Hallo Schwarzengel,
ich kann deine Gedanken und Ansichten voll und ganz nachvollziehen und sehe das in Bezug auf Gesellschaft und Kapitalismus ganz ähnlich. Mein eigener Lebenslauf ist auch alles andere als gerade und wirklich zufrieden mit einem Leben im falschen konnte ich schon in meiner eigenen Ausbildung nicht sein, wobei das spätere Studium dann zwar Spaß und vorübergehend neue Kontakte brachte, aber auch nicht wirklich zu beruflichem "Erfolg" führte.
Andererseits denke ich mir, dass du insbesondere mit deinem Freund gegenüber vielen anderen einen "Vorteil" hast. Freunde oder gar einen liebenden Menschen an seiner Seite kann man gar nicht hoch genug schätzen. Ich habe etwa seit einigen Jahren vor allem das Problem Einsamkeit, das nagt jeden Tag an mir. Selbst ein Lottogewinn würde daran wenig ändern, auch wenn ich dann den ganzen anderen Unsinn abhaken könnte und finanziell unabhängig wäre.
Deshalb würde ich mich an deiner Stelle auf die Beziehung konzentrieren und auf deine Interessen im Bereich Musik, Kunst, Kreativität. Die Ausbildung ist dann eben notwendiges Übel zum Zwecke des Gelderwerbs. Ich weiß, wie unwohl man sich dabei mitunter fühlen kann. Andererseits könntest du im Bereich Tourismus vielleicht das Reisen für dich entdecken und das mit deinem Freund ein bisschen ausleben. Ich hatte mir in solchen Phasen manchmal tatsächlich das "gute Miene zum bösen Spiel" angeeignet. Und traf sogar unerwartet öfter auf Leute, die meine Ansichten teilten.
Denn bist du mit deinen Einstellungen sicher nicht alleine. In größeren Städten gibt es diverse Gruppen und Initiativen, denen du dich vielleicht anschließen könntest. Man vergisst und verdrängt das schnell, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Manchmal fühle ich mich in der Millionenstadt wie der einsamste Mensch der Welt, was in so einer Stadt dann noch depressiver macht.
Und wenn es hart auf hart kommt im Bezug auf die Ausbildung: Die bist noch einigermaßen jung und Ausbildungsgänge gibt es viele. Käme vielleicht etwas in der Natur in Frage? Also als Landschaftspflegerin, Forstangestellte o.ä.? Oder im sozialen Bereich? Wenn ich heute nochmal die Wahl hätte, würde ich mich wohl dafür entscheiden. Wobei auch meine damalige kaufmännische Ausbildung im Rückblick nicht die schlechteste war. Man kann sich etwa auch gewerkschaftlich organisieren und so Kontakte zu Menschen gewinnen, die das alles etwas kritischer als die Teamleiterin oder der Bürochef sehen.
Das mit dem Eremitentum finde ich übrigens auch irgendwie reizvoll. Die Einsamkeit würde einen Sinn ergeben und man lebt ganz bewusst abseits einer an sich kranken Gesellschaft. Ein Kloster hatte ich mir tatsächlich auch schon überlegt, aber ich bin nicht einmal getauft. So eine Art unreligiöse Klostergemeinschaft in einem Barockkloster wäre eine Alternative, die ich mir durchaus vorstellen könnte. Gibt es aber leider nicht wirklich.