ich wache auf. mir geht's kakke. einfach so. am liebsten würd ich noch 'ne stunde weiterschlafen, aber ich habe meinem vater gesagt, ich komme heute zum frühstück vorbei. abturn.
trotzdem stehe ich auf. dreh mir ne kippe. mach mir meinen tee. schalte den pc an. lasse irgendeinen stream laufen. versuche irgendwie auf nen positiveren turn zu kommen. klappt eher meh.
dann muss ich auch schon los, zu vadda. draußen ist kalt. ich hab rückenschmerzen. wenn ich meinen rücken richte, knackt es. wenn ich mich recke und strecke. wenn ich versuche eine gesunde körperhaltung einzunehmen. alle gelenke und knochen reihen sich ein. zum glück hab ich die letzten tage mein training durchgezogen, sonst wäre es noch schlimmer.
ich ziehe mich an. ab in die kälte. ab zu vadda.
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auf dem weg fühl ich mich immer beschissener. die welt versinkt in grautönen..
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bei meinem vater angekommen fühle ich mich endgültig erdrückt. erstickt. wir begrüßen uns. wir frühstücken. ich kriege nur ein halbes brötchen runter. ich fühle tonnenschwere gewichte auf meinen schultern. ich würd am liebsten wegrennen und gleichzeitig irgendwie noch mehr zeit mit meinem vater verbringen. ich merke aber wie ich instinktiv nur flüchten will. nicht mal von meinem vater. sondern vor allem.
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ich hol ein bischen papierkram raus, der sich angesammelt hat und den er unterschreiben muss. ich hab wohngeld beantragt und die haben direkt abgelehnt. nun habe ich den widerspruch mit erklärung und begründung abgegeben.
ich habe keinen anspruch auf bafög mehr (im gegenteil, das bundesamt meldet sich schon weil ich langsam anfangen soll mein bafög von damals zurückzuzahlen), und auch kein anspruch auf alg I oder II weil ich student bin. und jetzt wollen sie mir nichtmal wohngeld bewilligen, die paar hundert euro, die sowieso für nichts reichen.
aber egal, ich bestehe halt auf meinen rechten.. ich werd maximal eh nur ein paar hundert euro da rausbekommen..
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wir quatschten noch ein wenig, aber er merkte, das ich schon wieder gehen wollte.. schließlich umarmten wir uns. auf diese umarmung hatte ich gewartet. er umarmt mich dieses mal ein wenig fester und ein wenig länger, als sonst.. dennoch wünschte ich mich, das er noch ein bischen fester und noch ein bischen länger an mir festgehalten hätte.. mir noch ein wenig mehr von seiner stärke übertragen hätte. mich seinen warmen, breiten körper noch ein paar sekunden länger fühlen lassen würde. aber dann war die umarmung schon vorbei. und ich ging.
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auf dem weg nach hause war ich dann vollkommen am ende.
das beschissenste war: ich wusste nicht wieso. es gab keinen konkreten grund.
ich fing fieberhaft an, darüber nachzudenken, was gerade konkret dafür sorgt, das es mir jetzt schon wieder auf einmal so schlecht geht. drogensucht? kontaktabbruch mit mama und schwester und großeltern? depression? bipolarität? manische phase? zu wenig gegessen? zu wenig geschlafen? zu wenig.. alles?
ich bekam beim laufen schnappatmung. die ganze zeit paranoia, das mich irgendwer sieht oder merkt wie wierd und crazy ich grad drauf bin. hasserfüllte, hässliche gedanken kommen in mir, gegenüber mir selbst, gegenüber anderen menschen. ich möchte sie unterdrücken aber meine schritte werden hastiger und unkontrollierbarer, genau wie die gedanken in meinem kopf.
und auf einmal, als hätte ich auf nen knopf gedrückt: NEIN!
STOP!
im kopf. ganz laut.
mein gang und meine atmung normalisiert sich schlagartig, von "gehetzter quasimodo" zu "aufrecht gehendem homo sapiens".
das von brennendem hass angefachte, lodernde feuer in mir - von einer sekunde zur anderen erstickt und erlischt.
"dann leb ich halt ohne meine mutter. ohne meiner schwester. ohne meine großeltern. dann werd ich halt so ein mensch, der nicht um die menschen, die er eigentlich liebt, kämpft und trauert einfach alles gibt, damit du eine positive beziehung zu diesen menschen hast. SIE haben es dir unmöglich gemacht, dich bei ihnen zu melden. du hast dich bei ihnen gemeldet. tausendfach. und sie haben versagt. majorly. und alles schlimmer gemacht. on an epic scale. jedes einzelne mal..
dann werd ich halt so, "wie alle anderen". interessiere mich nicht für politik. nicht für soziologie. suche nicht mehr nach "erkenntnis" und "wahrheit". ich werd zu einem der schafe. ein produkt der masse. geld verdienen. party machen. freunde treffen. spaß haben. sich um nicht anderes kümmern. außer um sich selbst. ein angepasstes leben führen. alles dafür tun, um "dazu zu gehören". das maul halten und wenn überhaupt, nur den gleichen scheiß wiederholen, den sowieso alle schon von sich geben ."
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dieser gedankengang hat mich runtergeholt. kalt gemacht. mir das gewicht genommen.
es ist im grunde genommen der paradoxe gegenentwurf meiner eigentlich "empowerment-speech", bzw. des monologes, den ich mir selbst oft im kopf erzähle, um mich selbst zu motivieren. gedanken, ähnlich eines "incels" eines "doomers"..
aber auch: gedanken eines depressiven menschen in einer depressiven phase..
ich bin den rest des weges ganz normal nach hause gegangen.
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zu hause erstmal: jogginghose. joint. stream. abschalten. runterkommen. tee trinken.
ich bin in sicherheit.
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ich gucke "it's always sunny in philadelphia", eine serie in der sich die fünf protagonisten im grunde genommen konstant gegenseitig anschreien und dabei so extrem problematischen bullshit bauen und sagen und das auf so maximal kreative, politisch unkorrekte art und weise.. das einem manchmal das lachen im hals stecken bleibt.
trotzdem hilft es nichts. in mir breitet sich eine leere aus.
"du bist gerade.. nichts. gar nichts. du existierst nicht. auf keiner ebene. maximal dein fleisch. deine knochen. deine sehnen. die elektrizität, die durch deinen körper fließt. ein klumpen fleisch ohne seele, ohne charakter.. ein wesen das keinerlei daseinsberechtigung auf dieser welt erlangen konnte. ein absolut sinnloses wesen. jede blume, jedes insekt, jedes atomare teilchen in dieser welt ha mehr bedeutung und sinn.. als du.
du bist.. nichts."
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da war ich angekommen. so saß ich da.
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auf einmal: panik. ich klicke verzweifelt auf meinem bildschirm herum.. ich durchsuche meine rss-feeder und nachrichtenaggregatoren nach.. neuen nachrichten. ein video. ein text. neuer input. IRGENDWAS.
ich find nichts. oder nur scheiße.
ich klicke weiter verzweifelt auf meinem desktop herum. ich starte ein spiel. während ich das spiel starte checke ich whatsapp. da war doch noch der kommilitone, wegen der präsentation fürs studium. die erste runde im spiel fängt an, ich wähle meinen charakter, suche direkt darauf auf whatsapp weiter nach einer bestimmten nachricht, die mir der kommilitone geschickt hatte, finde sie, leite sie an ihn weiter und stelle dazu eine frage..
ich gucke wieder auf den bildschirm. ich merke das ich die aktuelle runde verschlafen und somit direkt den anfang des spiels verkackt habe. vollkommen genervt von mir selbst beende ich die runde und das spiel vorzeitig. und sacke in mich zusammen.
ich check nochmal whatsapp und lese mir nochmal genau durch was ich dem kommilitonen geschrieben hatte.. es ging darum, das die präsi, die wir halten sollen, nicht diesen montag, sondern erst im januar schreiben werden. was eine gute nachricht ist, weil wir noch nichts vorbereitet haben.
diese "gute nachricht" entspannte mich dann tatsächlich ein wenig. die präsi wird also nicht übermorgen gehalten und ich muss heute nicht verzweifelt, gestresst und krampfhaft etwas vorbereiten, sondern kann, zumindest in der sache, entspannen.
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dann hielt ich kurz inne und schaute über meinen tisch. dort lagen mein bulletjournal und ein weiterer kleiner zettel mit notierter to-do-liste. für heute stand auf dieser liste: "baba frühstück 10 uhr".
ich musste, zum ersten mal an diesem tag, ENDLICH, kurz lächeln, weil: das konnte ich abhacken. das hab ich heute hinbekommen. frühstück mit meinem dad. ein weiteres. auf das noch unzählige gemeinsame frühstücke kommen mögen/sollen/werden.
hab ich mir da etwa was vorgenommen? und es durchgezogen? obwohls mir schlecht ging?
japp. hab ich. und mir ist dabei aufgefallen: andere sachen hab ich auch schon erledigt. hab gemeinsam mit meinem vater einen antrag für einen klienten ausgefüllt. und das ding mit dem widerspruch gegen die absage meines wohngeld-antrages erledigt. und das ding in den postkasten gesteckt.
und es war grad mal 12 uhr.
"wenn ich jetzt noch ein bischen fitness und yoga mache, mich gut ernähre, noch etwas für die uni tue und heute dann früh ins bett gehe.. könnte das echt noch ein ansatzweise 'sinnvoller' tag in meinem leben werden. ich muss morgen früh eh los, meinen alten klienten besuchen und nachmittags kommt ein kollege/freund vorbei, dem ich helfen will bewerbungen zu schreiben und sich beim amt als einzelfallhelfer zu bewerben."
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dann.. gings. hab erstmal das spiel angemacht, nebenbei noch always sunny in philly geschaut, im spiel gewonnen und mich dann an diesen text gesetzt.
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jetzt werd ich erstmal fett yoga und fitness machen, meinen dünnen, verkrüppelten, knochigen, knacksenden körper drehen und winden und auswringen und noch ein zwei leute anrufen. zwischendurch noch um die uni kümmern, papierkram erledigen, um die to-do liste kümmern.. mal sehn, wie weit ich komm.
jetzt aber erstmal: yoga.