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Seltene Essstörung?

Kanae98

Mitglied
Hallo liebes Forum,
ich schreibe mal wieder, weil hoffe, Erfahrungsberichte, Meinungen, Tipps und Ratschläge von euch zu bekommen.

Seit inzwischen 11 Jahren leide ich an einer eher seltenen Essstörung. Als ich 10 Jahre alt war fing sie ganz typisch damit an, dass ich mich zu dick, hässlich und unwohl gefühlt habe. Ich begann, mich regelmäßig zu wiegen und exzessiv zu hungern und nahm dann auch ganz gut ab. Objektiv gesehen war ich nie übergewichtig, wurde also einfach "schlanker". Zufrieden war ich nie mit meinem Körper. Im Spiegel sehe ich mich noch heute immer verzerrt, je nachdem, wie zufrieden oder unzufrieden ich mit mir bin und wie es mir geht, wandelt es sich mitunter mehrmals täglich von richtig fett zu pummelig und hässlich. Ich weiß, dass man so schnell gar nicht zu- oder abnehmen kann und dass es sich um eine Körperschemastörung handelt.
Als mögliche Ursachen sind mir bekannt, dass mir mein Vater oft sagte, ich wäre fett, meine Mutter kritisierte immer mein Verhalten und mein Aussehen, bei meinem Vater, bei dem ich die Wochenenden verbrachte, gab es oft verdorbenes Essen, von dem ich mich übergeben musste und bei meiner Mutter herrschte immer reger Futterneid mit meinem Bruder, weil der immer alle für Kinder "guten" Sachen weggefuttert hat, ich also begann, Süßigkeiten und sowas zu horten und zu verstecken, aber dann nicht zu essen, weil sie so wertvoll für mich waren.

Meine Hauptdiagnose ist Borderline und ich habe mehrere Baustellen, die sich abwechseln. Mal ist die Selbstverletzung im Vordergrund, mal Drogen, mal die Essstörung. Somit bin ich nie längere Zeit in eine richtige Anorexie gerutscht. Auch wenn es immer wieder Phasen gibt, in denen ich stark untergewichtig bin, enden diese mit einem fliegenden Wechsel zur nächsten Baustelle und mein Gewicht steigt durch den veränderten Fokus wieder auf ein gesünderes Maß.

Jetzt zum ungewöhnlichen Teil:
Das Hauptmerkmal meiner Essstörung, das nie verschwindet, ist, dass ich nicht vor anderen Menschen essen oder trinken kann. Niemand darf wissen, was ich zu mir nehme und niemand darf mich dabei sehen. Das geht soweit, dass ich meinen Müll verstecke, wenn Besuch kommt, mich nur im Dunkeln traue, den Müll runterzubringen, lange Panik vor Supermärkten hatte und zum Einkaufen in Randbezirke gefahren bin, wo mich sicher niemand kannte. Letzteres ist durch die zwei Jahre in Kliniken besser geworden, jetzt gehe ich einfach ganz früh morgens, direkt, wenn der Supermarkt öffnet. Seit der stationären Therapie kann ich auch bisher erfolgreich verhindern, draußen an heißen Tagen einfach umzukippen, weil ich zu lange nicht getrunken habe. Trotzdem ist es noch extrem belastend. Sozial ist es auffällig, weil ich nie mitesse, auch wenn ich eingeladen werde und hungrig bin. Man wirkt immer etwas sonderbar, wenn man etwa zu Weihnachten mit der Familie in ein Restaurant muss und dort nichts bestellt. Meine Partnerschaft war dadurch enorm belastet, weil so ein normaler Teil des Lebens wegfiel. Ich lebe in ständiger Angst, spontan Besuch zu bekommen, weil man meiner Wohnung vielleicht noch irgendetwas anmerken könnte. Natürlich kann ich Schränke und Kühlschrank nicht normal verwenden, aus Angst, dass jemand reinschauen könnte. Mein Alltag ist sehr beeinträchtigt und richtet sich nach der Störung. Urlaub mit Freunden sind völlig ausgeschlossen. Ich kann nicht mal darüber sprechen, was und wie viel ich gegessen habe.

Die genaue Diagnose ist immer noch unklar. Es heißt bisher einfach "nicht näher klassifizierte Essstörung". In einer der Kliniken wurde die Vermutung geäußert, dass es mit einem Trauma zusammenhängen könnte, da ich dissoziiere, wenn man versucht mich zum Essen zu zwingen. Sowas kam schon öfter vor, teilweise in der Schule durch andere Kinder, teilweise durch Erwachsene, die mein Verhalten für Trotz hielten. Auch gab es die Theorie, dass es vielleicht eine Angststörung sein könnte, da soziale Ängste im Vordergrund stehen (ich will nicht dafür abgewertet werden, was und wie ich esse, hätte das Gefühl, etwas sehr intimes und schlimmes preiszugeben, würde mich jemand sehen). Andere wieder meinten, es wäre einfach eine Essstörung, gegen die man mit klassischer Verhaltenstherapie vorgehen müsste, sprich mich zwingen zu essen und irgendwann würde ich schon merken, dass nichts dramatisches dabei passiert. Schon bei der Vorstellung wird mir ganz schlecht. Als einmal versucht wurde, das Thema in der Klinik anzugehen, habe ich in so kurzer Zeit so viel abgenommen, dass ich aus der Klinik geschmissen wurde (Verstoß gegen den Therapievertrag, da das als Selbstverletzung galt). Auch wurde das Schneiden dadurch schlimmer und es endete in einem Drogenrückfall. Insgesamt scheint das also mein empfindlichster Punkt zu sein, denn über meine anderen Baustellen kann ich total offen reden und bin auch bereit, sie anzugehen.

In meiner jetzigen Therapie habe ich mit der Therapeutin abgesprochen, das Thema erstmal auszusparen und den Rest zu behandeln. Damit ist meine Therapeutin auch einverstanden. Trotzdem interessiert mich natürlich, was das eigentlich ist und wie andere ihren Weg da rausgefunden haben. Immer mal wieder habe ich in Kliniken und Selbsthilfegruppen Leute mit der gleichen oder einer ähnlichen Symptomatik getroffen, weiß also, dass ich gar kein so seltener Sonderfall bin.

Kennt jemand von euch dieses Problem oder weiß, wie sich das nennt? Hat jemand etwas ähnliches durchgemacht oder vielleicht aus dem Bekanntenkreis von sowas gehört? Würde mich über Antworten freuen :)

Liebe Grüße
 

Werner

Sehr aktives Mitglied
Kennt jemand von euch dieses Problem oder weiß, wie sich das nennt?
Hallo Kanae98,
ich weiß, dass man bei ungewöhnlichen Beschwerden
gerne einen Namen hätte, möglichst einen lateinischen/
fachlichen, der einem dann einen gewissen Status gibt
und es leichter macht, sich zu erklären.

Aber ich weiß auch, dass das nicht zur Besserung oder
Lösung eines Problems beiträgt, sondern es eher noch
verstetigt (auch Probleme haben den Wunsch, am
Leben zu bleiben und sträuben sich gegen Lösungen).

Insofern würde ich dich gerne vor dieser Sackgasse
warnen und dich stattdessen gerne ermutigen, statt
nach einer Bezeichnung für deine Beschwerden nach
Lösungsansätzen zu suchen und dir dafür Unterstützung
zu suchen.

Alles Gute!
Werner
 

Kanae98

Mitglied
Hallo Kanae98,
ich weiß, dass man bei ungewöhnlichen Beschwerden
gerne einen Namen hätte, möglichst einen lateinischen/
fachlichen, der einem dann einen gewissen Status gibt
und es leichter macht, sich zu erklären.

Aber ich weiß auch, dass das nicht zur Besserung oder
Lösung eines Problems beiträgt, sondern es eher noch
verstetigt (auch Probleme haben den Wunsch, am
Leben zu bleiben und sträuben sich gegen Lösungen).

Insofern würde ich dich gerne vor dieser Sackgasse
warnen und dich stattdessen gerne ermutigen, statt
nach einer Bezeichnung für deine Beschwerden nach
Lösungsansätzen zu suchen und dir dafür Unterstützung
zu suchen.

Alles Gute!
Werner
Lieber Werner,

vielen Dank für deine Antwort!
Ich glaube aber, du hast mich missverstanden, vielleicht habe ich mich auch missverständlich ausgedrückt.
Es stimmt, dass ich gerne wüsste, wie sich diese Krankheit nennt, aber gerade weil mich die Lösungswege anderer Personen interessieren würden. Deshalb auch die Frage, ob jemand hier ein ähnliches Problem hat.
Das Thema ist bei mir so festgefahren und selbst die Therapeuten sind sich uneinig, wie man es angehen sollte. Keinesfalls möchte ich mich noch mehr mit dieser lästigen Einschränkung identifizieren. Viel mehr hatte ich gehofft, vielleicht eine inspirierende Erfolgsgeschichte zu hören. Bei Sucht oder Borderline beispielsweise gibt es ja dann ganz gut übertragbare Behandlungswege, wie etwa eine stationäre Entgiftung, dann Langzeittherapie, dann betreutes Wohnen und Selbsthilfe etc. Also einen groben Fahrplan, den man vielleicht auch auf sich selbst anwenden kann. Scheinbar hat niemand hier so eine Geschichte zu teilen, was schade ist, aber da kann man wohl nichts machen.

Trotzdem vielen Dank für deine Warnung und liebe Grüße :)
 

Werner

Sehr aktives Mitglied
Es stimmt, dass ich gerne wüsste, wie sich diese Krankheit nennt, aber gerade weil mich die Lösungswege anderer Personen interessieren würden. Deshalb auch die Frage, ob jemand hier ein ähnliches Problem hat.
Gut, dass du nachfragst und erklärst, liebe Kanae98,
ich hatte schon gehofft, dass deine Motivation in
Richtung "Lernen von anderen" geht; aber genau hier
lauert die Falle: Denn die Problemlösungsforschung
(von Paul Watzlawick und Steve de Shazer z. B.) hat
entdeckt, dass Problemlösungen in sich ähnlicher sind
als die Probleme selbst.

Praktisch bedeutet das, dass Lösungsweg 1 bei ganz
vielen verschiedenen Problemen helfen kann und dass
zehn Menschen, die an "Problem X" leiden, unter Um-
ständen zehn verschiedene Lösungswege finden.

Der fachliche Rat lautet daher, eher nach Lösungswegen
an sich zu suchen und weniger auf das konkrete Problem
zu fokussieren. Ein häufig nützlicher Lösungsweg lautet
zum Beispiel, dass man in den "guten Zeiten" nach schon
gelungenen Lösungen sucht oder nach Unterschieden
in Richtung Besserung – und dann herauszufinden ver-
sucht, was diese Besserung konkret bewirkt hat.

Oder dass man einfach Problemlösungsgeschichten liest
und schaut, ob eine davon interessant oder passend für
das eigene Problem sein könnte (und es dann ausprobiert).
Eine Sammlung solcher Lösungsgeschichten findest du
etwa hier: www.loesungssammlung.de

Die "Falle" (durch "richtige Benennung" zur Lösung des
Problems zu gelangen) ist durchaus einladend und ver-
ständlich: denn im medizinischen Bereich hat diese Vor-
gehensweise (Anamnese, Diagnose, Behandlung) einen
enormen Fortschritt bewirkt. Aber im psychologischen
Bereich eben nicht. Da gibt es zwar viele Hundert "Stö-
rungen", aber als Behandlung wird dann meist auf ganz
wenige Sachen zurückgegriffen (Psychotherapie, Psycho-
pharmaka). Die Diagnose hilft also nur äußerst selten,
eine adäquate Behandlung zu finden – und schadet daher
häufig mehr als sie nützt.

Du bestehst ja zu 99 % aus gesunden Anteilen, und dort
ist vermutlich auch der Lösungsansatz zu finden, der
dich wieder auf einen insgesamt gesunden Weg bringt.

Alles Gute!
Werner
 
G

Gelöscht 69542

Gast
Hallo Kanae 98,
also wenn ich den Teil aus deiner Kindheit lese, könnte ich mir vorstellen, dass sich daraus eine Essstörung entwickeln konnte (mit dem verdorbenen Essen usw.)

Die anderen Dinge (nicht vor anderen essen usw.) könnten auch eine atypische Magersucht sein.
Auch ich war mal in einer psychosomatischen Klinik, wo auch Essstörungen behandelt wurden, eine junge Frau hatte die gleichen Symptome wie du und erhielt diese Diagnose (atypische Essstörung), allerdings hatte sie keine weiteren Erkrankungen, wie Borderline o.ä.

Ich wünsche dir, dass die Symptomatik besser wird und du da heraus findest.
Alles Gute!
 

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