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Ich hänge übermäßig an Dingen

who'snext

Neues Mitglied
Hallo Community,

ich habe mal wieder ein Problem, mit dem ich mich an euch wenden möchte.
Ich bin männlich und 21 Jahre alt. Schon als Kind faszinierte mich alles Materielle und dessen Authentizität. So gefiel es mir, Gebäude aus Bauklötzen zu bauen, diese nach einiger Zeit nur teilweise wieder abzureißen und die verbliebenen Teile in ein neues Gebäude einzubeziehen, um denken zu können, wie alt schon dieser Teil ist und was er alles „erlebt“ hat. Noch heute kann ich mich mit solchen Vorstellungen beschäftigen und treibe das Gleiche wie damals mit den Bauklötzen bei Minecraft (im Grunde virtuelle Bauklötze), was ich hin und wieder spiele.


Vor fünf Jahren starb meine Oma mütterlicherseits mit 91 Jahren nach drei Monaten Pflegeheim aufgrund eines Schlaganfalls, es war also nicht überraschend, sondern eher eine Frage der Zeit. Ich habe mich in ihrer Wohnung, direkt um die Ecke, mehr zuhause gefühlt als in unserer eigenen. Damals habe ich bei der Auflösung ihrer Wohnung nur wenige Möbelstücke und andere Gegenstände behalten, weil ich damals die Dinge nach ihrem objektiven Wert betrachtet habe und auch meine Mutter, mit der ich alleine wohne, nicht die Wohnung mit dem „alten Zeug“ vollgestellt haben wollte. Über diese Entscheidung ärgere ich mich heute noch.


Unter diesen Dingen waren einige Zimmerpflanzen, auch ein Drachenbaum, der kurz vor dem Eingehen war. Diesen habe ich gerettet, sodass er sich in fünf Jahren verdoppelt hat. Vor drei Wochen war in unserer Wohnung ein Scharnier der Balkontür gebrochen und ich hatte die Tür am Sofa angelehnt. Am selben Tag habe ich noch Witze gemacht, was passieren würde, wenn die Tür umfällt. Und so geschah es. Sie kippte direkt auf die Pflanze. Eine Hälfte der Pflanze war fast ganz unten abgeknickt. Im Schock, der seltsamerweise fast schlimmer war als die Nachricht vom Tod meiner Oma, habe ich die Pflanze einfach nur gestützt. Ich wollte um jeden Preis den Stamm erhalten, der ja schließlich noch bei meiner Oma „dabei war“. Heute sehe ich, dass die Wunde begonnen hat zu schimmeln. Also habe ich die Pflanze schweren Herzens abgeschnitten und den abgeschnittenen Teil in eine Vase zum Wurzeln gestellt. Dummerweise war es eine alte Vase meiner Oma. Die Pflanze ist gekippt, die Vase mit – kaputt. Diese Vase war zwar eher hässlich und kein bisschen wertvoll, aber eben Teil der Wohnung meiner Oma. Ich fühle schon wieder massive Vorwürfe an mich selbst, meine Mutter sieht das ganz gelassen. Ich denke, dass ich das mit der Tür und das mit der Vase hätte verhindern können.


Schon als vor etwa drei Jahren mein Vater ein Sektglas meiner Oma unabsichtlich zerstört hat, habe ich oft daran denken müssen und bekomme heute noch bei der Vorstellung irgendwie ein ganz schlechtes Gefühl.


Ich merke, wie ich mich sklavisch an die Dinge aus dem Nachlass meiner Oma klammere, als seien das weltbekannte Reliquien. Je mehr davon kaputtgeht, desto größer wird meine Angst, noch mehr zu zerstören.





Vielen Dank an alle, die den langen Text gelesen haben. Über Ratschläge, aber auch über Erfahrungsberichte ähnlicher Art freue ich mich sehr.
 

Violetta Valerie

Moderator
Teammitglied
ich kann das total nachfühlen. Dein Text könnte von mir sein. Ichleide auch sehr sehr unter dem Verlust meiner Großeltern. Als meine Oma starb habe ich- ähnlich wie Du- angefangen, Dinge zu sammeln. ich war damals noch ein Kind und es hat mich ziemlich fertig gemacht, dass Dinge von meiner Oma (ihre Kleidung usw) weggegeben wurden. So habe ich angefangen, nach und nach Dinge zu sammeln, die ihr gehörten und die hüte ich bis heute. Große Schwierigkeiten habe ich damit, wenn etwas im Haus meiner Großeltern verändert wird: Wenn dort etwas gemacht werden muss oder etwas entsorgt werden muss. Ich komme damit nicht gut klar. Es ist zwar etwas besser geworden aber nach wie vor schwer. Es gibt einfach Dinge, die "waren damals noch dabei" die kannte meine Oma noch, die hat sie selber noch gekauft oder benützt, also sind sie für mich ein Teil ihrer Welt und eine Verbindung zu ihr und das ist ja das wenige, was einem bliebt: Ein paar Fotos und ihre Sachen.
Und das Problem hat sich auf andere Bereiche (auch die, die nichts mit meiner Oma zu tun haben) übertragen. Also generell hänge ich sehr an Dingen: Wenn ich zB ein altes TShirt wegwerfen will, kommen mir Gedanken: Ach, das Shirt hatte ich damals an, als ich dies oder jenes gemacht habe...das kann ich nicht weg tun.
So sammle ich sehr viele Sachen und kann mich kaum trennen und wenn ich mich trenne ich es oft mit großer Überwindung und Schmerz verbunden.

Viele Leute meinen, mir einreden zu müssen, ich müsste mich doch "zusammenreißen" und einfach die Sache wegschmeißen, das würde mich befreien, aber das stimmt definitiv nicht und scheint absolut der falsche Weg zu sein, denn er vertieft mein Problem weiter. Also wenn ich mich mal "zusammengerissen" habe und etwas gegen mein Empfinden weggeworfen habe, wird das Problem schlimmer. Also wer mein, man könnte es mit Zwang lösen, der liegt ganz offenbar falsch. Für mich hat das definitiv niemals etwas befreiendes gehabt sondern war immer eine Qual. Ausmisten und Sachen entsorgen befreit mich nicht- es quält mich!

ich denke, das hat einfach mit loslassen zu tun: Frag mich nicht, wie das geht. Meine Oma starb vor 25 jahren und jeder der sagt, der Schmerz lässt nach, redet Mist: Der lässt nicht nach, man lernt nur, damit zu leben. Solche Schicksalsschläge trennen das Leben ein Vorher und ein NAchher und es ist doch ganz normal, dass Dinge, die zum Vorher gehören was besonderes sind.
Und Dinge sammeln ist ja auch prinzipiell nichts schlechtes: In unserer Wegwerfgesellschaft wird einem das zwar eingetrichtert, man sei nicht normal, wenn man nicht Spaß dran hat, alles wegzuwerfen und dauernd neues Zeug zu kaufen, aber das ist Quatsch(ich glaube das ist auch so eine Art Mode: Es gab auch Zeiten, da war das anders und aufheben war "Trend"): Es ist genauso normal, Dinge zu behalten und wert zu schätzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es eben Sammler und wergwerfer gibt: Beides ist per se nicht schlecht: Es wird nur dann schlecht, wenn es ins extreme geht: Sowohl extremes wegwerfen als auch extremes Sammeln ist nicht gut.
Also solange Du Deine Wohnung nicht bis unters Dach vollstopfst ist es ja ok.
Was mir gut hilft ist: Ich mache Fotos von den Dingen. Klar: Muss nicht jeder verstehen, warum ich einen Kugelschreiber fotografiere, aber MIR hilft es, den Gegenstand "loszulassen". ich habe sozusagen das Bild archiviert und sollte der Stift verloren gehen, bleibt mir der Erinnerungswert in Form des Bildes erhalten. So kann ich das ganze etwas ruhiger angehen. Vielleicht hiflt Dir das auch? Mache Bilder von all den Dingen- dann hast Du nicht mehr so viel Angst, dass etwas kaputt geht. Und ansonsten: Lass Dir nicht einreden, es wäre schlecht, Dinge aufzuheben, die andere als "altes Geraffel" oder Sinnlosen Kram bezeichnen: Was sinnvoll isst und was nicht bestimmst Du! Du musst nichts wegwerfen, woran Dein Herz hängt: Es sei denn, es ist total kaputt oder Du hast wirklich die Bude voll bis zum Rand. Dann solltest Du ausmisten und vielleicht hiflt es Dir auch da, die Dinge zu fotografieren um Dich leichter zu lösen.
Ich habe zB angefangen, die Dinge, die ich sammeln möchte
 

Apollina

Mitglied
Hallo who'snext,

ich kann deine Erfahrungen gut nachvollziehen. Meist hängt man an den Dingen, weil sie symbolisch für eine Person oder eine besondere Zeit stehen. Ich trauere z.B. immer noch meiner ersten Puppe hinterher, die ich vor einigen Jahren Bekannten mit kleinen Kindern gab. Mit dieser Puppe verbinde ich so viele schöne Kindheitserinnerungen wie z.B. die Urlaube mit meinen Eltern, die Weihnachtszeit mit der Familie, das Unbeschwerte der Kindheit. Diese Puppe steht für mich symbolisch für meine Kindheit und das Behütet-sein in meinem Elternhaus. Mittlerweile haben die Bekannten die Puppe auch nicht mehr und jetzt weiß ich hundertprozentig, ich werde diese Puppe niemals wieder bekommen. So, wie ich auch meine Kindheit niemals wieder bekommen werde.
Die Puppe ist nicht das einzige, an dem ich hänge. Ich habe z.B. noch alles, was mich an meine erste Verliebtheit erinnert, aufgehoben. Briefe, Geschenke, Fotos und sogar alte SMS, die ich mir notierte, nachdem der Trend vom Handy zum Smartphone überging. Alle diese Dinge habe ich aufgehoben, obwohl ich schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu der Person habe und manche Dinge davon wirklich auch nicht brauchbar sind. Aber ich werde sie definitiv nicht wegwerfen, die Erfahrung mit der Puppe möchte ich nicht noch mal machen. Es steht einfach für etwas besonderes in meinem Leben, etwas an das ich gerne erinnert werde. Ich nehme an, so wird es auch bei dir sein: Du wirst gerne an deine Oma erinnert und hast daher diese Gegenstände gerne in deiner Nähe.
Ich finde, da spricht überhaupt nichts dagegen, solange es nicht ausartet und man sich irgendwann in einer Messie-Bude wiederfindet.
 
A

Alböguhl

Gast
Hört sich an wie Angst vor Verlust, eine Kontrollangst , diese ist nicht einheitlich definiert und tritt bei jedem Menschen in anderer Art und Weise auf.
Der Grund dahinter ist immer der, daß wir nichts verlieren wollen, was wir lieben, was uns vertraut ist oder was uns Sicherheit gibt.
Die Wurzel deiner Verlustangst zu kennen, hilft dir also enorm dabei, deine Ängste in der Gegenwart zu verstehen und dann in den Griff zu kriegen.
Da was gegen zu tun, zu empfehlen, reicht das Forum nicht aus.
Ist ein Prozeß der erstemal erkannt und angestoßen werden muß:
 

Sadie02

Aktives Mitglied
Hi!

Ich kenne sowas zwar nicht von mir, aber ich kann es schon irgendwie nach vollziehen.

Die Sachen an sich, also ihr Wert...darum geht es dir wahrscheinlich gar nicht. Aber da sie derart an deine Oma erinnern...an das, was vor über fünfn Jahren war, sind sie dir irgendwie heilig. Geht dann was kaputt...ist es gefühlt so, als würde es deine Oma treffen. Vielleicht hast du auch Angst, sie aus der Erinnerung zu verlieren und klammerst ich daher an solche Dinge? Eben weil sie zum Anfassen sind...und die Erinnerungen im Kopf eben nicht?

Alles Gute
 

who'snext

Neues Mitglied
Hi!

Ich kenne sowas zwar nicht von mir, aber ich kann es schon irgendwie nach vollziehen.

Die Sachen an sich, also ihr Wert...darum geht es dir wahrscheinlich gar nicht. Aber da sie derart an deine Oma erinnern...an das, was vor über fünfn Jahren war, sind sie dir irgendwie heilig. Geht dann was kaputt...ist es gefühlt so, als würde es deine Oma treffen. Vielleicht hast du auch Angst, sie aus der Erinnerung zu verlieren und klammerst ich daher an solche Dinge? Eben weil sie zum Anfassen sind...und die Erinnerungen im Kopf eben nicht?

Alles Gute
Ja, das trifft es ziemlich gut. Ich kann diese Dinge noch genau so verwenden, wie sie meine Oma verwendet hat. Die Erinnerungen sind eben nicht "nützlich" und verblassen, wenn man sie nicht pflegt. Außerdem erinnere ich mich bei meiner Oma auch an viel weniger Positives. So war sie häufig latent depressiv und hat viel gejammert. Die Dinge verbinde ich mit einer Zeit, in der sie noch mehr im Leben stand.
 

Herbstzeitrose

Aktives Mitglied
ich kann das gut nachvollziehen weil ich Ähnliches durch habe. Ich hing auch sehr an meiner Oma und tue es auch jetzt noch. Bei Oma war es die Demenz, die sich lange hingezogen hat. Meine ganze Familie hat darunter gelitten auch das Haus wo Oma gelebt hat. Erst waren die Trinkgläser nicht richtig abgewaschen, dann sammelte sich immer mehr Staub an und letztendlich konnte ich aus Ekel nicht mehr aufs Klo gehen weil das Waschbecken total versifft war. Ich wollte Oma immer helfen aber Sie hat sich geweigert und wurde aggressiv. Auch meinen Eltern gegenüber. Dauernd Anrufe von den Nachbarn, die Polizei mußte Oma immer wieder einsammeln weil Sie sich draußen verirrt hatte. Rannte im Wintermantel bei sonnigen Temperaturen draußen rum. Letztendlich kam Sie nach einen Unfall ins Krankenhaus, dann ins Pflegeheim. 7 Jahre verbrachte Sie dort und mußte wegen der Pick-Demenz ruhig gestellt werden. Da bekam Sie Ausschlag, wurde bettlägerig und hatte die höchste Pflegestufe.
Meine Oma war für mich alles, ich liebe Sie und werde Sie immer lieben. Genauso wie meinen Opa, der gestorben ist als ich Kind war. Ich war sehr oft bei Ihr und Sie redete oft mit mir, tröstete mich und hatte immer Zeit für mich. Es war eine Oma aus dem Bilderbuch. Leider hat sich meine Mutter nie gut verstanden mit Ihr was oft zu Streit geführt hat. Ich habe oft schöne Spielsachen und Schreibwaren von Oma bekommen, die mir die anderen aus der Familie damals nicht gegönnt haben. Beim Umzug war das alles auf einmal "verschwunden", da war ich 12. Besonders 2 kleine Babypüppchen, an denen hing ich und ich kann es meiner Mutter immernoch nicht verzeihen warum sie meine Babys weggeschmissen hat. Das war ein Trauma für mich seitdem habe ich auch große Verlustängste. Man soll zwar Niemanden etwas nachtragen aber - sowas prägt sich ein und verletzt. Alles nur wegen einer Familienfehde innerseits.
Meine Kindheit war nicht gerade die Beste und ich hüte mein Spielzeug was ich noch habe wie ein Schatz.
Ich will jetzt mal zum Punkt meiner Geschichte kommen: Als wir Omas Wohnung ausgeräumt haben, flog sehr viel auf dem Müll. Einige Dinge konnte man retten, einige nicht. Damals habe ich noch im Clinch gelegen mit meinen Eltern und die waren wegschmeiß-Wütig. Was ich retten konnte war nicht wertvoll aber es hat für mich Erinnerungswert. Manche Sachen waren hingegen sehr verdreckt und versifft.
Einige Dinge sind durch meine Dämlichkeit kaputt gegangen, mit denen ich als Kind damals gespielt habe. Ich könnte jetzt noch heulen deswegen.
Ich habe eine sehr kleine Wohnung wo ich nicht mehr soviel Zeug reinstellen kann und kaufe mir auch nix Neues mehr. Aber dann fallen mir Sachen beim Aufräumen in die Hände, von denen ich mich nicht trennen kann, die ich aber nicht benutze (Hose von mir, T-Shirts)
Seit Jahren nehme ich mir vor, mal auszumisten aber es geht nicht. Ich weiß nicht warum.

Ich bin nicht materialistisch aber wenn ich sehe, daß manche geliebte Sachen einfach so in der Müllpresse landen, brichts einem doch das Herz.

ich wage nicht daran zu denken wenn ich alt bin oder überhaupt das Alter erreiche. Ich werde allein sein. Das ist ja schon jetzt der Fall. Die Depressionen machen mir das Leben schwer und Freundschaften halten nicht lange.

Wir sind in einer elenden Wegwerfgesellschaft. Und das kotzt mich so an.

das ist mein Beitrag zu diesen Thread
 

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