Hallo Tyni,
Lieben Dank für deine Antwort.
Ich bin 27 Jahre alt, und spontan fallen mir leider keine besonderen Themen ein.
Vielleicht quatsche ich einfach mal drauflos.
Heute sind mir Dinge durch den Kopf gegangen, wie dass demnächst mehrere hundert Flüchtlinge hierher ziehen, und zwar werden sie vorübergehend auf sehr engem Raum leben müssen.
Dazu gibt es diese Meinungen, dass einige von ihnen "unsere" Frauen vergewaltigen oder ihnen auf Parkplätzen auflauern könnten. Das finde ich erschreckend, und ich denke dass es da um die Angst vor dem Fremden geht. Und im nächsten Moment höre ich von tatsächlichen Fällen, in denen Frauen im Dunkeln aufgelauert wurde. Es ärgert mich´, dass daraufhin pauschalisiert wird, dass Flüchtlinge eine Gefahr darstellen für die intakte Dorfgemeinschaft, die niemals wirklich intakt war, nur dass es jetzt eben Ausländer sind, die auffällig werden. Das kommt natürlich dann gleich in die Medien und das wiederum schürt große Angst.
Und dann denke ich wieder, es sind unwürdige Verhältnisse in denen sie vorübergehend leben müssen. Eine Dozentin einer Sozialen Fakultät hat dazu in einer Info-Veranstaltung zu unbegleitet minderjährigen Flüchtlingen mal gesagt, es kann doch nicht sein dass dafür keine anderen Möglichkeiten geschaffen werden. Dabei ging es um Schulplätze, die teilweise frühestens nach 6 Monaten vergeben werden, und in der Zwischenzeit hängen die Kinder in der Luft.
Und idealistischerweise hat sie Recht damit. Nur darf man dann bei allem Idealismus nicht vergessen, dass die Kapazitäten einfach manchmal nicht da sind. Idealerweise muss man tatsächlich ein paar Milliarden Euro in die Hand nehmen (am besten vom Himmel gefallene), etliche Schulen, Einrichtungen bauen, Lehrer und Betreuer einstellen (die dann von weiteren vom Himmel gefallenen Milliarden bezahlt werden), und bestenfalls noch ein paar Pflegeeltern von den Bäumen pflücken, da familiäres Aufwachsen Kindern meist besser tut als eine Heimunterbringung, oder wie in manchen Städten sogar alleine im Hotel.
Und dann denke ich mir, die Welt in der wir leben ist voller Ausnahmezustände, wandelt sich die ganze Zeit, und man kann nicht agieren, nur reagieren.
Und wenn man handelt, riskiert man immer, die falsche Entscheidung aus mehreren Optionen zu treffen.
Und ein Richtig und Falsch gibt es dazu nicht. Bloß dass so gut wie jeder mit dem Finger auf Leute zeigt, die 10 Entscheidungen getroffen haben, und eine davon war ihrer Meinung nach falsch, oder hatte unschöne Auswirkungen.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Idealisten immer weniger werden, und dabei ist mir egal, nach welchen Idealen man denkt und handelt, nur eben nach eigenen Idealen.
Was ich in meinem Kopf denke, sieht allerdings natürlich keiner, sobald ich es aber öffentlich sage und danach handle, sieht es jeder. Es ist einfach, niemals selbst zu handeln, keine Entscheidungen mehr zu treffen, und nur noch auf Fehler anderer zu reagieren. Aber mal angenommen, das würde dann jeder tun, wäre irgendwann auch jemand der vorher nur reagiert hat gezwungen, selbst etwas in die Hand zu nehmen, und wenn keiner mehr Meinungen und Ideale auf dem Tablett serviert, müsste man sich dann doch bequemen, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Und ich nehme mich davon nicht komplett aus, denn ich glaube nicht, dass es komplett unbeeinflussbare Menschen gibt.
Manchmal frage ich mich aber, wie viel von meinen eigenen Idealen auch wirklich meine eigenen sind.
Ich habe heute darüber nachgedacht, wie viel Menschliches in meinem Hund ist.
Ich mag Menschen sehr, ich mag es, dass sie tief denken und sich darüber sehr differenziert austauschen können.
Und ich mag Hunde, denn sie sind einfach nur unendlich treu. Wie viel Hund steckt in den Menschen?
Und wenn Menschen treu sind, ist das dann Egoismus, also der tiefergehende Gedanke, dass man erntet was man säht, und so einer Einsamkeit bestmöglich vorbeugt, oder ist es wirklich in manchem Menschen drin?
Und wenn ich meinetwegen mit Bekannten in eine Kneipe gehe, Bier trinke, und mich etwa 5 Stunden lang über nichts als Belanglosigkeiten unterhalte, ich meine 5 ! Stunden !, in denen keiner mehr von sich preisgibt als man nach 5 Minuten hätte wissen können...warum redet man dann überhaupt miteinander?
Ist Small Talk die Chance, die eigene Stimme zu trainieren, den Wortschatz, und sich durch die Resonanz bei den anderen besser zu fühlen, weil man Beachtung bekommt? Und das, ohne zu viel von sich preiszugeben, denn das macht ja tatsächlich viel verletzlicher.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viel Spaß macht, aber eben auch immer wieder dasselbe ist.
Und dann habe ich bemerkt, dass man tatsächlich sogar mehr von Menschen erfährt, sogar in diesem Setting, wenn man einfach mal fragt, was beim anderen wirklich im Kopf vorgeht. Und die oberflächlichen Bekanntschaften können dann sehr schnell viel tiefer gehen. Beide erhalten Anerkennung, Beachtung, und man muss sich seiner eigenen Gefühle nicht schämen. Der Nachteil ist, dass man beim Small Talk mit 12 Personen gleichzeitig reden kann, bei anderen Gesprächen allerdings höchstens mit 3.
Aber ist es zu hart gesagt, dass ich einen Monolog über das Wetter auch wirklich mit einem Hund führen kann?
Die Resonanz ist jedenfalls sogar noch stärker
So oder so schätze ich jedenfalls menschliche und tierische Kontakte, denn beide haben etwas Einzigartiges für sich.
Und ich habe bemerkt, dass bald Weihnachten ist, und ich zum ersten Mal in meinem Leben dieses Jahr überhaupt gar nicht das Gefühl habe dass Weihnachten ist. Obwohl überall Lichterketten sind und Weihnachtsmärkte und Reibekuchenstände und Einkäufer in der Spielzeugabteilung und Weihnachtslieder, habe ich sogar das Gefühl, dass kaum Gespräche über Weihnachten stattfinden, bei anderen Leuten. Kann es sein, dass die Wahrnehmung einem einen solchen Streich spielen kann? Oder ist es dieses Jahr wirklich irgendwie anders?
Spontane und unüberarbeitete Gehirnsalatausschüttung
Liebe Grüße.