Hallo liebes Forum,
ich schreibe mal wieder, weil hoffe, Erfahrungsberichte, Meinungen, Tipps und Ratschläge von euch zu bekommen.
Seit inzwischen 11 Jahren leide ich an einer eher seltenen Essstörung. Als ich 10 Jahre alt war fing sie ganz typisch damit an, dass ich mich zu dick, hässlich und unwohl gefühlt habe. Ich begann, mich regelmäßig zu wiegen und exzessiv zu hungern und nahm dann auch ganz gut ab. Objektiv gesehen war ich nie übergewichtig, wurde also einfach "schlanker". Zufrieden war ich nie mit meinem Körper. Im Spiegel sehe ich mich noch heute immer verzerrt, je nachdem, wie zufrieden oder unzufrieden ich mit mir bin und wie es mir geht, wandelt es sich mitunter mehrmals täglich von richtig fett zu pummelig und hässlich. Ich weiß, dass man so schnell gar nicht zu- oder abnehmen kann und dass es sich um eine Körperschemastörung handelt.
Als mögliche Ursachen sind mir bekannt, dass mir mein Vater oft sagte, ich wäre fett, meine Mutter kritisierte immer mein Verhalten und mein Aussehen, bei meinem Vater, bei dem ich die Wochenenden verbrachte, gab es oft verdorbenes Essen, von dem ich mich übergeben musste und bei meiner Mutter herrschte immer reger Futterneid mit meinem Bruder, weil der immer alle für Kinder "guten" Sachen weggefuttert hat, ich also begann, Süßigkeiten und sowas zu horten und zu verstecken, aber dann nicht zu essen, weil sie so wertvoll für mich waren.
Meine Hauptdiagnose ist Borderline und ich habe mehrere Baustellen, die sich abwechseln. Mal ist die Selbstverletzung im Vordergrund, mal Drogen, mal die Essstörung. Somit bin ich nie längere Zeit in eine richtige Anorexie gerutscht. Auch wenn es immer wieder Phasen gibt, in denen ich stark untergewichtig bin, enden diese mit einem fliegenden Wechsel zur nächsten Baustelle und mein Gewicht steigt durch den veränderten Fokus wieder auf ein gesünderes Maß.
Jetzt zum ungewöhnlichen Teil:
Das Hauptmerkmal meiner Essstörung, das nie verschwindet, ist, dass ich nicht vor anderen Menschen essen oder trinken kann. Niemand darf wissen, was ich zu mir nehme und niemand darf mich dabei sehen. Das geht soweit, dass ich meinen Müll verstecke, wenn Besuch kommt, mich nur im Dunkeln traue, den Müll runterzubringen, lange Panik vor Supermärkten hatte und zum Einkaufen in Randbezirke gefahren bin, wo mich sicher niemand kannte. Letzteres ist durch die zwei Jahre in Kliniken besser geworden, jetzt gehe ich einfach ganz früh morgens, direkt, wenn der Supermarkt öffnet. Seit der stationären Therapie kann ich auch bisher erfolgreich verhindern, draußen an heißen Tagen einfach umzukippen, weil ich zu lange nicht getrunken habe. Trotzdem ist es noch extrem belastend. Sozial ist es auffällig, weil ich nie mitesse, auch wenn ich eingeladen werde und hungrig bin. Man wirkt immer etwas sonderbar, wenn man etwa zu Weihnachten mit der Familie in ein Restaurant muss und dort nichts bestellt. Meine Partnerschaft war dadurch enorm belastet, weil so ein normaler Teil des Lebens wegfiel. Ich lebe in ständiger Angst, spontan Besuch zu bekommen, weil man meiner Wohnung vielleicht noch irgendetwas anmerken könnte. Natürlich kann ich Schränke und Kühlschrank nicht normal verwenden, aus Angst, dass jemand reinschauen könnte. Mein Alltag ist sehr beeinträchtigt und richtet sich nach der Störung. Urlaub mit Freunden sind völlig ausgeschlossen. Ich kann nicht mal darüber sprechen, was und wie viel ich gegessen habe.
Die genaue Diagnose ist immer noch unklar. Es heißt bisher einfach "nicht näher klassifizierte Essstörung". In einer der Kliniken wurde die Vermutung geäußert, dass es mit einem Trauma zusammenhängen könnte, da ich dissoziiere, wenn man versucht mich zum Essen zu zwingen. Sowas kam schon öfter vor, teilweise in der Schule durch andere Kinder, teilweise durch Erwachsene, die mein Verhalten für Trotz hielten. Auch gab es die Theorie, dass es vielleicht eine Angststörung sein könnte, da soziale Ängste im Vordergrund stehen (ich will nicht dafür abgewertet werden, was und wie ich esse, hätte das Gefühl, etwas sehr intimes und schlimmes preiszugeben, würde mich jemand sehen). Andere wieder meinten, es wäre einfach eine Essstörung, gegen die man mit klassischer Verhaltenstherapie vorgehen müsste, sprich mich zwingen zu essen und irgendwann würde ich schon merken, dass nichts dramatisches dabei passiert. Schon bei der Vorstellung wird mir ganz schlecht. Als einmal versucht wurde, das Thema in der Klinik anzugehen, habe ich in so kurzer Zeit so viel abgenommen, dass ich aus der Klinik geschmissen wurde (Verstoß gegen den Therapievertrag, da das als Selbstverletzung galt). Auch wurde das Schneiden dadurch schlimmer und es endete in einem Drogenrückfall. Insgesamt scheint das also mein empfindlichster Punkt zu sein, denn über meine anderen Baustellen kann ich total offen reden und bin auch bereit, sie anzugehen.
In meiner jetzigen Therapie habe ich mit der Therapeutin abgesprochen, das Thema erstmal auszusparen und den Rest zu behandeln. Damit ist meine Therapeutin auch einverstanden. Trotzdem interessiert mich natürlich, was das eigentlich ist und wie andere ihren Weg da rausgefunden haben. Immer mal wieder habe ich in Kliniken und Selbsthilfegruppen Leute mit der gleichen oder einer ähnlichen Symptomatik getroffen, weiß also, dass ich gar kein so seltener Sonderfall bin.
Kennt jemand von euch dieses Problem oder weiß, wie sich das nennt? Hat jemand etwas ähnliches durchgemacht oder vielleicht aus dem Bekanntenkreis von sowas gehört? Würde mich über Antworten freuen
Liebe Grüße
ich schreibe mal wieder, weil hoffe, Erfahrungsberichte, Meinungen, Tipps und Ratschläge von euch zu bekommen.
Seit inzwischen 11 Jahren leide ich an einer eher seltenen Essstörung. Als ich 10 Jahre alt war fing sie ganz typisch damit an, dass ich mich zu dick, hässlich und unwohl gefühlt habe. Ich begann, mich regelmäßig zu wiegen und exzessiv zu hungern und nahm dann auch ganz gut ab. Objektiv gesehen war ich nie übergewichtig, wurde also einfach "schlanker". Zufrieden war ich nie mit meinem Körper. Im Spiegel sehe ich mich noch heute immer verzerrt, je nachdem, wie zufrieden oder unzufrieden ich mit mir bin und wie es mir geht, wandelt es sich mitunter mehrmals täglich von richtig fett zu pummelig und hässlich. Ich weiß, dass man so schnell gar nicht zu- oder abnehmen kann und dass es sich um eine Körperschemastörung handelt.
Als mögliche Ursachen sind mir bekannt, dass mir mein Vater oft sagte, ich wäre fett, meine Mutter kritisierte immer mein Verhalten und mein Aussehen, bei meinem Vater, bei dem ich die Wochenenden verbrachte, gab es oft verdorbenes Essen, von dem ich mich übergeben musste und bei meiner Mutter herrschte immer reger Futterneid mit meinem Bruder, weil der immer alle für Kinder "guten" Sachen weggefuttert hat, ich also begann, Süßigkeiten und sowas zu horten und zu verstecken, aber dann nicht zu essen, weil sie so wertvoll für mich waren.
Meine Hauptdiagnose ist Borderline und ich habe mehrere Baustellen, die sich abwechseln. Mal ist die Selbstverletzung im Vordergrund, mal Drogen, mal die Essstörung. Somit bin ich nie längere Zeit in eine richtige Anorexie gerutscht. Auch wenn es immer wieder Phasen gibt, in denen ich stark untergewichtig bin, enden diese mit einem fliegenden Wechsel zur nächsten Baustelle und mein Gewicht steigt durch den veränderten Fokus wieder auf ein gesünderes Maß.
Jetzt zum ungewöhnlichen Teil:
Das Hauptmerkmal meiner Essstörung, das nie verschwindet, ist, dass ich nicht vor anderen Menschen essen oder trinken kann. Niemand darf wissen, was ich zu mir nehme und niemand darf mich dabei sehen. Das geht soweit, dass ich meinen Müll verstecke, wenn Besuch kommt, mich nur im Dunkeln traue, den Müll runterzubringen, lange Panik vor Supermärkten hatte und zum Einkaufen in Randbezirke gefahren bin, wo mich sicher niemand kannte. Letzteres ist durch die zwei Jahre in Kliniken besser geworden, jetzt gehe ich einfach ganz früh morgens, direkt, wenn der Supermarkt öffnet. Seit der stationären Therapie kann ich auch bisher erfolgreich verhindern, draußen an heißen Tagen einfach umzukippen, weil ich zu lange nicht getrunken habe. Trotzdem ist es noch extrem belastend. Sozial ist es auffällig, weil ich nie mitesse, auch wenn ich eingeladen werde und hungrig bin. Man wirkt immer etwas sonderbar, wenn man etwa zu Weihnachten mit der Familie in ein Restaurant muss und dort nichts bestellt. Meine Partnerschaft war dadurch enorm belastet, weil so ein normaler Teil des Lebens wegfiel. Ich lebe in ständiger Angst, spontan Besuch zu bekommen, weil man meiner Wohnung vielleicht noch irgendetwas anmerken könnte. Natürlich kann ich Schränke und Kühlschrank nicht normal verwenden, aus Angst, dass jemand reinschauen könnte. Mein Alltag ist sehr beeinträchtigt und richtet sich nach der Störung. Urlaub mit Freunden sind völlig ausgeschlossen. Ich kann nicht mal darüber sprechen, was und wie viel ich gegessen habe.
Die genaue Diagnose ist immer noch unklar. Es heißt bisher einfach "nicht näher klassifizierte Essstörung". In einer der Kliniken wurde die Vermutung geäußert, dass es mit einem Trauma zusammenhängen könnte, da ich dissoziiere, wenn man versucht mich zum Essen zu zwingen. Sowas kam schon öfter vor, teilweise in der Schule durch andere Kinder, teilweise durch Erwachsene, die mein Verhalten für Trotz hielten. Auch gab es die Theorie, dass es vielleicht eine Angststörung sein könnte, da soziale Ängste im Vordergrund stehen (ich will nicht dafür abgewertet werden, was und wie ich esse, hätte das Gefühl, etwas sehr intimes und schlimmes preiszugeben, würde mich jemand sehen). Andere wieder meinten, es wäre einfach eine Essstörung, gegen die man mit klassischer Verhaltenstherapie vorgehen müsste, sprich mich zwingen zu essen und irgendwann würde ich schon merken, dass nichts dramatisches dabei passiert. Schon bei der Vorstellung wird mir ganz schlecht. Als einmal versucht wurde, das Thema in der Klinik anzugehen, habe ich in so kurzer Zeit so viel abgenommen, dass ich aus der Klinik geschmissen wurde (Verstoß gegen den Therapievertrag, da das als Selbstverletzung galt). Auch wurde das Schneiden dadurch schlimmer und es endete in einem Drogenrückfall. Insgesamt scheint das also mein empfindlichster Punkt zu sein, denn über meine anderen Baustellen kann ich total offen reden und bin auch bereit, sie anzugehen.
In meiner jetzigen Therapie habe ich mit der Therapeutin abgesprochen, das Thema erstmal auszusparen und den Rest zu behandeln. Damit ist meine Therapeutin auch einverstanden. Trotzdem interessiert mich natürlich, was das eigentlich ist und wie andere ihren Weg da rausgefunden haben. Immer mal wieder habe ich in Kliniken und Selbsthilfegruppen Leute mit der gleichen oder einer ähnlichen Symptomatik getroffen, weiß also, dass ich gar kein so seltener Sonderfall bin.
Kennt jemand von euch dieses Problem oder weiß, wie sich das nennt? Hat jemand etwas ähnliches durchgemacht oder vielleicht aus dem Bekanntenkreis von sowas gehört? Würde mich über Antworten freuen
Liebe Grüße