Von wegen "strategische Überlegungen", ist doch klar das wenn man sich seiner Gefühle nicht sicher ist, das man mal Abstand braucht. Du stürzt dich natürlich gleich auf denn ach so fiesen "Sexentzug"- skrupellos geplant um die Schuld am Scheitern dem Freund in die Schuhe zu schieben.
Wenn ich "strategisch" schreibe, dann meine ich damit, dass Du die Erfüllung unmittelbarer Bedürfnisse zugunsten höhergelagerter Zwecke bzw. Motive hintangestellt hast. In diesem Sinne war Dein Sexverzicht - gemäß Deiner eigenen Darstellung - in beiden Fällen strategisch, nicht weil Du ihn so "geplant" hättest oder Du einen sinistren "Schlachtplan" verfolgen würdest - das macht schon Dein Unterbewußstsein für Dich; Dein bewußtest Handeln ist da nur das "Vollzugsorgan": Du wirst Dich schlicht danach gefühlt haben und fertig.
Ich kann ja verstehen dass Du schon (mindestens 1) mal ganz fies verletzt wurdest, aber gleich alle Frauen als durchtriebene hinterhältige "Hinhaltekünstlerinnen" zu verurteilen ist schon maßlos übertrieben!
Ach komm, das was bei Euch grade abläuft ist so dermaßen alltäglich und normal, dass Du, egal ob Mann oder Frau, ab einer gewissen Altersklasse kaum jemanden finden wirst, der da nicht in der einen oder anderen Form schonmal selber durch ist oder es bei anderen miterlebt hat (selbst hier im Forum gibts genug Beispiele), da brauchts wirklich kein ad hominem (was an der Gültigkeit der Darstellung ja auch nichts ändern würde).
Verurteilen tust Du Dich nur selber - ich hab keinerlei Werung ausgesprochen, sondern nur versucht, Dir den Mechanismus zu verdeutlichen, weil man, wenns einen selbst betrifft da halt selten objektiv ist. Trennungen nach längeren Beziehungen laufen immer nach einem ähnlichen Schema ab, und Eure ist da keine Ausnahme.
Der Zweck war, Dir klarzumachen, dass Du eben
nicht in einem Zwiespalt bist im Sinne einer Entscheidung zwischen zwei Männern, sondern dass Du Dich eben schon entschieden
hast. Und dass es keinen Sinn hat, die Umsetzung aus Gewissensgründen noch länger hinauszuzögern, weil Du dann allen beteiligten (und auch Dir selber) noch größeren Schaden zufügst - denn dass Du Deinem noch-Freund damit weh tust, ist nunmal unvermeidlich. Da nochmals ein halbes Jahr Todeskampf dranzuhängen, bis bei ihm nur mehr Hass, bei Dir nur mehr Verachtung und beim neuen nur mehr Frust da sind, allerdings schon.
Schon mal daran gedacht das es sein kann, mal hin- und her gerissen zu sein zwischen seinen Gefühlen ohne jemanden weh tun zu wollen, die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen oder sich irgendwen "warmhalten" zu wollen??
Glaub ich Dir gernen, aber mit Deinem Bemühen "niemanden weh zu tun" erreichst Du halt das genaue Gegenteil. Und das ist
vermeidbares Leid.
Und Deine Unsicherheit ist eben nicht Liebe zum noch-Freund sondern einfach nur die Angst, vollendete Tatsachen zu schaffen - die erlebte Motivation ist anderes, Du
willst ihn Dir nicht vorsätzlich warmhalten, bis der neue in trockenen Tüchern ist, aber Du
verhältst Dich exakt so (und erreichst damit, wie immer beim Hinhalten, beim neuen womöglich sogar das Gegenteil).
Ich brauche keine Absolution, sondern eine neutrale Person die nicht ihre eigenen "Verletzungen" auf meine Situation projiziert, so wie Du das machst.
Ich sehe nicht, was an meiner Darstellung nicht objektiv wäre, zumal sie ja völlig wertungsfrei ist - und
natürlich brauchst Du eine Absolution. Nur Deine Schuldgefühle sind es, die Dich noch abhalten, das notwendige zu tun. Allerdings kann die halt nur von Dir selber kommen - indem Du zuerst vor Dir selber und dann auch anderen gegenüber zu Deiner innerlich schon gefallenen Entscheidung stehst.
Dafür dass Du Dich in einen anderen verliebt hast, kannst Du nichts - die Zeit war einfach reif dafür. Wohl aber für die Art wie Du damit umgehst. Du bist in der paradoxen Situation dass Du durch das schuldgefühlsbedingte Hinauszögern gerade die "Schuld" (im Sinne vermeidbaren zugefügten Leids) auf Dich lädst, die Du zu vermeiden trachtest.
Sag Deinem Freund einfach, dass Du Dich in einen anderen verliebt hast. Natürlich wird es ihm erstmal weh tun, aber dann kann er Dich zumindest verstehen. Und er kann beginnen, loszulassen. Und es gibt dann auch keine Notwendigkeit mehr, mit Drohungen u.ä. um Dich zu kämpfen, weil er weiß, dass es aussichtslos ist. Er spürt ja wie Du ihm entgleitest und die Angst (und die entsprechenden Reaktionen) ist immer dann am größten, wenn der Fall vor dem man sich fürchtet noch
nicht eingetreten ist. Liegen die Dinge erstmal auf dem Tisch, dann wird man sich, wenn der erste Schock einmal weg ist, auch zu eine konstruktiven Lösung zusammenfinden -
wenn man nicht das letzte emotionale Kapital und den letzten guten Willen vorher in einem sinnlosen Todeskampf verprasst hat.
digitus
