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Spüre immer weniger Empathie gegenüber Mitmenschen

LW84

Aktives Mitglied
Wenn ich mir aber die Toilettenpapier hamsternden Leute ansehe, welche diese auf ebay versuchen zu verkaufen, dann könnte mein (Denk)Verhalten sogar normal sein? Kapitalismus im Endstadium?
Könnte schon sein. Allein im Regen auf Wohnungssuche hat mich an eigene, bittere Erfahrungen mit dem Elternhaus erinnert. Genau deshalb glaube ich umso mehr daran, dass wir andere gesellschaftliche Verhältnisse brauchen.

Der Mensch ist evolutionsbiologisch ein Sozialwesen. Der heilige Markt und all die kapitalistischen Erfordernisse hingegen sind keine Naturgesetze, worin schon dein erster Denkfehler liegt. In den USA hättest du mit deinem Hintergrund im Normalfall keine Hochschule besuchen können, während du ja nun genau dieses ultrakapitalistische Modell irgendwie für gut befindest. In Dänemark hingegen hättest du es wahrscheinlich deutlich einfacher gehabt, denn da bekommen Studierende einfach mal eine Art Gehalt vom Staat. Demokratie, Fortschritt und Zivilisation haben ihren Ursprung in der Gestaltung der Gesellschaft = Politik. Und eben nicht in irgendwelchen Einzelinteressen, Profitdenken und Verwertungslogik.

Deinem Denken liegen zudem weitere Falschannahmen zugrunde. Selbstverständlich kann heutzutage in Deutschland so gut wie jeder ohne große finanzielle Absicherung obdachlos werden, öffentlicher Wohnraum ist kaum noch vorhanden und wurde massenhaft verkauft. Selbst aus Marktsicht ist deine Haltung nicht besonders zielführend: Ein iPhone wurde eher weniger von prekär Beschäftigten entwickelt, die in ständiger Angst um ihren Arbeitsplatz leben und häufig von einem Arbeitgeber zum nächsten wechseln müssen. Auch nicht von einem großen Einzelgenie. Nein, selbstverständlich sind auch solche Produkte eine große Gemeinschaftsleistung von meist sehr gut entlohnten Menschen, die oft schon jahrzehntelang in den Unternehmen arbeiten und sich dort auch sehr wohlfühlen. Dass die Boomer vieles an die Wand gefahren haben und für viele Probleme verantwortlich sind, dem würde ich übrigens ausdrücklich zustimmen. Allerdings sollten wir als jüngere Generationen ja genau deshalb diese Mentalitäten und Einstellungen nicht reproduzieren.
 

Sofakissen

Aktives Mitglied
Weißt du, ich kann deine Gedankengänge teilweise sogar nachvollziehen. Bin selber kaum älter als du und bin ebenfalls der Meinung, dass man die Zukunft der Alten mit der Zukunft der Jungen erkauft hat. Den Alten würde ich dafür aber gar nicht mal die Schuld geben. Denn die Alten die ich kenne, wollten einen solch drastischen Shutdown auch nicht, die wollten lieber weiterhin in Cafés sitzen. Ich würde da mehr den Medien die Schuld geben, die die Politiker für jeden Coronatoten die Schuld geben, auch wenn der Großteil ohnehin bald gestorben wäre. Bzw. einzelnen Politikern, die entweder unfähig (Spahn) sind oder sich nur profilieren wollen (Söder), meist beides gleichzeitig.

Noch mehr als über den Shutdown ärgere ich mich übrigens darüber, dass sich nichts ändern wird. Verkäufer, Pfleger und sonstige wichtigen Berufe können froh sein, eine Einmalzahlung zu kriegen, ich sehe nichts was darauf hinweist, dass sie dauerhaft mehr Geld oder bessere Arbeitsbedingungen kriegen würden. Und entsprechend werden wir bei der nächsten Pandemie (die sicher kommen wird) wieder vor denselben Problemen stehen, weil wir wohl wieder nichts daraus lernen werden...

Dennoch würde dir mehr Demut stehen (den Frust kann man ja in einem gesalzenen Brief an die eigenen Minister lösen).

Beispiel die kleinen Cafés. Ich habe mir mal angeschaut, welche Summen die Kleinbetriebe vom Staat bekommen können. Und ich brauche kein BWL studiert zu haben um nicht binnen 10 Sekunden ausrechnen zu können, dass das für viele Kleinbetriebe nicht reichen wird. Das reicht höchstens jemand, der das Lokal geerbt hat und jeden Trick anwendet um den Mindestlohn zu umgehen. Bei allen anderen ist die Summe, die man beispielsweise für ein Geschäft mit bis zu 5 Mitarbeitern bekommen kann, nach Zahlung der trotzdem ausstehenden Miete zur Hälfte schon weg (wenn nicht gar noch mehr), einem Mitarbeiter kann man noch den halben Lohn zahlen, man selbst und die Mitartbeiter 2-5 müssen hungern. Wer da keine Rücklagen hat (etwa weil erst frisch renoviert, neu gegründet, viel Konkurrenz durch Franchise wie Starbucks...), bei dem ist der Traum von der Selbstständigkeit vorbei.

Dann das Studium. Es kann eben nicht jeder studieren. Weißt du, ich hatte früher eine Freundin, die war nicht die hellste Leuchte. Ihre Mutter hatte während der Schwangerschaft getrunken. Du magst jetzt sagen "selbst Schuld, weiß doch jeder, dass man das nicht machen soll!". Nur: was kann meine Freundin dafür? SIE hat nicht getrunken. SIE ist aber diejenige, die die Lernbehinderung ausbaden muss und man kann nichts, aber auch gar nichts daran ändern. Sie hat schon Schwierigkeiten mit den Grundrechenarten, kann sich keinerlei komplexe Zusammenhänge merken. Was kann SIE dafür, wenn sie nur schwer einen Job kriegt, weil die Chefs sie wegen ihrer kognitiven Einschränkungen entweder gar nicht erst einstellen oder bald wieder rausschmeißen? Mit welchem Recht würde ich, die schon hochintelligent zur Welt kam und "mal eben kurz Abi macht und studiert" auf sie herabschauen? Ich hatte einfach nur mehr Glück bei der Geburt, das ist alles.

Und du darfst nicht vergessen: manchmal werden einem auch kleine Fehler nicht verziehen. Z.B. einmal Depressionen gehabt und mal einen Absturz gehabt. Was weiß ich, Ausbildung abgebrochen, Studium geschmissen weil einfach keine Kraft. Das wird einem noch Jahre und Jahrzehnte angekreidet. Übrigens genau von Leuten wie dir die sagen "tja, wärst halt nicht depressiv geworden, mir hat auch keiner was geschenkt". Sei doch dankbar dafür, dass du psychisch so stabil gebaut bist.

Ansonsten kann ich mich WerWieWas nur anschließen. Wenn man jung ist sagt sich vieles so leicht. Manchmal muss man aber auch mal ein paar Schritte in den Mokassins eines anderen gegangen ein, um seine Sicht und sein Handeln nachvollziehen zu können. Ich war mit Anfang 20 auch noch recht arrogant, dachte mir, dass ich ja was besseres sei weil ich ein gesuchtes und schweres Fach studiere. Bis mich ein gewisser Schlag lehrte, dass andere Menschen deine Träume zerplatzen lassen können und du nichts dagegen tun kannst. Ausgeliefert bist.

Bitte tu mir einen Gefallen und arbeite an deiner Empathie. Sonst bist du später mal derjenige der als Führungskraft Menschenleben zerstört. Dafür sorgt, dass diese auf der Straße landen oder sich umbringen, weil sie "ja mehr hätten kämpfen können".

Und ob du es glaubst oder nicht: Nachsicht macht einen stark. Meine Anerkennung von anderen bekomme ich nicht nur weil mir mein Job leicht fällt. Ich gut darin bin. Oder weil ich mir um Geld keine Sorgen machen muss. Sondern für meine Empathie. Dass ich anderen helfe so gut es geht. Dass ich Kollegen schütze wenn sie eine schwere Phase und ihre Arbeit zeitweise mit erledige, bis sie sich wieder gefangen haben (sie tun dasselbe bei mir). Weil ich nicht nur auf meinen eigenen Vorteil achte.

Denn vergiss eins nicht: deine Untergebenen sind vielleicht abhängig von dir. Du aber auch von ihnen. Du wirst NIE erfolgreich sein, wenn die besten in deinem Team lieber zur Konkurrenz wechseln als deinen Charakter zu ertragen. Wenn dir nur jene bleiben die so schlecht sind, dass sie keine andere Wahl haben. Bei uns wurde übrigens schon eine Führungskraft wieder gechasst nachdem es Massenkündigungen gab und auch jene, die man von anderen Teams zu ihm stecken wollte am nächsten Tag wortlos ebenfalls die Kündigung einreichten...

Und nochmal zu Corona: ich backe mir jetzt einen Kuchen. Dank Zwangs-Home-Office habe ich jetzt ja endlich die Zeit dazu. Und ich freue mich jetzt einfach mal eine Runde, dass ich noch so schön jung und gesund bin, dass ich vor Corona keine Angst haben muss. Ich hätte schließlich Pech bei der Geburt haben und mit Vorerkrankungen auf die Welt kommen können....
 

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