A
Alex
Gast
Ich habe ein Anliegen, das mich seit längerem beschäftigt und in Ermangelung einer passenderen Plattform veröffentliche ich dieses nun hier in der Hoffnung, dass jemand mir weiter helfen kann. Die Herleitung dürfte etwas länger ausfallen und das Thema ist für mich extrem emotional, sodass ich einige Dinge nicht auslassen möchte, auch wenn sie für mein tatsächliches Anliegen nicht wichtig sind. Ich bedanke mich daher im Voraus für eure Geduld beim lesen.
Ungefähr im Jahr 2007 wurde mein Vater das erste Mal in einer psychiatrischen Klinik eingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war ich zehn oder elf Jahre alt und überdies habe ich vieles aus dieser Zeit verdrängt, sodass einige Details in meiner Erinnerung fehlen. Er war stark suizid-gefährdet und wurde mit einer "major depression" diagnostiziert. Im Verlauf der nächsten sieben Jahre wurde er immer wieder in unterschiedliche Kliniken eingewiesen, vermeintlich geheilt entlassen und kam zurück zu uns in die Familie nur um den ganzen Prozess dann von neuem zu durchlaufen. Um eine Relation zu geben: Ich kannte bevor ich ein Teenager wurde drei verschiedene Psychiatrische Kliniken von innen. Während dieser Zeit wandelten sich die Diagnosen und unsere Erfahrungen. Stichworte wie Elektro-Krampf-Therapie, Antidepressiva und Verfolgungswahn gehörten zu meinem Alltag. Mein Vater unternahm diverse Suizid-Versuche und hatte schließlich einen amputierten Arm, weil die Schnitte unheilbar zu tief waren, tiefe Narben im anderen Arm und auf beiden Seiten des Halses. 2013 ging es ihm schließlich scheinbar besser und er setzte sich mit den Langzeitfolgen der Medikamente auseinander, die er täglich einnahm. Im Endeffekt setzte er diese in Eigenregie ab und fiel zum letzten Mal in das alte Schema zurück. 2014 nahm er sich auf seinem "Wochenendausgang" das Leben, indem er sich vor einen Zug warf.
Das ist inzwischen lange her und mir und meiner Familie geht es besser. Ein Gedanke lässt mich jedoch nicht los und ich hoffe, hier eine Lösung dafür zu finden. Während einer seiner klaren Phasen erzählte er mir von einem Patienten, den er in der Klinik kennenlernte. Dieser Patient hat gesehen, wie mein Vater zu einem Bahnübergang hinüber schielte und ihn daraufhin darum gebeten sich nicht vor einen Zug zu schmeißen. Er erklärte ihm, dass er selbst in der Klinik wäre, weil er als Lok-Führer arbeitete, als ein Mann sich auf diese Weise das Leben nahm. Diese Erfahrung hatte ihn innerlich gebrochen, sodass er Depressionen entwickelte und in die Klinik eingewiesen wurde.
Mein Vater erzählte mir, dass ihm das die Augen geöffnet hätte und er so etwas niemals jemandem antun würde. Ironischerweise tat er das schließlich doch. Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass er sich durch seine Behinderung nicht mehr die Pulsadern aufschlitzen konnte. Überdies achteten wir alle inzwischen peinlich genau auf subtile Hinweise in seinem Verhalten, um im Zweifel sofort eingreifen zu können und er war abgesehen von kleinen Momenten unter permanenter Beobachtung. Zudem haben seine vorherigen Versuche ja nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Er sah wohl den Weg über den Zug als einzige sichere Methode, endlich "erfolgreich" zu sein.
Schon damals wollten wir uns als Familie an den Lok-Führer wenden und sichergehen, dass er sich keine Schuld gibt. Wir wollten den Kreislauf der Depression unterbrechen und ihm versichern, dass wir ihm keine Schuld zusprechen und dass er nichts hätte tun können um zu verhindern, was passiert ist. Wir wollten sichergehen, dass dem Wunsch meines Vaters (zum Zeitpunkt klaren Verstandes) entsprochen wird, und dass der Lok-Führer professionelle Hilfe erhält.
Der Kontakt kam jedoch nie zustande. Ich vermute, dass dies an der Befürchtung liegt, dass wir negative Intentionen hegten, oder dass beschlossen wurde dass ein Treffen mit uns für den Lok-Führer nicht förderlich sein könnte. Wir hatten damals andere Dinge, um die wir uns kümmern mussten, sodass wir den Gedanken fallen ließen.
Das ganze ist nun sieben Jahre her und ich bin inzwischen älter und reifer als ich mit 17 war. Ich habe noch immer das Bedürfnis sicher zu gehen, dass der Lok-Führer nicht in der gleichen Situation gelandet ist, in der der Mitpatient meines Vaters damals war. Ich würde ihm gerne einen Brief zukommen lassen, ein Treffen vereinbaren oder ein Telefonat führen. Im Grunde möchte ich ihm lediglich die Situation erklären, ihm versichern dass ihn keine Schuld trifft, mich für den psychologischen Schaden entschuldigen, der ihm widerfahren ist und ihm alles Gute für sein weiteres Leben wünschen. Für mich wäre das überdies in gewisser Weise ein Abschluss mit dem ganzen Kapitel.
Nun kommen wir schließlich zu der Intention dieses Beitrages: Es geht mir nicht darum, ob ich mich melden sollte. Ich hatte lange genug Zeit darüber nachzudenken. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie ich Kontakt aufnehmen kann. Die genauen Daten wie wann und wo der Suizid stattfand könnte ich zusammen tragen. Aber an wen soll ich mich wenden? Ich wäre auch damit einverstanden, einen anonymen Brief an eine unabhängige Stelle zu geben, die diesen dann an den Lok-Führer weiter reicht oder ähnliches. Es geht mir nicht um Kontakt-Daten, sondern um die Botschaft an sich.
Kann mir diesbezüglich jemand behilflich sein? Gibt es eine entsprechende Instanz, an die ich mich wenden kann? Selbstverständlich könnte ich mich durch Polizei-Behörden und Bahn-Unternehmen telefonieren, aber trotz all der Zeit ist das Thema noch sehr emotional für mich. Ich möchte das ganze abschließen und nicht in einen Prozess starten der längerfristige Aufmerksamkeit, rumtelefonieren und nachharken involviert. Gibt es für so etwas eine Möglichkeit?
Vielen Dank im Voraus.
Ungefähr im Jahr 2007 wurde mein Vater das erste Mal in einer psychiatrischen Klinik eingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war ich zehn oder elf Jahre alt und überdies habe ich vieles aus dieser Zeit verdrängt, sodass einige Details in meiner Erinnerung fehlen. Er war stark suizid-gefährdet und wurde mit einer "major depression" diagnostiziert. Im Verlauf der nächsten sieben Jahre wurde er immer wieder in unterschiedliche Kliniken eingewiesen, vermeintlich geheilt entlassen und kam zurück zu uns in die Familie nur um den ganzen Prozess dann von neuem zu durchlaufen. Um eine Relation zu geben: Ich kannte bevor ich ein Teenager wurde drei verschiedene Psychiatrische Kliniken von innen. Während dieser Zeit wandelten sich die Diagnosen und unsere Erfahrungen. Stichworte wie Elektro-Krampf-Therapie, Antidepressiva und Verfolgungswahn gehörten zu meinem Alltag. Mein Vater unternahm diverse Suizid-Versuche und hatte schließlich einen amputierten Arm, weil die Schnitte unheilbar zu tief waren, tiefe Narben im anderen Arm und auf beiden Seiten des Halses. 2013 ging es ihm schließlich scheinbar besser und er setzte sich mit den Langzeitfolgen der Medikamente auseinander, die er täglich einnahm. Im Endeffekt setzte er diese in Eigenregie ab und fiel zum letzten Mal in das alte Schema zurück. 2014 nahm er sich auf seinem "Wochenendausgang" das Leben, indem er sich vor einen Zug warf.
Das ist inzwischen lange her und mir und meiner Familie geht es besser. Ein Gedanke lässt mich jedoch nicht los und ich hoffe, hier eine Lösung dafür zu finden. Während einer seiner klaren Phasen erzählte er mir von einem Patienten, den er in der Klinik kennenlernte. Dieser Patient hat gesehen, wie mein Vater zu einem Bahnübergang hinüber schielte und ihn daraufhin darum gebeten sich nicht vor einen Zug zu schmeißen. Er erklärte ihm, dass er selbst in der Klinik wäre, weil er als Lok-Führer arbeitete, als ein Mann sich auf diese Weise das Leben nahm. Diese Erfahrung hatte ihn innerlich gebrochen, sodass er Depressionen entwickelte und in die Klinik eingewiesen wurde.
Mein Vater erzählte mir, dass ihm das die Augen geöffnet hätte und er so etwas niemals jemandem antun würde. Ironischerweise tat er das schließlich doch. Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass er sich durch seine Behinderung nicht mehr die Pulsadern aufschlitzen konnte. Überdies achteten wir alle inzwischen peinlich genau auf subtile Hinweise in seinem Verhalten, um im Zweifel sofort eingreifen zu können und er war abgesehen von kleinen Momenten unter permanenter Beobachtung. Zudem haben seine vorherigen Versuche ja nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Er sah wohl den Weg über den Zug als einzige sichere Methode, endlich "erfolgreich" zu sein.
Schon damals wollten wir uns als Familie an den Lok-Führer wenden und sichergehen, dass er sich keine Schuld gibt. Wir wollten den Kreislauf der Depression unterbrechen und ihm versichern, dass wir ihm keine Schuld zusprechen und dass er nichts hätte tun können um zu verhindern, was passiert ist. Wir wollten sichergehen, dass dem Wunsch meines Vaters (zum Zeitpunkt klaren Verstandes) entsprochen wird, und dass der Lok-Führer professionelle Hilfe erhält.
Der Kontakt kam jedoch nie zustande. Ich vermute, dass dies an der Befürchtung liegt, dass wir negative Intentionen hegten, oder dass beschlossen wurde dass ein Treffen mit uns für den Lok-Führer nicht förderlich sein könnte. Wir hatten damals andere Dinge, um die wir uns kümmern mussten, sodass wir den Gedanken fallen ließen.
Das ganze ist nun sieben Jahre her und ich bin inzwischen älter und reifer als ich mit 17 war. Ich habe noch immer das Bedürfnis sicher zu gehen, dass der Lok-Führer nicht in der gleichen Situation gelandet ist, in der der Mitpatient meines Vaters damals war. Ich würde ihm gerne einen Brief zukommen lassen, ein Treffen vereinbaren oder ein Telefonat führen. Im Grunde möchte ich ihm lediglich die Situation erklären, ihm versichern dass ihn keine Schuld trifft, mich für den psychologischen Schaden entschuldigen, der ihm widerfahren ist und ihm alles Gute für sein weiteres Leben wünschen. Für mich wäre das überdies in gewisser Weise ein Abschluss mit dem ganzen Kapitel.
Nun kommen wir schließlich zu der Intention dieses Beitrages: Es geht mir nicht darum, ob ich mich melden sollte. Ich hatte lange genug Zeit darüber nachzudenken. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie ich Kontakt aufnehmen kann. Die genauen Daten wie wann und wo der Suizid stattfand könnte ich zusammen tragen. Aber an wen soll ich mich wenden? Ich wäre auch damit einverstanden, einen anonymen Brief an eine unabhängige Stelle zu geben, die diesen dann an den Lok-Führer weiter reicht oder ähnliches. Es geht mir nicht um Kontakt-Daten, sondern um die Botschaft an sich.
Kann mir diesbezüglich jemand behilflich sein? Gibt es eine entsprechende Instanz, an die ich mich wenden kann? Selbstverständlich könnte ich mich durch Polizei-Behörden und Bahn-Unternehmen telefonieren, aber trotz all der Zeit ist das Thema noch sehr emotional für mich. Ich möchte das ganze abschließen und nicht in einen Prozess starten der längerfristige Aufmerksamkeit, rumtelefonieren und nachharken involviert. Gibt es für so etwas eine Möglichkeit?
Vielen Dank im Voraus.