Hallo liebe Nell!
Mir fällt auf, dass du dich sehr gut erkennen kannst.
Vielleicht kann ich mich sehr gut erkennen, es aber leider nicht in Worten und Gesten ausdrücken. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich alles bereits zu oft erleben/ durchleben musste. Mit 10 Jahren in der Kinderklinik, nach Trennung mit der Mutter meiner Tochter, und – nach dem ich nicht weiß, ob meine liebste Freundin wirklich den Weg zu mir finden wird und mich sehen kann wie ich bin und nicht wie Andere über mich reden – scheine ich Alles noch mal doppelt und dreifach zu durchleben. Das Gefühl der Einsamkeit, des Verlassen sein, die Angst vor der wiederkehrenden Einsamkeit und den damit verbundenen Depressionen schlagen wie eine Lawine auf mich ein und lassen mich wieder einmal alles von vorne durchleben. Komme mir nutzlos, wertlos vor und quäle mich seit so langer Zeit wieder mit Selbstmordgedanken. Versuche mich von den immer wiederkehrenden Gedanken abzulenken, aber es gelingt mir nicht mehr wirklich.
Sind die Bilder erst seit einiger Zeit verglibt? Ich mein waren sie erst klar, und verändern sich nun, oder sind einfach
nur Diese Bilder vorhanden?
Die Bilder sind mal klar und deutlich mit den dazugehörenden Gefühlen da, machen mir Angst, lähmen mich innerlich und ich will schreien und kann es nicht. Mein Therapeut hat vor kurzem zu mir gesagt, dass man meinen Vater ausgraben müsste für das was Er getan hat. Ich träume Nachts davon und dennoch Sucht jeder Mensch einen Halt. Habe nie einen familiären Halt gehabt und dennoch alles für meine (Familie) getan. Es hat sich in den Partnerschaften wiederholt, Partnerinnen haben mich betrogen und ich habe mich dennoch für sie aufgeopfert, geglaubt, gehofft dass sie meine Liebe sehen, wenn ich nur genug für Sie tue. Habe Partnerschaften gehabt, welche mich mehr krank als gesund werden lassen und mein Vertrauen wurde immer wieder erneut ausgenutzt und missbraucht.
Wegen deinem versteinertem Gesicht, brauchst du dir jetzt keine Sorgen zu machen. Es wird sich erst entspannen, wenns wirklich so gefühlt wird. Von Innen nach Außen, gehts seinen Weg.
Es gibt nur sehr, sehr wenige Fotos auf welchen ich wirklich entspannt aussehe, weil die Geschichte andauernd und fortwährend in meinem Kopf zu sein scheint und ich nicht weiß, ob ich sie jemals wirklich da heraus bekomme. Möchte kein Selbstmitleid, möchte durch die Hölle um ans wirkliche Licht zu gelangen. Weiß das es das Licht, weil ich es bereits erleben durfte und es mich immer wieder am Leben gehalten hat. Bin manchmal müde vom aufarbeiten, aber will durchstehen, denn schließlich endet ein Marathon auch nicht nach 10 km und ich habe bereits 8 Marathons geschafft
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Aus meiner Erfahrung bei mir heraus, weiss ich, dass ich auch "trozt" Heilung noch manchmal etwas "steif" durch die Straße gehe. Doch das finde ich ist bei mir ganz normal. Was solange da sein musste, um sich zu schützen, kann nicht einfach von heute auf morgen weg sein. Ist ja auch wie antrainiert. Schon fast wie eine Ausdrucksgewohnheit. Darüber zerbreche ich mir gar nicht mehr meinen Kopf.
Ich glaube das es geht und Du weißt es bereits
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Ich empfinde es für mich wie "geheilt und geprägt". Und das ist für mich ein sehr annehmbarer Kompromiss. Wenn du bedenkst, dass Opfer von Kindesmissbrauch ja jede kleinste Möglichkeit für eine gesunde Entwicklung genommen wurde, ist Heilung alleine schon fast ein Wunder.
Ich glaube jeder Mensch von uns ist ein kleines Wunder und jede Seele sucht einen Weg der Heilung! Schwer ist es für Missbrauchsopfer, all die falschen Gefühle, die Verletzungen abzustreifen und das wahre ich zu erkennen und es zu leben. Ich kenne mein wahres Ich, nur schaffe ich es leider noch nicht es wirklich zu leben.
Ich habe mich sogar verändert. Die ganzen Fäden wurden anders verbunden. Das erschreckte mich zuerst, denn ich dachte dann leb ich einfach ein so schönes Leben. Doch auch eine Aufarbeitung hinterlässt Spuren. Es entstehen Verstrebungen, die als Kind niemals aufgebaut werde konnten. Es entsteht auf einmal innerer Halt, der vorher nie so gefühlt werden konnte. Es verändert sogar ganze Familien. Ich bin schon noch ich, aber irgendwie anders. Ist aber auch schwer zu erklären.
Nell, genieße jeden Tag an dem Du das Gefühl hast wirklich zu sein und zu leben. Es ist Dein Recht der Du bist und es nach außen zu leben. Wünschte ich wäre bereits so weit!
Danke für Deine Zeilen. Jedes einzelne Wort von Dir hat mir Mut gemacht und mir in den letzten Stunden bereits so viel geholfen! Was könnte mir ein Mensch im Moment mehr geben?
Lieben Gruß,
Andy
Lg.
Nell[/quote]