Ich führe seit Beginn der Therapie ein Tagebuch und ein Therapiebuch. Außerdem male ich seitdem wieder.
Ich hatte früher schon Tagebuch geführt, aber die leeren Seiten haben mich entweder in ausuferndes Selbstmitleid und Selbstanklagen verfallen lassen oder so eingeschüchtert, daß ich die Versuche bald wieder einstellte. Weil mir die Beschränkung fehlte, hatte ich oft auch keine Lust zu schreiben oder war zu müde. Erst habe ich einen Tag nicht geschrieben, dann zwei, dann war es schon ein Woche, die ich hätte nachtragen müssen. Dann habe ich es ganz gelassen.
Seit zwei Jahren habe ich einen DIN A 5 Schülerkalender, in dem für jeden Tag ein halbe Seite vorgesehen ist. Das ist für mich genau richtig. Da notiere ich wie meine Tage verlaufen sind, was sich ereignet hat und was ich dabei gefühlt habe. Bis jetzt ist noch keine Seite leer geblieben. Die Begrenzung auf eine halbe Seite tut mir gut. Ich habe nicht mehr den Druck, besonders viel oder ausführlich schreiben zu müssen, aber für ein paar Sätze jeden Abend reicht es immer. Da kann ich noch so müde sein. Das ist inzwischen ein Automatismus.
Als Therapiebuch führe ich ein große Kladde, in der ich den Inhalt jeder Therapiesitzung protokolliere, manchmal sogar als Wortprotokoll und zwischen den Sitzungen alles, was mir zu den Themen durch den Kopf geht. Auch was ich in der nächsten Sitzung ansprechen möchte.
Im Therapiebuch laß ich mich oft auch ohne Zensur treiben und notiere alle Stichworte, die mir zu einem bestimmten Thema einfallen, z.B. welche Glaubenssätze mich prägen und hindern, wie die großen Linien im Lebensverlauf sind, was die Familiengeschichte prägte, die Kindheit, wo ich gutes und schlechtes in mir wiederfinde, was ich mir wünsche, wovor ich Angst habe, was ich jemandem vorwerfe, wofür ich dankbar bin, Träume, Selbstbefragung... All sowas eben. Ich versuche das Durcheinander meiner Gefühle zu ordnen. Ich bin jemand, der gut übers Schreiben denken kann. Das ist strukturierter und trotzdem freier und unzensierter als ohne Stift. Während das Gedankengrübeln ohne Schreiben sich oft immer nur im Kreis dreht.
Ich schreibe auch nicht immer ganze Sätze, vieles sind eher Listen, Stichworte, brainstorming.
Manchmal schreibe ich auch ohne den Stift abzusetzen zu einem bestimmten Thema genau 20 Minuten lang. Das nennt man automatisches Schreiben, eine interessante Technik, weil man den inneren Zensor so gut umgeht.
Inzwischen habe ich 2 Tagebücher und 3 Therapiekladden vollgeschrieben. Sehr schön ist es für mich zurückzublättern und zu sehen, wie sich bestimmte Themen im Laufe der Zeit entwickelt haben. Manches auch gar kein Thema mehr ist. Das gibt mir sehr viel Zuversicht und Hoffnung.
Und daneben habe ich noch die gemalten Bilder. Seelenbilder. Familienaufstellung, Selbstprotraits z.B. als Baum, das innere Kind, aber auch symbolische Darstellung meiner Angst, Überforderung, was halt so aus mir rausfließt. Es ist erstaunlich, wie sich die Bilder beim Malen entwickeln, bis sie für mich vollkommen wahr und eindeutig und richtig sind. Und dann seh ich mir das an. Und manchmal verändere ich später was oder male aus einer anderen Perspektive neu und kann so erleben, wie sich das Dargestellte verändert hat.
Alles drei zusammen ist für mich persönlich genau richtig.
Deinen Weg mußt Du selbst finden.
Du willst Dich jeden morgen zwingen? Zwang hat sich bei mir nicht als hilfreich erwiesen. Siehe die vielen abgebrochenen Tagebuchversuche in früheren Zeiten. Lust und Freude hilft mir. Dir vielleicht auch eher?
Hör einfach in Dich rein, experimentiere mit verschiedenen Formen. Ohne Anspruchsdenken. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Es gibt nur das, was sich für Dich richtig anfühlt und Dir Freude bereitet. Und sich für Dich als hilfreich erweist.
Klär für Dich, was Dir wichtig ist. Soll es später als Erinnerungsstütze dienen? Soll es Dir helfen, Deine Entwicklung sichtbar zu machen? Soll es Dir helfen Deine Gedanken und Gefühle zu klären? Soll es Dir helfen Deine (Selbst-)Beschränkungen zu erkennen? Soll es Dir helfen, Deine Ziele zu finden oder Dein Verhältnis zu bestimmten Personen zu klären? Soll es Deinen Blick auf bestimmte immer wiederkehrende Verhaltensweisen lenken? Soll es Dich ermutigen, indem es Deinen Blick auf Positives und Deine Ressourcen lenkt?
Viel Freude beim Ausprobieren und Entdecken, bei Selbstbegegnung und Selbsterkenntnis wünsche ich Dir.