest. Ich weiß, dass Dir das Gleichnis vom barmherzigen Samariter vor Augen schwebt.

Ich lernte, dass ein Helfer die Hilfesuchenden bekommt, die zu ihm passen. Ich selbst arbeite in keiner Gruppe mit, bei der ich den Eindruck habe, man wolle mich für „ihre Ziele“ einsetzen. Daher – bevor ich mich irgendwem anschließe – hinterfrage ich i.d.R. genau die Ziele der Menschen sowie den Zweck einer Aktivität. Ich suche nicht das ehrenvolle Ansehen von irgendwelchen Menschen und marschiere daher auch nicht mit Menschen, denen es z.B. um Ehre und um Ansehen geht.

Jedoch finden sich bei mir viele Möglichkeiten Menschen zu helfen, die erkennen, worum es mir geht und die das gut finden. Mir geht es um Integration sowie um Lebenshilfe und dazu ist auch Sprachunterricht wichtig. Und es gibt auch Flüchtlinge, die dies erkennen. Es gibt sogar Flüchtlinge, die erkennen, wenn sie und ihre Not instrumentalisiert werden sollen. Immer wenn man instrumentalisiert werden soll, bleibt am Ende nur ein schlechtes Gefühl zurück. Ich wünsche Dir, dass Du die Flüchtlinge sowie andere Menschen triffst, die zu Dir passen und Du so eine zufriedenstellende Aufgabe erhältst.

LG; Nordrheiner
 

Burbacher

Aktives Mitglied
Hallo Nordrheiner,

Du schreibst: "Es gibt sogar Flüchtlinge, die erkennen, wenn sie und ihre Not instrumentalisiert werden sollen. Immer wenn man instrumentalisiert werden soll, bleibt am Ende nur ein schlechtes Gefühl zurück."

Das, in der Tat, hat mich innerlich am Heftigsten getroffen. Ich erlebte, dass mich einige der jungen Leute auch privat aufsuchten, mir Schreiben von Behörden vorlegten, mich baten, mich zu kümmern. Sie hatten Termine wahrzunehmen und ich telefonierte in der Gegend herum.

Alles kein Thema, habe ich gerne gemacht. Einer der Youngster lief bis vor kurzem und bei sinkender Temperatur überwiegend in einer Jeans und T-Shirt durch die Gegend, ich sah, dass er fror. Er habe nichts Anderes, deutete er mir. Um die Ecke gibt es einen Textil-Discounter. So ging ich mit dem Burschen dorthin, ermunterte ihn, sich etwas auszusuchen und sorgte dafür, dass er angemessene Kleidung bekam. Hat mich kein Vermögen gekostet, und irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas Gutes zu tun.

Dankbarkeit erwartete ich nicht. Dass ich ihn allerdings danach nicht mehr sah, machte mich stutzig.
Das war, Du kennst die Geschichte mit dem jungen Mann aus der Gemeinde, ziemlich genau so.
Als er hatte, was er brauchte, war ich abgeschrieben, und ich musste mir anhören, er habe ja sprachlich tolle Fortschritte gemacht. Dass ich ihn vorher um die zwei Jahre betreut und mit ihm gepaukt hatte, war Nebensache.

Da kommt man mir schon der Gedanke - in Abwandlung des bekannten Satzes:

"Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man lässt es."

Burbacher
 

weidebirke

Urgestein
Schade, dass Du so völlig aufgibst.

Ist es in Deiner Region nicht möglich, in einem professionellen Institut für ein erträgliches Honorar (gut ist es nie, aber es gibt inzwischen annehmbare Sätze) strukturiert zu arbeiten?
 

Burbacher

Aktives Mitglied
Schade, dass Du so völlig aufgibst.

Ist es in Deiner Region nicht möglich, in einem professionellen Institut für ein erträgliches Honorar (gut ist es nie, aber es gibt inzwischen annehmbare Sätze) strukturiert zu arbeiten?
Sicher ist das möglich, Weidebirke. Aber darum ging und geht es mir nicht. Mein Einkommen reicht mir. Ich wollte etwas tun, mich engagieren. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass ich solche Erfahrungen mache. Da wird überall beklagt, Menschen seien nicht mehr bereit, sich privat, sozial und politisch zu engagieren.
Ich erlebte das immer wieder anders. Es gibt viele Menschen, die das möchten und ebenso viele, die dann die Erfahrungen machen, dass da schon andere sitzen, die krampfhaft darauf achten, das Heft in der Hand zu behalten.
Da wird man dann nicht als willkommene Unterstützung betrachtet, sondern als Konkurrenz. Und so lässt man lieber eine Aufgabe liegen, als einem anderen Menschen Raum zu geben.
Ich habe das nicht für möglich gehalten. Aber es ist so.

Burbacher
 

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