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Mein Bruder ist nun ein Pflegefall - brauche Rat

W

Winterwölfin

Gast
Hi ihr Lieben,

mein Bruder ist vor vier Wochen quasi im Sterben liegend ins Krankenhaus gekommen. Leberzirrhose im Endstadium. Zum Gerippe abgemagert, nur noch Knochen mit bißchen Haut drumrum und dazu nen 14 Kilo-Wasserbauch, 24 Stunden lang brüllend vor Schmerzen, ein Albtraum. Cerebrale Schädigungen gibts wohl auch (sowohl durch das jahrelange Saufen als auch durch die kaputte Leber): das drückt sich in schubweisem sehr bösartigen Reagieren auf seine Umwelt aus. Ansonsten ist er zu schwach um mehr als ein paar Schritte am Tag zu gehen, eine Stufe könnte er nicht steigen. Auch verweigert er zwischendurch die Nahrungsaufname, weil ihm das Essen im Krankenhaus 'nicht gut genug' ist - was auch zeigt, wer schwer sein Realitätsverlust ist - er ist ja quasi am Verhungern gewesen, als wir ihn mit Polizei, Sanitäter und Feuerwehr aus seiner Wohnung geholt haben (die er beinahe anderthalb Jahre nicht mehr verlassen hat - inklusive des Mülls, den er nicht mehr weggeworfen hat, ne Messie-Wohnung ist ein Witz dagegen).

Die einzige Chance, die er hat, jemals wieder ins Leben zurückzufinden und nicht als gröhlender Penner auf der Straße zu enden, ist eine Langzeit-Therapie. Zuerst war er einverstanden, diese anzutreten - er sollte quasi dafür 'übergangsweise' ab kommenden Freitag zu mir kommen bis ein Platz für ihn frei geworden ist, das Krankenhaus kann ihn nicht länger behalten (seit der Reform, es ist zum kotzen) und er ist ja ein Pflegefall, kann sich nicht mal allein aufs Klo setzen, brüllt bei jeder Bewegung oder Berührung vor Schmerzen, selbst das Tramal (ein Morphin), das er hochdosiert bekommt, hilft nicht wirklich, zudem wird man beleidigt für alles, was man versucht, ihm an gutes zu tun....

Nun verweigert er weiter das Essen - und die Therapieeinrichtung hat gesagt, sie nehmen ihn nicht, wenn er physisch nicht in der Lage ist, 'mitzumachen'. So wies aussieht, hätte ich ihn dann am Hals. Bin aber selbst nicht gesund, habe ein pubertierendes Kind, eine kleine Wohnung und leider auch niemanden, der bereit wäre, mir zu Seite zu stehen; in Krisenzeiten zeigen sich die Menschen, wie sie wirklich sind, leider.

Frage eins: Kann man ihn auch gegen seinen Willen einweisen lassen? Zwischendurch entschließt er sich nämlich immer wieder, sich niemals in so eine ‘Klappsmühle’ einweisen zu lassen.

Frage zwei: Wenn ich ihm für die 'Übergangszeit' eine Wohnung einrichte (mit Pflegedienst, Sozialdienst, Essen auf Rädern) etc. hier um die Ecke, wo man ihn regelmäßig besuchen kann, Besorgungen erledigen usw. - bin ich dann moralisch gesehen ... ein Drückeberger, Feige oder kaltherzig? :((

Frage drei: Ich müßte diese Wohnung (es gäbe da schon eine, die ich für ihn haben könnte) behindertengerecht ausstatten, also Handläufe überall, Haltegriffe beim Bett, Klo usw., Spezialstuhl fürs Duschen etc. Wo kann man sich informieren, WAS es da an Ausstattungsmöglichkeiten gibt, und wer hat Erfahrung damit, wieviel davon Kassen übernehmen. Gibts da jemanden, der einem hilft, das Zeug zu montieren?

Frage vier: Gibt es unter euch jemanden, der so was schon mal erlebt hat und sich ein wenig mit mir austauschen würde; ich bin seit Wochen total am Limit, meine Mutter bricht unter diesem Horror auch zusammen, nachdem sie schon mal einen krassen Suizidversuch hinter sich gebracht hat, muß sie zwar schwere Antidepressiva nehmen, aber sie bricht völlig ein und ich fürchte um sie genauso wie um meinen Bruder. Ich hab sonst keine Familie, die mich unterstützen würde, und nachdem ich nun wochenlang sein Leben wieder geordnet hab (er hat ein halbes Jahr lang auch keine Rechnungen oder Beiträge mehr entrichtet, z.B. an die Krankenversicherung oder Miete, zudem wurde 'Material' von der Polizei sichergestellt, das ich wieder dort abholen mußte; Dinge, die ich weder wissen noch sehen wollte) ... Kurz: ich bin am Ende meiner Kraft. Und der Horror ist noch lang nicht ausgestanden.

Am liebsten würd ich einfach weglaufen, ganz weit weg. Aber das verbietet mir mein Anstand, man kann doch nicht so tun, als ginge einen das nichts an. Was tätet ihr?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
O

Oh_jee, oh_jee

Gast
Ich denke hier ist erstmal eine temporäre Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung erforderlich bzw. notwendig.

Kann mit dem Sozialdienst des Krankenhauses abgeklärt werden, der dann auch die weiteren Schritte unternimmt.
 

Fae

Mitglied
Auf Deine konkreten Frage zur Kostenübernahme etc. kann ich Dir leider keine Antwort geben - ich fürchte, gerade seit der Reform wird da eher wenig übernommen, aber dafür solltest Du mal die zuständige Krankenkasse direkt befragen, die müssten da doch am besten Bescheid wissen.

Ich könnte es auf jeden Fall verstehen, wenn Du ihn bei Dir um die Ecke einquartieren würdest statt direkt bei Dir zu Hause. Nach Deiner Beschreibung könnte das vielleicht auch Deinem Bruder besser gefallen, wenn er sich doch von allem gestört fühlt, das man für ihn tut?
Außerdem könntest Du Dich sicher besser um ihn kümmern, wenn Du nicht selbst von einem Nervenzusammenbruch zum nächsten schwankst.
Ich hätte es auch verstanden, wenn Du Dich von Anfang an geweigert hättest, ihn bei Dir aufzunehmen. Ich weiß, er ist Dein Bruder (ich habe auch einen Bruder und liebe ihn über alles), aber durch Alkoholismus verändern sich die Menschen so sehr, dass sie kaum mehr als diejenigen zu erkennen sind, die sie vorher einmal waren... also muss man sie evtl. auch nicht als die behandeln, die sie vorher einmal waren..?
Immerhin hat er sich ganz allein in diese schlimme Lage gebracht, wäre er z.B. durch einen Unfall ein Pflegefall geworden, hätte ich eher Bedenken.
Und nicht zuletzt: es würde garantiert auch Deinem Kind nicht guttun, wenn es zu Hause ständig mitansehen müsste, was aus Deinem Bruder geworden ist und Du noch dazu weniger Zeit für es hast. Ganz zu schweigen von Deiner Verantwortung Dir selbst gegenüber.
Kurz, ich denke, Deine moralische Pflicht ist absolut erfüllt, wenn Du dafür sorgst, dass er gut untergebracht ist und Du hin und wieder nach ihm siehst.

Mal eine (dumme?) Frage am Rand: Wenn es Leberzirrhose im Endstadium ist, bestehen dann überhaupt gute Chancen auf eine Heilung? So, dass er wieder so wird wie früher?
Du schreibst, es ist die einzige Chance, also gibt es eine, aber die Beschreibung am Anfang Deines Berichts ist so.. erschreckend :(
 
W

Winterwölfin

Gast
Vielen Dank erst mal für die Anteilnahme und Ratschläge.

Ja, im Krankenhaus gibt es diese Sozialfürsorgerin oder wie das heißt, die mit meinem Bruder zusammen auch den Antrag auf Langzeittherapie gestellt hat. Ich werde sie am besten mal kontaktieren.

Fae, du hast recht, ich erkenne nur noch manchmal, ganz selten in dem Wesen vor mir meinen Bruder, so wie er einmal war. Da hat er 'lichte' Momente und alles tut ihm so leid, er sagt er bekommt das ja mit, daß er plötzlich den Drang verspürt, so bösartig zu schimpfen, er wisse nicht, woher das kommt und er könne sich nicht erwehren, plötzlich sei er einfach 'so wütend auf alle, weil sie ihm so auf die Nerven gingen'.

Als ich ihn das erste mal im Krankenhaus gesehen hab, hab ich ihn nicht erkannt.

Da saß so'n uralter, abgemagerter Penner mit verfilztem Bart und stumpfen Augen auf dem Bett. Ich hab Momente gebraucht um zu realisieren, daß das der Mensch ist, den ich mal gesund und rund und scherzend kannte. Unfassbar....

Er hat sich allein in diese Situation gebracht. Aber ich weiß, daß dem vorweg eine Depressionserkrankung ging, das war schon lange Zeit so, 20 Jahre bestimmt, er hat sich nie behandeln lassen, weil er Ärzte schon immer gefürchtet hat. Er hat sich in den Alkohol geflüchtet. Man könnte ihn ohrfeigen deswegen oder auch den Standpunkt einnehmen, daß man sagt 'scheiss drauf, der hat sich das eingebrockt, nun soll er das auch auslöffeln' aber sind wir nicht alle Menschen, die in Lebenskrisen ... einbrechen könnten, womöglich sagen müssen, daß man selbst auch dort hätte enden können, hätte man selbst nicht mehr Glück gehabt ...

Trotzdem muss ich mich emotional distanzieren. Und du hast auch Recht mit deinem Argument meines Sohnes betreffend: es würde ihn belasten, so einen Horror mitzuerleben. Das bliebe ihm in seiner Seele haften, ein Leben lang. Letztlich könnte es bewirken, daß ihm selbst so ein Schicksal erspart bliebe (weil erlebt, was Alkohol aus Menschen macht), aber ob das die ganze Belastung rechtfertigte. Nein, bestimmt nicht....

Zu deiner Frage betreffend Heilungschancen. Die Ärzte können sich nicht exakt dazu äußern, weil die Leber noch teilweise arbeitet. Er ist ja noch nicht gelb. WIE lange sie arbeitet, daß kann keiner wissen. Inwieweit sie sich noch etwas regeneriert, auch nicht. Voraussetzung ist, daß mein Bruder dem Alkohol abdankt, was er überzeugend äußert. Selbst rauchen tut er nicht mehr (das waren immer mehr als zwei Schachteln täglich). Die Ärzte sagen, mit viel Glück könne er noch ein paar Jahre haben. Aber Garantie gäbe es auf nix. Eine schwere Infektionserkrankung könne schon das Aus sein.

Die Langzeittherapie ist auch mehr eine Psychotherapie als eine Reha. Sie soll ihm helfen, wieder ins Leben zurückzufinden. Sich ohne Alkohol zurechtzufinden. Usw.
 
F

Fee2010

Gast
ich hatte zwei Schwerstpflegefälle in der Familie. Mein Vater und meine Mutter. Mein Vater im Rollstuhl, meine Mutter dement.
Und ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass du das wahrscheinlich nicht durchhälst, wenn du deinen Bruder alleine betreuen möchtest. Glaube mir, dass erfordert eine unmenschliche Kraft.
Die Idee mit der eigenen Wohnung läßt sich vielleicht realisieren, wenn er ein Stückchen weiter mit seiner Genesung und Resozialisierung ist.
Momentan würde ich auch versuchen, ihn in einer Therapieeinrichtung unterzubringen.
Auf jeden Fall wünsche ich dir die Kraft die du jetzt brauchst um das Alles unbeschadet durchzustehen. Und nimm Hilfe an, egal von wem sie dir angeboten wird.

Alles Liebe für dich, deinen Bruder und deine Mutter
Fee
 
O

Oh_jee, oh_jee

Gast
Momentan würde ich auch versuchen, ihn in einer Therapieeinrichtung unterzubringen.
Fee

Therapie- oder Pflegeeinrichtung.

Pflegeeinrichtung, falls er im Augenblick nicht therapierbar ist.

Denn er scheint ja dem alltäglichen Leben nicht gewachsen zu sein aufgrund der Erkrankung.
 

Artemisia

Aktives Mitglied
Du kannst dich bei jeder Pflegeeinrichtung nach Pflegeberatungsstellen erkundigen. Dort kannst du dich kostenlos beraten lassen, welche Möglichkeiten es gibt und wie die Finanzierung ist. Z.B. Rotes Kreuz, Caritas, etc.
Lass dich nicht unter Zeitdruck in eine Lage rein manöverieren aus der du nachher nur schwer rauskommst.
Einen schwerst-alkoholabhängigen können Angehörige nur schlecht pflegen, weil da sofort Sachen wie Co-Abhängigkeit auftauchen können und dann hat er ja keinen Grund mehr sich selbst anzustrengen.
So schlimm es ist: es ist sein Leben und ER muss es auf die Reihe kriegen wollen!
Alles Gute!
 

Micky

Sehr aktives Mitglied
Hey,Du!
Da meine Antwort als mehrfach Betroffene (Pflegende) zu lang und emotional wurde :eek:

(und ich für PN bei DEM Thema zu ausgebrannt bin ) ,versuche ich paar Stichworte:

- geh zum Vormundschaftsgericht,beantrage die Betreuung für Deinen Bruder--
oder kann er wieder klar alle seine "Behörden- und Gesundheitsangelegenheiten" regeln?
Mit Betreuerausweis kannst Du in seinem Sinne diverse Sachen einfacher regeln. Infos: "Betreuungsrecht" googeln.

-Da Du NICHT in der Lage bist, eine,im Zweifel JAHRELANGE,JAHRZEHNTELANGE Pflege selbst sicherzustellen,denk erst gar nicht dran!

-Bist Du zuzahlungsverpflichtet im Rahmen der Gesetze?

Ich meine :NEIN,aber...bin mir bei Geschwistern da nicht sicher.
-In gerader Linie wären :Eltern,Kinder --wenn sie mehr als bestimmtes Einkommen haben.

- Moralisch bist Du natürlich in der Pflicht-- also: tu das,was Du kannst:
organisiere für die OPTIMALE Versorgung.

-Auf alle Fälle würde ich mich um seine Papiersachen bissel kümmern,Du hast es ja schon REAL gemacht,besorg Dir eine Vollmacht..laß Dich als (begrenzte ) Betreuerin bestellen.

-Ist er überhaupt fähig,allein in einer Wohnung zu hausen?
-Beachte Haftungsfragen...wenn er Schaden anrichtet
-Beachte GEFAHRENSITUATIONEN,wenn er hilflos wird plötzlich.
-Gibt es betreute Wohngemeinschaften?

Wenn Du klar sagst,Du stehst NICHT zur Verfügung als PFLEGERIN ,muß sich ggf.der Soziale Dienst drum kümmern.

Er hat,solange er NICHT unter Betreuung steht (oder bei akuter Selbstgefährdung) natürlich das Recht...hinzugehen,wohin er will...
Und sei es..in den nächsten Wald.

Wenn Du die Deiner Meinung nach desolate geistige Fähigkeit anzeigst (Vormundschaftsgericht/Betreuungsamt),ist der Staat in der Pflicht.
(Hilflose Person)--aber..er wird angehört..und..es gibt halt Fälle,wo Leute freiwillig und ohne Eingreifmöglichkeit im Dreck vermodern.
Du hast ihn so schon erlebt...

Wenn Du seine Finanzen zuverlässig angesichert hast --kannst Du ihn unterstützen mit Wohnungssuche u.Organisation von Hilfsdiensten.

Aber :bedenke--die Pflegekassen zahlen NICHT für zig Zusatzleistungen.
Das würde dann an Dir hängenbleiben.


Die beste Wahl ist hier aber ein Pflegeheim .Es gibt auch Stationen,die extra für "jüngere,drogengeschädigte teilweise noch alltagsfitte" Pfleglinge ausgestattet sind.
Ruf die kostenlose Pflegehotline (Diakonie? Caritas?) an und frag nach.

Also...Du kannst mir auch ne PN schicken mit KONKRETEN Fragen...

LEIDER gehöre ich zu den "durch Pflege Geschädigten" ---weil eben
die "Verpflichteten" (Staat/ direkte Angehörige) kriminell versagten.
Gelinde gesagt.

Kraft,Gesundheit,Freizeit,Einkommen,Rente---etc.etc.auf Null-Pegel.

Und--kein Land in Sicht.

*ausgebrannter* Gruß :cool:

Micky
 
S

Schnubbelmaus

Gast
Du kannst Dich im Krankenhaus bei Sozialdienst erkundigen, die können Dir auch bei den ganzen Anträgen helfen und zumindest sagen wo Du was beantragen kannst und mußt.

Zuhause würde ich ihn nicht aufnehmen das würde nicht gut gehen. Du bist jetzt schon innerlich so zerfressen da gehst Du mit vor die Hunde.

Den Rest hat Micky ja schon ausfühlich gepostet.

Wünsche Dir ganz viel Kraft!!!!

LG
 

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