Von meiner Krankheit fühle ich mich von Gott betraft.
Was soll ich tun, wie bekomme ich diese Gedanken weg,
oder empfinde ich richtig?
Was bleibt mir dann?
Hallo Jap,
für deine Frage habe ich großes Verständnis, und ich habe sie mir viele Jahre meines Lebens auch gestellt.
Ich wurde als Spastiker geboren, erlitt im Alter von sechs Jahren einen schweren Unfall, in dessen Folgen Hirnblutungen und Hirnkrämpfe auftraten.
Mein Leben hing damals an einem seidenen Faden und es war keineswegs sicher, dass ich überleben würde. Und dennoch: Heute bin 65, habe vier erwachsene und gesunde Kinder.
Zudem konnte ich in meiner Jugend Abi machen und studieren, und ich durfte viele Jahre als Lehrer arbeiten.
Dennoch haben mich meine mehrfachen Behinderungen eingeschränkt und ich litt unter ihnen. In meiner Jugend bekam ich von den frommen Menschen meiner Umgebung, den Jugendleitern und Pfarrern unserer christlichen Jugendbewegung keine Antwort auf das Warum.
Erst Jahre später, ich war schon erwachsen und hatte selbst Theologie studiert, fand ich die Antwort bei einem jüdischen Theologen. Der Rabbiner Harold S. Kushner gab mir in einem seiner Werke "Warum guten Menschen Böses widerfährt" darauf die mir sehr hilfreiche Antwort.
Kushner argumentiert sinngemäß, dass Gott selbst an die Gesetze der Natur, die er geschaffen hat, gebunden sei und sie nicht beliebig außer Kraft setzen könne. Er stelle uns aber Menschen zur Seite, die uns beistünden und uns helfen, mit unserer Krankheit umzugehen.
Ich sags dir gleich, dass es hier in unser aller Forum darauf den heftigsten Widerspruch von einem sehr religiösen Christenmenschen gab. Er stieß sich an der These, dass Gott nicht allmächtig sei.
Für mich allerdings, und das war gewissermaßen von großer therapeutischer Relevanz, ist Kushners These sehr plausibel. Gott, so denke ich, kann etwa auch nicht dafür in Anspruch genommen werden, wenn sich ein Arzt mit Promille im Blut an den OP - Tisch stellt und dabei pfuscht.
Gott ist nicht dafür verantwortlich, wenn sich ein Autofahrer mit Alkohol im Blut ans Steuer setzt und dann einen Menschen zu Schaden bringt oder gar tötet.
Wenn ich die christliche Theologie richtig verstanden habe, ist Gott ein Gott der Liebe und nicht ein rachsüchtiger Gott, der uns so etwas antut.
Es würde mich freuen, wenn Du deine Gedanken mal in diese Richtung navigieren könntest.
Liebe Grüße
Burbacher
PS: Ich sehe gerade, dass der von mir angesprochene "Christenmensch" da schneller war in seiner Antwort als ich. Jetzt hast Du zwei Erklärungen.