Liebe Annakarina,
was du da beschreibst klingt für mich gar nicht so unvertraut. Ganz im Gegenteil. Vielleicht bin ich diesbezüglich ein wenig übersensibel, denn ich habe bevor ich meinen Mann kennerlernte in einer zehnjährigen Beziehung ‚festgesteckt’, in der sich mein zunehmend stärkerer werdender Kinderwunsch nicht verwirklichen ließ, da mein damaliger Verlobter immer noch etwas länger warten wollte.
Letztendlich ist unser Beziehung genau daran zerbrochen. Das war sehr schlimm für mich, aber rückblickend ist es für uns beide sicher besser so gewesen. Wir wären miteinander bestimmt niemals wirklich glücklich geworden. Für beide wäre es vermutlich eher eine Zumutung gewesen. So verzweifelt ich damals auch war, heute bin ich froh nicht mit einem Menschen der mir inzwischen so fremd geworden ist über die Bedürfnisse eines gemeinsamen Kindes diskutieren zu müssen.
Irgendwie scheint das Leben da manchmal tatsächlich einen Plan zu haben.
Interessanterweise war es für mich dann sehr viel erträglicher in den darauf folgenden drei Jahren ohne Partner kinderlos zu bleiben, als mich damit in einer langjährigen Beziehung, die einfach nicht vom Fleck kommen konnte, abzufinden.
Als mein Mann und ich einander schließlich gefunden haben, war dass gewissermaßen für uns beide wie ein Befreiungsschlag. Wir waren überglücklich einander gefunden zu haben und sind es noch heute. Endlich ist da ein Mensch der ihn genau versteht und teilt – ‚meinen Traum vom Glück’ und ihn mit mir gemeinsam umarmt und lebt. Es war und ist genau richtig so und hat mich mit all dem Schmerz der vergangenen Jahre versöhnt. Um es mit den Worten von Annett Louisanne zu sagen:
‚Aber auf Dich hab ich gewartet.’ Ein wunderschönes Lied, das ich meinem Liebsten zu einem Hochzeitstag geschenkt habe.
Nach zwei Monaten zogen wir zusammen. Nach dreien machten wir Pläne und fingen wir an zu ‚üben’. Nach vieren bestellten wir das Aufgebot. Im gleichen Monat wurde ich auch tatsächlich schwanger. Bei der Hochzeit war ich daher schon im dritten Monat und noch im gleichen Jahr kam unser erster Schatz zur Welt.
Viele hochgezogene Augenbrauen, die letztendlich sehr gut und dauerhaft wieder runter kamen.
Unsere drei großen sind alle in einem Abstand von nicht ganz zwei Jahren geboren. Mit dem Vierten haben wir uns allerdings deutlich mehr Zeit gelassen, da es natürlich zunehmend auch eine rationale Entscheidung bedeutet es noch einmal zu wagen. Allen gerecht zu werden IST eben sehr wichtig. Wir haben uns nach langen Erwägungen dazu entschlossen und waren überglücklich, als es wieder, ganz schnell’ klappte. Und nun das.
Der Schmerz über den Verlust ist schier haltlos – für uns beide... Ich weis auch er leidet sehr, nur eben anders und wir können so schlecht darüber reden zur Zeit.
Doch gleichzeitig steht auf einmal alles wieder ganz neu zur Diskussion als wenn es zuvor gar keine Entscheidung gegeben hätte. Ich weis, er macht das nicht einfach so. Er sorgt sich vielmehr sehr um mich und die Kinder und möchte weiterten Schmerz von uns fern halten. Doch diese aktuell gelebte ‚Tagestendenz’ macht es alles noch so viel schwerer erträglich. In dieser Hinsicht beneide ich all jene, die voller Zuversicht auf ihr ‚Folgewunder’ hoffen dürfen. Es sei ihnen von Herzen gegönnt – ich wünschte nur ich dürfte das auch! So vieles von früher kommt dabei hoch – und das ist gar nicht so leicht.
Die Vorstellung akzeptieren zu müssen das es das nun gewesen sein soll – und mit so einem Ende. Das schreckt mich und macht mich unsagbar traurig.
Irrational wie es sein mag, gibt es mir um so mehr das Gefühl das mein Körper schlicht weg versagt hat. Das ich wenn ich mein Kleines besser behütet und beschützt, es nicht verloren hätte, alles hätte haben können, was ich mir erträumt habe. Ich war so nahe dran und habe es doch nicht geschafft. Jetzt muss ich aufs neue darum kämpfen und werde vielleicht dennoch verlieren.
Irrational wie es ist stellt es für mich augenscheinlich auch die einmal getroffene Entscheidung in Frage. Ach das mindert meinen Schmerz nicht.
Ich danke Dir für Dein Verständnis. Du beschreibst es sehr treffend und einfühlsam genauso, wie es ist!
Ein offizielles Grab gibt es nicht, doch wir haben unseren Schatz meiner Mama anvertraut. Sie wird mein Kleines behüten, bis ich eines Tages wieder bei ihm bin.
Natürlich darfst Du fragen. Unser Kleines hätte Theodor oder Viktoria geheißen. Letzteres scheint mir nicht ganz so angemessen in diesem Fall. Die Namen all unserer Kinder sind eher traditionell, einen Hauch altmodisch vielleicht sogar, doch bisher hat sich keines beschwert.
Da es noch zu früh war sagen zu können ob es ein Junge oder Mädchen gewesen wäre, möchte ich mich nicht einfach so festlegen und dabei vielleicht das Falsche wählen. Genauso wenig möchte ich einen Unisex Namen wählen, der mir nichts sagt, mir nicht gefällt, einfach nur, weil er für beide gepasst hätte.
Da wir unser Sternenkind auch in unser Stammbuch eintragen lassen möchten hätten wir dazu sehr gern einen Namen. Ich denke, das möglicherweise ein Name aus einem ganz anderen Kulturkreis (Afrikanisch oder Arabisch mit einer Bedeutung wie ‚Vier’, ‚Stern’ oder ‚Paradies’) eine Lösung sein könnte. Ich denke ich brauche einfach Zeit dafür. Gefühlt war es mein kleiner Theo, aber kann ich das jemals wirklich wissen?
Hab Dank für Deine liebevollen Worte.
Nellylein